Der VfB reist mit einem 5:0 im Rücken und stolzer Brust nach Mainz, wo er auf bislang sieglose 05er trifft.
Wie heißt es so schön: Nach der Länderspielpause ist vor der Länderspielpause. Es sind tatsächlich nur vier Spieltage, bis die EM-Qualifikation in den Endspurt startet. Und kaum zu glauben, aber die Spiele sehen machbar aus. Wie vergänglich und surreal es wirkt, dass wir gerade auf Platz 3 liegen. Ich sehe realistische Chancen, dass es auch in der nächsten Länderspielpause ähnlich gut aussehen wird. Spiel eins ist auswärts gegen Mainz 05, wo wir trotz krasser Auswärtsschwäche seit drei Spielen ungeschlagen sind. Eine Bilanz, die wir nicht unbedingt gegen jeden Bundesligisten besitzen. Außerdem ist Mainz 05 im Gegensatz zum VfB sehr schwach gestartet. In den drei ersten Bundesligaspiele holten sie gerade mal einen Punkt und das war gegen dezimierte Frankfurter. Die anderen beiden Spiele? Ein 1:4 an der alten Försterei, wo sie zwei Elfmeter verschossen. Das andere war gegen Bremen, die bekanntlich kurz vorher ihren Topstürmer Niklas Füllkrug an Dortmund verkauften.
“Das hört sich ja alles schön und gut an”, sagt mein innerer Skeptiker, “aber das sind nur drei Spiele, richtig?Sogenannter Fehlstart, den jedem hätte passieren können, richtig?” Nun, so einfach ist es nicht. Obwohl Mainz 05 die letzte Saison auf einem angenehmen neunten Platz beendete, zeigte ihre Formkurve doch deutlich nach unten. Auf der “Sebastian Hoeneß-Tabelle”, also die letzten sieben Spieltage der letzten Saison, sind die 05er auf dem letzten Platz. Zusammengerechnet holten sie saisonübergreifend sechs Punkte. Nein, ich werde jetzt nicht dieses nervige Gentner-Zitat bringen. Gegen den Karnevalsverein können wir auf jeden Fall punkten. Wer nicht absteigen will, darf gegen formschwache Mainzer — und das meine ich wie immer nicht abwertend oder so — nicht verlieren beziehungsweise sollte gewinnen.
Nach Mainz kommt übrigens der Aufsteiger SV Darmstadt. Spiel drei und vier bis zur nächsten Länderspielpause sind auswärts in Köln und zuhause gegen VfL Wolfsburg. Gegen keiner dieser Mannschaften müssen wir uns verstecken. Da ist auf jeden Fall was zu holen.
Kommen wir nun zu unserer Mannschaft. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass wir auf einmal so durchstarten? Spielen wir auf einmal besser? Ist das die Magie des neuen Stadionnamens? Die (Teil-)Wiedereröffnung der Haupttribüne? Das habe ich mich gefragt und ich habe tatsächlich eine Antwort darauf gefunden:
Nichts.
Naja bzw. nicht viel. Wir sind wie letzte Saison stark darin, Chancen zu kreieren, aber wir haben auch wie immer unsere mentalen Aussetzer zum Anfang des Spiels. Doch, was ist der Unterschied? Warum gewinnen wir auf einmal so hoch? Die Antwort: Wir nutzen unsere Chancen, der Gegner nicht. Im Ernst, es ist absurd, wie sich das gewandelt hat. Letzte Saison wäre Bochum wahrscheinlich durch den Ex-Karlsruher Hofmann früh in Führung gegangen, während Vincenzo Grifo den Ball volley in den Knick ballert. Auf der anderen Seite hätte Führich gegen Freiburg wahrscheinlich den Ball im Mercedes-Benz Museum untergebracht. Und ob wir nach einem Rückstand das Ding gedreht hätten, steht in den Sternen.
Doch diese Saison ist irgendwie anders. Auf einmal machen wir unsere Dinger. Auf einmal landet gefühlt jeder Ball von uns im gegnerischen Tor und bleiben hinten sauber. Ich denke, das hat mit zwei Personen zu tun. Serhou Guirassy und Alexander Nübel. Guirassy dreht auf einmal richtig auf und ist in der Form seines Lebens. Es ist absolut nicht ketzerisch zu behaupten, dass er einer der besten Stürmer Deutschlands sei. Und Nübel? Meine Fresse, mit welcher Selbstverständnis er in den Ball springt. Wenn das so weitergeht, muss ich Abbitte leisten. Immerhin war ich einer der größten Nübel-Doubters in Stuttgart. Ja, mittlerweile läuft es sehr gut. Doch ich muss auch auf die Euphoriebremse drücken. Wie erwähnt, bleiben auch die Probleme der alten Saison. Noch immer sind wir mental nicht am Anfang jeder Halbzeit voll bei der Sache. Zwar konnten Freiburg und Bochum das nicht bestrafen, aber in Leipzig verschlief die Mannschaft den Wiederanpfiff. Wie das endete, weiß glaub jeder, der es mit dem VfB hält. Daran muss die Mannschaft arbeiten und das ist, was mir Sorgen macht. Ob unsere ersten drei Spiele nur Glück oder doch Können war, zeigt sich meiner Meinung nach in den nächsten vier Spielen. Denn diese werden wegweisend. Nach Mainz kommt Darmstadt, dann Köln und am Ende Wolfsburg. Wir haben jetzt die Chance, uns von der unteren Region der Tabelle abzusetzen. Das wäre wichtig, denn am Anfang des Jahres stehen die Afrikameisterschaft und die Asienmeisterschaft an und wir werden höchstwahrscheinlich unter Anderem ohne Silas, Guirassy und Ito auskommen müssen. Bis dahin brauchen wir Sicherheit, das können wir nach den letzten Jahren und nach dem Chaos in der Vereinspolitik dringend gebrauchen….
Personalsituation
Apropos Asienmeisterschaft. Zwar beginnt diese erst im Januar, aber jetzt beginnen die Asienspiele, eine Art Olympia Asiens. Wieso erzähle ich das? Unser Zehner Jeong reist mit Südkorea in die Philippinen, um zusammen mit Trainer Jürgen Klinsmann die Goldmedaille im Fußball zu verteidigen. Wir wünschen viel Erfolg!
Auch ohne kontinentale Meisterschaft haben wir mit Personalausfällen zu kämpfen. Kastanaras und Vagnoman sind leider immer noch im Lazarett, Aber Neuzugang und Dönerliebhaber (schaut euch das Interview auf dem VfB-Youtubekanal an!) Deniz Undav ist laut Spieltags-PK eine Option für den Kader und könnte endlich sein Debüt im Brustring feiern.
Startaufstellung
Den Ausfall von Jeong können wir mit Enzo Millot wahrscheinlich eins zu eins abfangen. Ansonsten never change a winning Team.
Statistik
Wie oben beschrieben sind wir in Mainz seit drei Spielen ungeschlagen. Zwei der drei Spiele konnten wir sogar mit 4:1 für uns entscheiden. Ansonsten sieht es eher mau aus. In 30 Bundesligaduelle ist die Bilanz recht positiv. 13 Siege zu 9 Niederlagen und 8 Unentschieden. Mainz liegt uns doch eher. Auch fußballerisch wird keine Überraschung auf uns warten. Mainz spielt wie unsere ersten drei Gegner recht physisch. Sie haben bis jetzt die meisten Kopfballduelle und Zweikämpfe gewonnen. Auch bei der Fouls und gelben Karten sind sie auf der Pole-Position. Dazu haben sie die meisten intensiven Läufe und die zweitmeisten Sprints. Mit dem Ball am Fuß fühlen sie sich eher unwohl. Sie haben die zweitniedrigste Passquote und schießen am zweitwenigsten auf das gegnerische Tor. Taktisch wird wohl Bo Svensson, den ich für einen guten Trainer halte, nicht von seinem bisherigen 3–4‑2–1 abweichen und nach diesem schwachen Saisonstart keine taktischen Experimente wagen.
Fazit
In Mainz können wir gewinnen. Mainz wirkt verunsichert und wir dagegen strotzen nur so von Selbstbewusstsein. Mit Millot können wir den Ausfall von Jeong gut kompensieren. Trotzdem sollten wir den Gegner nicht unterschätzen, gerade weil wir auswärts spielen. Wir müssen konzentriert bleiben und weiterhin so effizient vorne die Dinger machen. Dann sind drei Punkte ein realistisches Ziel. Ich tippe aber auf ein abwechslungsreiches 2:2, damit wäre ich auch zufrieden.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images