Es ist viel los beim VfB, auf und neben dem Platz. Und dann fehlt auch noch Waldemar Anton. Gute Vorzeichen für den Kampf um die Champions League-Plätze?
Der VfB Stuttgart ist mittlerweile der Verein für Drama. Nach den ständigen Breaking News und Statements in der Vereinspolitik war die Mannschaft wohl etwas eifersüchtig auf das Spotlight und verspielte um ein Haar eine 2:0‑Führung. Der Verlauf des Spiels gegen Heidenheim steht dem vereinsinternen Ränkespiel im Nichts nach. Wobei ich Drama auf dem Platz statt neben dem Platz bevorzuge. Samstag könnte das Drama weitergehen, denn da treffen wir auf den BVB in einem sehr wichtigen Spitzenspiel. Für mich persönlich ist es sogar das wichtigste Spiel der restlichen Saison. Gewinnen wir, distanzieren wir Dortmund auf sieben Punkte und erhöhen weiter den Druck auf Bayern. Verlieren wir, kommt Dortmund punktetechnisch auf einen Punkt an uns ran und auch Leipzig könnte gefährlich werden. Klar, wir würden weiterhin auf Platz 3 bleiben, aber da wir von der Top 6 das schwerste Restprogramm haben, müssen wir in den direkten Duellen unbedingt punkten. Mein Gefühl sagt mir, dass wir auf Platz 5 noch abrutschen werden. Und dann kommt es darauf an, wie sich die deutschen Teams in den europäischen Wettbewerben schlagen bzw. ob die englischen Teams noch genügend Punkte holen, um Deutschland den zusätzlichen Startplatz in der Champions League streitig zu machen. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie das berechnet wird oder von was es abhängig ist. Man braucht mit diesem neuen Modus eine Doktorarbeit, um das ganze System dahinter zu verstehen. Die gute Nachricht: Es ist so gut wie sicher, dass wir nächstes Jahr nach all der Scheiße auf die Reise gehen. Der Tabellensiebte und ‑achte Freiburg und Augsburg könnten maximal mit uns gleichziehen und müssten ihre Tordifferenz verbessern, um an uns vorbeizuziehen. Anders gesagt: Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir nächstes Jahr nicht europäisch spielen würden. Ich kann auch nicht aufhören zu betonen, wie gut es sich anfühlt, über so etwas wie Europa oder Champions League anstatt über Abstiegskampf und zweite Liga zu schreiben.
Doch bevor es nach Europa geht, geht es jetzt erstmal nach Dortmund. Der VfB hatte gute Erfahrungen dieses Jahr mit den Schwatzgelben. Zwei Spiele, zwei Siege und beide Male Dortmund komplett dominiert. Das müsste doch jetzt ein drittes Mal möglich sein, oder? Von wegen! Edin Terzic hat mittlerweile seine Mannschaft weitestgehend stabilisiert. Fußballerisch sieht das zwar immer noch aus wie Union Berlin mit besseren Spielern, aber der Erfolg gibt ihm Recht. In der Rückrundentabelle sind sie auf Platz 3 punktgleich mit uns und konnten die letzten vier Ligaspiele für sich entscheiden. Letztes Wochenende konnten sie sogar bei ihrem Angstgegner Bayern München nach zehn (!) Jahren endlich wieder gewinnen. Sie werden also mit breiter Brust in dieses Spiel gehen. Dazu kommt noch, dass es ein Auswärtsspiel ist. So gut wir diese Saison performen, auswärts sind wir in der Regel dann doch ein gutes Stück schwächer. Fünf unserer sechs Niederlagen holten wir in der Ferne, darunter gegen Teams wie Bochum und Gladbach, die sich im Abstiegskampf befinden. Als würden die aktuelle Form von Dortmund und die Auswärtsschwäche nicht schon genügend Sorgen bereiten, kommt noch die
Personalsituation
hinzu. Genauer gesagt, die Personalsituation in unserer Innenverteidigung. Es reicht nicht, dass mit Zagadou und Rouault zwei Stammkräfte fehlen, nein, Waldemar Anton sah beim Spiel gegen Heidenheim eine komplett unnötige fünfte gelbe Karte wegen Meckerns in den Schlussminuten und fehlt deswegen gesperrt. Stenzel könnte eventuell einspringen, aber hinter seinem Einsatz steht aufgrund eines Mittelhandbruchs ein Fragezeichen. Mittlerweile muss man sich fragen, ob Fritzle Innenverteidiger spielen kann.
Mögliche Startelf
Ich geh mal davon aus, dass Stenzel spielt. Auch wenn er kein gelernter IV ist, so hat er mehr Qualitäten als Stergiou, der den VfB Gerüchten zufolge im Sommer wieder verlassen wird. Ansonsten das übliche flexible 4–2‑3–1. Mit dem Ball wird es wahrscheinlich eine Dreierkette, mit Karazor als Tiefen Sechser und Stenzel als Halbraumverteidiger, der hinter Vagnoman absichert. Ungefähr so:
Das gibt noch genügend Platz zum Kombinieren und hinten ist man gegen Konter abgesichert. Wichtig ist es, die schnellen Konter über die Flügel von Dortmund irgendwie unterbinden zu können, weswegen mich eine etwas defensivere Grundposition von Mittelstädt und Vagnoman nicht wundern würde.
Statistik
in 107 Bundesligaduellen ist die Bilanz ausgeglichen. 41 Siege, 25 Unentschieden, 41 Niederlagen. Zuletzt gewann der VfB Stuttgart zuhause gegen Dortmund mit 2:1. BVB gegen VfB verspricht in letzter Zeit oft torreich zu sein, seien es einseitige 0:5‑Pleiten, 5:1- Überraschungssiege oder torreiche Last-Minute-Unentschieden wie das 3:3 vor knapp einem Jahr oder das 4:4 vor 12 Jahren. Allgemein sind Tore beim VfB garantiert. Diese Saison gab es in der Liga nur einmal ein 1:0 Endergebnis (Niederlage beim VfL Bochum) und man muss schon bis 2022 zurückschauen, um ein torloses Remis zu finden. Das Westfalenstadion ist für den VfB ein schweres Pflaster geworden. Zwar konnten wir 2020 dort 5:1, aber davor konnten wir zuletzt 2007 (!) gewinnen. Insgesamt konnten wir nur 13 von 53 Gastauftritten für uns entscheien.
Dortmund steht in den verschiedenen Statistiken auf einem ähnlichen Niveau wie der VfB. Ähnlich gute Pass — und Ballbesitzquote, ähnlich schwache Kopfballduellquote und ähnlich wenige Fouls. Einzig und allein in der Zweikampfquote steht der VfB deutlich vor dem BVB. Laut xG-Tabelle überperformed der BVB. Sie haben aus 46 xPoints 53 Punkte generiert. Nur Leverkusen überperformed seine xPoints mehr. Das liegt übrigens nicht daran, dass sie Glück beim Torabschluss haben, das liegt an Gregor Kobel. Sie haben 42 xG gegen sich, während sich “nur” 32 Gegentore kassiert haben. Laut Fbref.com hat Gregor Kobel insgesamt ca. 5 Tore alleine verhindert — Ligabestwert.
Fazit
Es ist das vielleicht wichtigste Spiel der restlichen Saison. Mit Glück können wir Europa klar machen. Doch zuvor müssen wir in Dortmund gewinnen, wo wir uns traditionell sehr schwer tun, und das während unsere Innenverteidigung auf Reserve läuft. Ich befürchte wir werden das verlieren, aber tippe trotzdem mal auf ein interessantes 2:2.
Titelbild: © Lars Baron/Getty Images