Nach zwei Siegen und 10:1 Toren in den ersten beiden Spielen unter Wimmer reist der VfB Stuttgart mit Selbstvertrauen ins Westfalenstadion. Dort trifft er auf kriselnde Borussen. Wird der VfB wieder auf den Boden gebracht oder können die Schwaben wie 2020 erneut überraschen?
Zwei Spiele hintereinander so hoch zu gewinnen ist ein neues Gefühl für uns leidgeprüfte VfB-Fans. Natürlich können wir mit der Qualität des Gegners argumentieren, aber vergessen wir dabei nicht, dass wir in der ersten Runde einem Drittligisten ein 1:0 abgerungen haben. Tatsächlich gab es den letzten VfB-Sieg mit zwei Toren oder mehr zuletzt im Dezember 2021 in Wolfsburg. Dass wir auf einmal wieder so ein Aufwärtstrend erleben hat auch mehrere Gründe. Seit dem Trainerwechsel blühen Sosa und Silas auf. Auch wenn sie auf verschiedenen Flügel spielen, ergänzen sich die beiden Wingbacks sehr gut. Sei es die Spielverlagerung per Seitenwechsel oder Flanken auf den zweiten Pfosten wie beim 4:0 gegen Bielefeld, das dynamische Duo belebt die VfB-Offensive wieder. Als Nächstes muss Enzo Millot lobend erwähnt werden. Auf einmal ist er Stammspieler und Tonangeber im Mittelfeld. Er brilliert vor allem von der Zehn aus als pressender Schattenstürmer und macht zusammen mit Tiago Tomas ordentlich Druck auf die gegnerische Innenverteidiger. Der schnelle Portugiese fällt nicht mit Toren auf, aber schaut man sich die Spiele nochmal an, dann fällt auf, mit welcher Intensität er auf den ballspielenden Verteidiger oder Sechser rennt. Ich denke es ist eine Frage der Zeit bis auch bei ihm der Knoten platzt und er endlich auch mal trifft. Nochmal zurück zu Millot: Eine Antwort ist uns aber der VfB noch schuldig, wie Benni Hofmann vom Kicker treffend formuliert hat:
“[…]weshalb Millot bislang kaum eine Rolle gespielt hat in dieser Saison. Unter Pellegrino Matarazzo kam das 66-Kilogramm-Leichtgewicht lediglich als Joker zum Zuge in der laufenden Serie. In der aktuellen Form ist Millot aber als Einwechseloption verschenkt, dafür tut er dem VfB-Spiel zu gut und dem Gegner trotz seiner eher geringen Physis mit seiner hohen Grundaggressivität zu weh.”
Hoffentlich geht sein Lauf auch unter dem neuen Trainer weiter, der wohl auch nicht gegen Dortmund neben Sven Mislintat auf der Stuttgarter Bank sitzen wird. Interimstrainer Michael Wimmer wird auch gegen den achtmaligen deutschen Meister coachen. Langsam wird die Trainerfrage auch mehr zum Luxusproblem. Solange Wimmer ein Winner ist, wozu was ändern? Warum ihn nicht gleich zum Cheftrainer erklären und nicht noch einen weiteren Trainer auf die Payroll holen? Ganz einfach: Die Samplesize von zwei Spielen gegen einen schwachen Bundesligisten und einen noch schwächeren Zweitligisten ist einfach zu klein. Das könnte sich mit einem überraschenden Sieg gegen Dortmund aber vielleicht ändern…
Personalsituation
Vagnoman wird wahrscheinlich weiterhin verletzt ausfallen während Daxo eventuell zurückkehren wird. Mavropanos war schon gegen Bielefeld auf der Bank und könnte schon in Dortmund wieder in der Startaufstellung stehen.
Mögliche Startaufstellung
Mavropanos spielt für den kurzfristig erkrankten Stenzel, den ich eigentlich für seine gute Leistung im Pokal mit einem Startelfeinsatz belohnen würde. Guirassy könnte für den Doppeltorschützen Pfeiffer in die Startaufstellung rücken, ich könnte mir aber vorstellen, dass Wimmer wieder auf Pfeiffer setzt. Daxo kehrt nach einer kleinen Verletzungspause wieder zurück in die erste Elf. Sollte er noch nicht soweit sein, wird wohl Ito seinen Platz einnehmen. Im Mittelfeld rutscht Endo wieder zurück auf die 6, Führich hat mit Sosa auf der linken Seite als Halbfeldspieler brilliert und Enzo Millot wird für die Kreativität verantwortlich sein. Ich denke gegen Dortmund werden wir weniger Ballbesitzphasen haben und per Gegenpressing und effektives Kontern zu Chancen kommen. Dafür eignet sich die Achse Tomas, Millot und Endo perfekt.
Statistik
In insgesamt 114 Spielen zwischen den beiden Traditionsteams steht es 47:43 nach Siegen für die Schwarzgelben mit 24 Unentschieden. Überraschend eng könnte man sich denken, aber das liegt wohl am Recency Bias. Dortmund und der VfB waren sich vor den Zehnerjahren nahezu ebenbürtig. 09/10 lagen zwischen den beiden Gründungsmitglieder der Bundesliga zwei Punkte in der Endtabelle. Danach trennten sich die Wege. Für die damalige Klopp-Elf ging es Richtung Ligaspitze und für den VfB nunja, ihr wisst schon…
Der BVB ist nach drei Spielen ohne Sieg auf Platz 8 abgerutscht. Zuletzt gab es sogar eine 2:0‑Niederlage in Köpenick, die nicht unverdient war. Trotzdem ist Dortmund punktetechnisch noch weit vor dem VfB. Mit 16 Punkten haben sie doppelt so viele geholt als die Brustringträger. Allgemein brilliert Dortmund im Passspiel. Sie lieben das Kurzpassspiel, diese Spielen sie von allen Bundesligisten am Meisten und jetzt RATET welche Mannschaft die meisten Kurzpässe zugelassen hat! Richtig, es ist Leverkusen, aber dicht gefolgt vom VfB. Man muss aufpassen, dass der BVB das Stuttgarter Pressing nicht mit diesen Pässen umspielt, denn gerade unter Druck haben sie die meisten Pässe aller Bundesligisten erfolgreich gespielt. Eine Lösung könnte sein, den BVB auf die Flügel zu drücken. Zwar flankt Dortmund gern, aber der VfB ist in der Luft Ligaspitze. Kein Team gewinnt prozentual mehr Kopfballduelle als die Schwaben. Allgemein steht Dortmund schlechter da als sie sind. In den meisten Kategorien bewegen sie sich in den Top 3 oder Top 4. Das Gleiche gilt übrigens auch für Stuttgart. Zwar sind sie nicht direkt ein Top 4 Team, aber oft findet man sie eher im Tabellenmittelfeld als im Tabellenkeller.
Fazit
Gegen Dortmund kommt der erste Härtetest für Wimmers Jungs. Ein Sieg wäre ebenso überraschend wie ein harterkämpfter Punkt. Es wird wahrscheinlich eher auf das Wie ankommen. Spielen wir wieder einen offensiven, attraktiven Fußball und können wir mithalten? Haben zufällige Effekte wie ein fragwürdiger Elfmeter, eine Fehlentscheidung oder ein Torwartfehler für die Entscheidung gesorgt? Auch wenn ich lieber einem unverdienten Sieg als ein leistungsgerechtes Unentschieden nehmen würde, würde mich Letzteres langfristig mehr beruhigen.
Titelbild: © Alex Grimm/Getty Images