Nach der aus deutscher Sicht erfolgreichen Länderspielpause kommt der Überraschungsaufsteiger Heidenheim ins heimische Neckarstadion. Wie es auf der Ostalb läuft, verrät uns Heidenheim Fan Petra.
Rund um den Brustring: Platz 11 nach 26 Spielen, wie zufrieden seid ihr mit der Saison?
Petra: Ernstgemeinte Frage 😉 ? Als designierter Absteiger auf Platz 11 zu stehen, ist eigentlich Antwort genug. Wir sind mit dem Platz vermutlich nicht weniger zufrieden als Ihr, wenn auch auf einem anderen Niveau.
Heidenheim galt am Anfang der Saison als Abstiegskandidat Nr. 1. Jetzt steht man mit 10 Punkten Abstand auf den Relegationsplatz quasi im Niemandsland der Tabelle, macht ihr euch noch Sorgen bezüglich des Abstiegs oder plant ihr schon für nächstes Jahr?
Natürlich machen wir uns noch Sorgen. 10 Punkte Vorsprung vor den letzten 8 Spielen ist sicher alles andere als schlecht, aber eben noch nicht uneinholbar. Wir werden auf jeden Fall noch punkten müssen. Vermutlich werden 34 Punkte für einen Nicht-Abstiegsplatz reichen. Aber wir haben noch 3 Spiele gegen die Top 5, da könnten einige Mannschaften aufschließen und/oder vorbeiziehen. Bei den sieben Mannschaften hinter uns gab es diverse Trainerwechsel, Winterneuzugänge und Wintertrainingslager. Von den letzten drei schätze ich Mainz am stärksten ein. Henriksen als neuer Trainer hat eigentlich einen starken Kader, dem ich zutraue, die Abstiegsränge noch zu verlassen. Wir sind definitiv noch nicht durch. Trotzdem sind die Planungen für die kommende Saison in vollem Gange, alles andere wäre natürlich unprofessionell. Mit Julian Niehues, einem defensiven MF, wurde der erste Neuzugang verpflichtet. Er kommt ablösefrei von Kaiserslautern. Im Hintergrund laufen wie überall die Gespräche, natürlich sind die Ergebnisse vom Klassenerhalt abhängig. Nicht nur von unserem, sondern auch von dem anderer Mannschaften. Erfahrungsgemäß sind immer Spieler starker Zweitliga-Mannschaften ein Thema. Natürlich gilt das auch für Abgänge.
Seit nunmehr fünf Spielen wartet ihr auf einen Sieg, Grund zur Sorge?
Wir sprechen ein wenig viel über Sorgen. Auch in der Hinrunde war das die Phase mit den wenigsten Siegen. Und wir hatten nach den ersten 8 Spieltagen, vor dem VfB Spiel, sogar einen Punkt weniger. Spiele in denen wir da klar unterlegen waren, gingen in der Rückrunde deutlich knapper aus. Wolfsburg, Hoffenheim, Gladbach, Frankfurt, Leverkusen. Klar, die Spiele gegen Frankfurt und Gladbach hätten gewonnen werden müssen. Das waren aber deutliche Niederlagen in der Vorrunde.
Im Hinspiel konnte sich Heidenheim im Württemberg-Duell durchsetzen, woran lag es deiner Meinung nach und welche Bedeutung hatte der Sieg für euch?
Es war ein Heimspiel, das ist ein großer Vorteil für uns. Eine Mannschaft wie Heidenheim muss immer an ihr Limit gehen und darüber hinaus, um gegen individuell stärkere Mannschaften erfolgreich zu sein. Das ist zu Hause einfacher. Keine Anreise, Familie und Freunde im Rücken, das „Zuhause“ Gefühl, die enge Arena. Die Stuttgarter Spieler haben das vielleicht unterbewusst doch nicht ganz so ernst genommen und haben ihre Qualitäten nicht zu 100 % ausgespielt. Dazu dann der verschossene Elfmeter von Silas, der half uns natürlich mehr als euch. Ich würde behaupten, das waren die wichtigsten 3 Punkte in der Hinrunde. Eine Art Aufbruchsstimmung: Seht her, wir können in der Bundesliga doch mithalten.
Was muss der VfB machen, damit er nicht auch das Rückspiel verliert?
Die Frage stellt sich eigentlich nicht. Alle Vorteile sind jetzt auf Stuttgarter Seite. Zum einen die Euphorie, die Champions League erreichen zu können, 4 Spieler in der Nationalmannschaft zu haben und wirklich tollen Fußball zu spielen. Zu Hause vor 60 000 Zuschauern. Auch Heidenheim wird mit mindestens 5000 Auswärtsfahrern vor Ort sein. Der Gästeblock ist voll und viele weitere Fans sind in den anderen Bereichen. Für uns wird es schwierig. Ich habe den Eindruck, die Spieler sind etwas müde. Die intensive Spielweise erfordert ihren Tribut. Der Kader ist verhältnismäßig dünn. Wenn du in jedem Spiel an deine Grenzen gehen musst und darüber hinaus, besteht die Gefahr, dass dir am Ende etwas die Luft ausgeht. Maloney kommt aus einer Verletzung und es ist bis jetzt nicht sicher, ob es reicht. Die letzten beiden Spiele hat man gemerkt, wie wenig wir eigentlich auf ihn verzichten können. Auch Niklas Beste könnte fehlen, er musste leider mit einer Adduktorenverletzung von der Nationalmannschaft abreisen.
Wer ist dein Heidenheim-Spieler der Saison bis jetzt? Auf wen muss der VfB besonders aufpassen?
Die Mannschaft 🙂 Nein, im Ernst, es ist eigentlich kaum möglich, einen hervorzuheben. Niklas Beste würden die meisten nennen. Unfassbare Standards und doch auch defensiv sehr wichtig. Eren Dinkci, technisch stark und der schnellste Spieler der Liga. Kevin Müller, der uns mit tollen Paraden Punkte gerettet hat. Mittelstürmer Tim Kleindienst ist der erste Verteidiger und kopfballstärkste Spieler der Liga und steht mit Patrick Mainka, der als Kapitän jede Minute auf dem Platz steht, unter den vier besten Zweikämpfern. Lennard Maloney, amerikanischer Nationalspieler, der zwar in keiner Statistik weit vorn auftaucht, aber so ungeheuer wertvoll für diese Mannschaft ist, weil er jeden Zentimeter im Mittelfeld vor dem Gegner verteidigt und keinen Ball verloren gibt. Aber am Ende vielleicht doch Norman Theuerkauf. Unser Defensiv-Allrounder. Unfassbare 37 Jahre alt und die Zuverlässigkeit in Person. Egal, wo du ihn hinstellst. Seine Diagonalbälle sind immer noch ein Gedicht. Sollte man es bisher nicht bemerkt haben, ich bin verliebt in diesen Kader.
Wie würdest du den Heidenheimer Fußball beschreiben?
Intensiv, effizient, schnelles Umschalten, zweikampfstark. Frank Schmidt parkt keinen Bus. Unabhängig vom Spielstand ist immer das nächste Tor zu erzielen oberste Priorität, aber jeder Spieler auf dem Platz verteidigt das eigene, mit allem, was er hat. Auch die Stürmer gehen im Vollsprint zurück.
Dein Tipp und Gefühl für das Spiel?
Ich weiß, dass sich sowohl Mannschaft als auch Fans sehr darauf freuen. Das ist schon etwas Besonderes, wenn die beiden württembergischen Bundesligisten aufeinandertreffen. Für die Champions League und als Belohnung für die tolle Saison und Spielweise gönne ich euch jeden Punkt. Am Samstag wäre es mir aber lieber, es bleibt bei einem. Für meinen FCH wird das schwer genug, aber ich bin sicher, jeder Spieler auf dem Platz wird bis zum Schluss alles dafür geben, etwas mitzunehmen. Ich hoffe sehr, unser Torverhältnis wird nicht zerschossen. 2:2
Viele Dank für das Interview!
Sehr gerne!
Titelbild: Alex Grimm/Getty Images