Der VfB verliert zu Hause gegen den FC Bayern. Eigentlich wenig überraschend, aber dennoch haarscharf. Eines der besten Saisonspiele hinterlässt bei Fans des Brustrings gemischte Gefühle.
Passend zur Jahreszeit wusste vor dem Heimspiel, das früher als “Südgipfel” bezeichnet wurde, eigentlich jeder, wie es laufen würde: Der VfB würde gut mithalten, lange das 0:0 halten und am Ende den einen spielentscheidenden Fehler machen, weil man individuell dann doch viel schlechter besetzt ist als der Meister. Weil hinten wieder irgendeiner pennt. Business as usual, oder auch: same procedure as every game, James!
Genau so lief es natürlich auch. Aber doch irgendwie anders als erwartet. Der VfB attackierte wie schon am Mittwoch in Hoffenheim die Bayern früh in der eigenen Hälfte und kam dadurch auch zu den ersten Torchancen. Die wurden zwar genauso wenig verwertet wie in den letzten Spielen, die Brustringträger mussten sich aber auch gegen eine wesentlich bessere Abwehr durchsetzen. Ausnahmsweise mal hilfreich bei den Offensivbemühungen war Andreas Beck, der seine Rolle als Außenverteidiger wesentlich offensiver interpretierte und damit vorne Räume und Anspielmöglichkeiten schuf. Der Willen des VfB, es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen, zog sich durch das ganze Spiel und wurde weder von der verletzungsbedingten Auswechslung Simon Teroddes, noch vom obligatorischen Gegentreffer gebrochen. Rein vom spielerischen Ansatz her war das eines der besten Saisonspiele, weil die Mannschaft die Bayern über 90 Minuten unter Druck setzte und sich die Münchner kein Verschnaufen leisten konnten. Hervorheben sollte man an dieser Stelle nochmal Ron-Robert Zieler, der erneut ein bockstarkes Spiel ablieferte und den VfB so im selbigen hielt.
Drama, baby!
Das Fiese an dieser Partie war die letzte Viertelstunde. Natürlich traf Thomas Müller genau in dem Moment, als man vorsichtig zu hoffen wagte, das Engagement des VfB würde vielleicht mit einem 0:0 belohnt. Immerhin: Die Mannschaft gab das Spiel danach nicht verloren, sondern rannte weiter an. Ja gut, denkst Du Dir. Hast von dem Spiel punktemäßig eh nichts erwartet. Was solls. Und dann kriegt der VfB in der Nachspielzeit nach einigem Videobeweis-Hin und Videobeweis-Her einen Elfmeter zugesprochen. Vor der Cannstatter Kurve. Wie geil wär das denn?! Doch noch einen Punkt mitnehmen! Chadrac Akolo schnappt sich den Ball. Der Junge, der gegen Hoffenheim noch unter Schmerzen ausgewechselt wurde und trotzdem am Samstag in der Startelf stand. Und er verschießt.
Wie gemein der Fußball sein kann, hat der Vertikalpass schon trefflich zusammengefasst. Da hast Du die Hoffnung schon aufgegeben, wirst zunächst eines besseren belehrt und dann doch wieder enttäuscht. Wahnsinn. Ein unnötiges Drama am Ende einer zuletzt zähen, nervigen, mitunter unerfreulichen Hinrunde. Dann noch diese ganzen “ausgerechnet”-Momente. Ausgerechnet Sven Ulreich, der vor dem Spiel nochmal klar stellte, dass er damals nicht gehen wollte, sondern gegangen wurde, pariert den Elfmeter. Ausgerechnet vor der Cannstatter Kurve, die ihn, wie der Rest des Stadions, 90 Minuten lang ausgepfiffen und beschimpft hatte. Das reicht für’s Boulevard locker bis zum Rückrundenbeginn.
Wobei ich die Anfeindungen gegen Ulreich nur bedingt nachvollziehen kann. Ja, es ist ein Ex-Spieler bei einem Konkurrenten. Bei einem Konkurrenten, den manche VfB-Fans mit einer solchen Inbrunst hassen, dass sie sogar lieber Red Bull als Meister sähen. Aber wie ich schon vor über zwei Jahren schrieb: Der Wechsel von Ulreich zu den Bayern war das Beste, was uns damals passieren konnte. Denn sportlich stagnierte er schon seit einer Weile, konnte der Abwehr nicht die nötige Sicherheit vermitteln. Gleichzeitig kannst Du jemanden, der so lange im Verein ist, nicht einfach vor die Tür setzen. Eine der wenigen vernünftigen Entscheidungen Robin Dutts war es, das dennoch zu tun. Warum also Ulreich auspfeifen? Aus Reflex?
Respekt an die Kurve!
Wie auch immer. Überflüssig, aber irgendwie auch nicht so wichtig. Viel wichtiger war, wie es Chadrac Akolo nach seinem verschossenen Elfmeter ging. Und wie schon bei Timo Baumgartl vor ein paar Jahren zeigte die Cannstatter Kurve, welch feines Gespür sie für den richtigen Umgang mit ihren Spielern, gerade mit den jungen hat:
Aussage zum Verhalten der Kurve nach dem verschossenen Elfmeter von #Akolo#VfB pic.twitter.com/TO3A3f3amX
— __1893Seahawk__ (@blackXXseven) December 16, 2017
An dieser Stelle einen schönen Gruß an die ganzen Dummschwätzer, die seit Jahren die Mär vom überkritischen Stuttgarter Publikum weitertragen. Anstatt sich sich richtig damit zu beschäftien. Mit einer Fanszene, die seit Jahren den langsamen Verfall ihres Vereins mit ansehen musste. Die trotzdem erst dann eskalierte, als es die Mannschaft im zigsten Anlauf endlich geschafft hatte, den Verein in der zweiten Liga zu versenken. Die dem Verein in der zweiten Liga die Bude einrannte und das größtenteils in der Bundesliga weiterhin tut. Die einen 19jährigen, der einen Elfmeter in der Nachspielzeit verschießt, umarmt und nicht ausstößt. Sucht euch endlich eine andere schlecht recherchierte Storyline!
Keep calm and rock the Rückrunde!
Was bleibt also nach diesem Spiel? Die vierte Niederlage in Folge. Das vierte Mal in Folge kein Tor geschossen. Aber auch ein Ansatz, wie man in der Rückrunde erfolgreicher agieren kann. Mit offensiven Außenverteidigern, die im Besten Fall spielerisch noch etwas beschlagener sind als Aogo und Beck. Mit einem 90minütigen Anrennen auf das gegnerische Tor aus einer gesicherten Defensive heraus. Mit einem Simon Terodde, der gestern, auch wenn er keine Tor geschossen hat, seine Stärken gezeigt hat, nicht nur bei der Hackenvorlage auf Akolo. Mit einem Hannes Wolf, der in seinem ersten halben Jahr als Bundesliga-Trainer mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht hat. Aber auch nicht alles falsch. Und dem man, wie der Mannschaft, die Winterpause zugestehen muss, um sich zu regenerieren und für die Rückrunde taktisch und personell besser aufstellen zu können.
Klar ist weiterhin: Wieder absteigen darf der VfB nicht. Aber er darf jetzt auch nicht den Kopf verlieren, weil er als Aufsteiger den Klassenerhalt nicht schon zu Weihnachten in der Tasche hat. Uns muss allen klar sein, dass es dieses Jahr um nichts anderes geht, als über dem Strich zu bleiben. Egal wie. Dabei hätte ein Punkt gegen München sicherlich geholfen. Viel mehr aber hätten drei Punkte in jenen Spielen geholfen, in denen man vernünftigerweise mit ihnen rechnen konnte. Ich habe es schon im Podcast gesagt: Mainz weghauen, durchschnaufen, Fehler analysieren und dann in der Rückrunde den Klassenerhalt klar machen!