Mit Augsburg kommt die Messlatte für den VfB Stuttgart. Über die Lage bei unseren Mitschwaben sprachen wir mit den beiden FCA Fans Birgit und Irina, Host des FCA Podcast “puppngschwätz” und Bloggerin beim einzigen FCA Fanblog “Rosenau Gazette”.
Rund um den Brustring: 14 Punkte nach 11 Spielen, darunter ein Sieg gegen die Bayern: Ist Augsburg noch Abstiegskandidat?
Irina: Ich bin zwar nun deutlich optimistischer als zum Saisonstart, den wir anfänglich fast in den Sand gesetzt hätten. Allerdings muss man als Augsburger*in so ehrlich mit sich selbst sein (und irgendwo zeichnet uns das über die Jahre hinweg aus), dass man sich primär selbst immer als Abstiegskandidat sieht und ganz leise und heimlich vielleicht von etwas mehr träumt. Etwas mehr entspricht hier einfach einer sicheren Nicht-Abstiegsregion. Gerade mit der aktuellen Personalnot muss man einfach jedes Spiel hoffen, dass sich nicht ein weiterer Spieler verletzt oder eine Sperre einhandelt — und nicht noch weitere Leistungsträger damit fehlen. Die Personaldecke des FCA ist derzeit echt eklatant dünn. Man muss also aufpassen, vor der WM-Pause nicht noch in die direkte Abstiegszone zu rutschen.
Birgit: Das ist eine sehr gute und vor allem auch keine einfache Frage. Natürlich hat der FCA den besten Saisonstart seiner Bundesligahistorie hingelegt, mit was sicherlich die Wenigsten gerechnet haben. Vor allem auch, da man derzeit mit großen Personalsorgen zu kämpfen hat. Aber noch ist man lange nicht durch. Die Saison ist gerade einmal elf Spieltage alt und wir alle wissen, dass es im Fußball in beide Richtungen der Tabelle auch mal ganz schnell gehen kann. Bei dem jedes Jahr doch sehr engen Tabellenstand im unteren Bereich, reichen schnell mal zwei Niederlagen, dass man wieder mit im Abstiegskampf drin hängt. Wenn der FC Augsburg es jedoch schaffen sollte, sein derzeitiges Niveau weiterhin auf dem Platz zeigen zu können, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir eine entspanntere Saison zu sehen bekommen und man am Ende im sicheren Mittelfeld landet. Das wird aber erst der weitere Saisonverlauf zeigen und bis dahin gehört der FCA auf jeden Fall zu den Mannschaften, die alles geben müssen, um die Klasse zu halten.
Markus Weinzierl wurde durch Enrico Maaßen ersetzt, war das die richtige Maßnahme?
Irina: Schönes Wortspiel, haha 🙂 Markus Weinzierl wurde durchaus gemischt von den Fans angesehen, die einen verdanken ihm einfach noch sehr viel und schwelgten wohl noch in nostalgischen Europa Pokal Träumen. Absolut berechtigterweise muss ich sagen. Der Rest sagte damals: Niemals zurück zu der Ex 🙂 Als Ennos Name dann durch die Medien geisterte und final nach laaangem Warten bekannt gegeben wurde, hatten viele natürlich eingeworfen, dass Enno ein noch absolut unbeschriebenes Blatt im deutschen Profifußball war. Das hat sich nun mittlerweile geändert. Der Rest wiederum hat möglicherweise einfach gehofft, dass ein wenig mehr Spielkultur und Siegeswillen in die Mannschaft zurückkehrt, das kam gefühlt in der letzten Saison abhanden (vermutlich auch schon deutlich früher)… Da war jeder Name recht und Ennos Visitenkarte beim BVB II und auch in Rödinghausen versprach nicht allzu viel schlechtes, im Gegenteil. Und mittlerweile, nach anfänglichen Startschwierigkeiten, gibt ihm der Erfolg — nach einigen taktischen Kniffen — recht.
Birgit: Im Nachhinein war es für den Verein die richtige Entscheidung, auch wenn die Trennung ja von Markus Weinzierl selbst ausging. Doch der Wechsel auf der Trainerposition hat nicht nur frischen Wind in die Mannschaft gebracht, sondern allgemein für eine bessere Stimmung im Club, aber auch in der Fanbase gesorgt. Man sieht endlich wieder eine Einheit auf dem Platz und die familiären Werte scheinen vermehrt wieder zum Tragen zu kommen. Mit Enno Maaßen konnte der FCA zudem einen Trainer verpflichten, der sehr gut mit jungen Spielern arbeiten kann, was man auch daran sieht, dass nun vermehrt Spieler aus der eigenen Jugend im Training, aber auch im Spieltagskader stehen. Das wurde in den letzten Jahren doch leider etwas vernachlässigt, was natürlich auch dem stetigen Abstiegskampf geschuldet war. Ich für meinen Teil bin froh, dass man dieses Risiko, einen in der Bundesliga unerfahrenen Trainer einzusetzen, eingegangen ist, denn er tut den Jungs und dem Mannschaftsklima eindeutig gut.
Wie würdet Ihrden Fußball unter Maaßen beschreiben? Was sind eure Stärken und Schwächen?
Irina: Enno hat das System kurzerhand nach den anfänglichen Schwierigkeiten umgestellt, von der 5er Kette zurück zur klassischen 4er Kette (4–4‑2 mit Doppel 6 zuletzt). Ein wenig wars sicherlich der Personalnot geschuldet. Meiner Meinung nach kreieren wir immer noch nicht super viele Torchancen, kombinieren allerdings viel gefälliger, sind gallig (nicht unfair, wie ich finde), griffig und arbeiten gut gegen den Ball. Da ziehen alle an einem Strang, agieren als Einheit. Das ist spür- und greifbar — das wollen die Fans in Augsburg auch sehen. Insoweit kann man ein wenig von der Rückkehr der Augsburg DNA sprechen. Offensiv sieht das aktuell echt oft richtig gut aus, mit den Neuzugängen Demirovic und Berisha ist sehr viel Leben in die Offensivabteilung eingekehrt. Es wird schnell und eher schnörkellos nach vorne gespielt, aktuell kann man auch echt sagen, dass man vor dem Tor kalt bleibt und seine (wenigen) Chancen dann auch nutzt. Defensiv ist dies zum Teil in dieser Saison oft wackelig, dazu kommen individuelle Fehler oder Unachtsamkeiten, wie zuletzt gesehen gegen RB Leipzig. Auch hier muss man an dieser Stelle die Personalnot der Augsburger erwähnen, gerade als “Kellerkind” mit kleinem Budget trifft es einen doppelt hart, wenn Stützen wie Gikiewicz, Uduokhai, Oxford, Dorsch und Hahn gleichzeitig ausfallen und dies sogar für längere Zeit. Dazu kommen noch Spieler aus dem erweiterten Kader, wie Jensen und Bazee, die Potenzial mitbringen, aber immer wieder verletzungsbedingt fehlen.
Birgit: Zu Beginn setzte Enno auf eine 3er-Kette und wollte unser System in Ballbesitzfußball umwandeln. Das hat leider nicht ganz so gut funktioniert, was sicher auch stellenweise den vielen Verletzten geschuldet war. Deshalb hat man eine weitere Systemumstellung vorgenommen und setzt nun erneut auf schnelles Umschaltspiel, frühes Anlaufen und hohes Pressing. Das würde ich tatsächlich auch als unsere große Stärke bezeichnen. Wir scheuen derzeit kein Risiko und können mit einer sehr guten Chancenverwertung aufwarten. Auch der Zusammenhalt innerhalb des Teams macht uns stark. In der Defensivabteilung hat der FCA allerdings ein paar Probleme, vor allem im Bereich der Zuordnung im Strafraum und der Abstimmung untereinander. Daran sollte man dringend arbeiten und gleichzeitig das Sammeln von Karten einstellen, denn in dieser Statistik grüßen die Fuggerstädter derzeit unangefochten von ganz oben.
Auf wen müssen die VfB Spieler besonders achten? Wer ist eure gefährlichster Spieler?
Irina: Auf unsere Abteilung Attacke — Demirovic und Berisha — im Verbund. Die machen derzeit einfach überragende Spiele, verstehen sich mittlerweile blind. Beide können treffen, aber auch als Assistgeber in Erscheinung treten (jeweils sechs Scorerpunkte bis dato). Beide sind richtige “Rumtreiber”, sind schwer zu greifen vom Gegenspieler, suchen dann zügig den Abschluss. Macht richtig Bock, den beiden zuzusehen.
Birgit: Auch wenn Ermedin Demirovic die meisten Tore erzielt hat, würde ich tatsächlich Mergim Berisha als unseren gefährlichsten Spieler bezeichnen. In sieben Einsätzen konnte er schon sieben Scorerpunkte (3 Tore und 4 Assists) beisteuern. Zudem ist er ein körperlich sehr betonter und kompletter Stürmer, der selbst weiß, wo das Tor steht, aber auch den Überblick über das Spielgeschehen hat und gerne auch seine Mitspieler bedient. Zudem ist er der Mann für unsere Standards, die sehr gezielt im gegnerischen Strafraum landen.
Euer Gefühl bzw. dein Tipp für das Spiel?
Irina: Ich erhoffe mir einen FCA-Sieg, bei der dünnen Personaldecke (das wird sich vermutlich erst nach der WM-Pause ein wenig ändern) glaube ich aber eher an ein Unentschieden, weil wir derzeit wirklich auf dem Zahnfleisch daher kommen. Der FCA wird sich allerdings auch ohne viele wichtigen Mannen von seiner besten Seite zeigen und wieder ein gutes Spiel abliefern, davon bin ich überzeugt. Freue mich auf eine faire und sportlich unterhaltsame Partie!
Birgit: Das wird eine enge Kiste. Auch wenn der VfB eine schmerzhafte Niederlage in Dortmund einstecken musste, waren sie zuletzt doch auf einem aufsteigenden Ast. Die zehn Tore in den beiden Spielen zuvor sprechen für sich. Zudem haben die Stuttgarter Spieler ihre berühmte Cannstatter Kurve hinter sich und man hat im letzten “Schwabenderby” gesehen, was der 12. Mann im Rücken ausmachen kann. Aber ich gehe davon aus, dass der FC Augsburg trotz großer personeller Sorgen alles geben wird, um die Punkte aus der Mercedes-Benz Arena zu entführen
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