Vor dem drittletzten Saisonspiel des VfB sprachen wir mit Stefan vom Sandhausen-Fanclub Carpe Diem (@CDSandhausen).
Rund um den Brustring: Hallo Stefan und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Zunächst eine persönliche Frage: Wie geht es Dir, wie hast Du die letzten Monate überstanden?
Stefan: Mir geht es eigentlich ganz gut. Ich bin seit Anfang März im Home-Office und werde das in nächster Zeit auch noch bleiben. Da ich im IT-Bereich arbeite ist das auch gut möglich und ich bin hier vermutlich priviligiert. Meine Frau und die Kinder waren seit März auch alle zu Hause und das Leben war schon ein anderes. Aber wir haben das ganz gut hinbekommen. Mit meinen Eltern und Freunden hatten wir viele FaceTime Calls und konnten uns so zumindest über Video sehen. Am traurigsten war für mich im April als meine Oma ihren 100. Geburtstag hatte. Wir hätten gerne entsprechend gefeiert, hatten dann aber nur ganz kurz die Möglichkeit ihr im Altersheim durch das Fenster zu winken. Aktuell gelten immer noch Einschränkungen beim Besuch. Müssen die Feier aber unbedingt nachholen.
Kurz zum Sportlichen: Vor dem Spiel gegen den VfB steht Ihr auf Platz 10, könnt nicht mehr aufsteigen, aber auch ein Abstieg ist bei sieben Punkten Vorsprung äußerst unwahrscheinlich. Damit geht Ihr, wenn die nächste Saison anfängt, ins achte Zweitligajahr in Folge. Zufrieden?
Es ist nächste Saison sogar schon das neunte Zweitligajahr, wenn wir den Klassenerhalt schaffen. Dazu fehlt uns aber noch ein Punkt. Und ja, ich bin zufrieden, wenn wir den Punkt noch holen. Der Klassenerhalt ist immer das wichtigste Ziel, wenn man sieht wie eng es in der 2. Liga zugeht und welche Vereine immer noch zittern müssen (z.B. Nürnberg). Wenn wir nach Abschluss der Saison immer noch auf Platz 10 stehen, wäre das überragend.
Unserem letzten Gegner, dem KSC, steht das Wasser finanziell bis zum Hals, eine Fortführung der Saison mit Geisterspielen hatte für die Karlruher also auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Wie sieht es beim SVS aus und wie ist Deine Meinung zu Geisterspielen?
Nach Aussagen der Vereinsführung konnten wir die Corona Krise einigermaßen gut abfangen. Auch bei uns gibt es Kurzarbeit auf der Geschäftsstelle und Gehaltsverzicht der Profis. Und die Millionen für den Transfer von Philipp Förster zum VfB Stuttgart letzten September waren auch noch nicht ausgegeben. In einem Interview meinte unser Präsident, dass auch die Sponsoren und Partner ihre Verpflichtungen eingehalten haben und wir daher das Ganze wohl mit einem blauen Auge überstehen werden. Die fehlenden Zuschauereinnahmen bei Geisterspielen treffen den SV Sandhausen nicht ganz so hart wie viele andere Vereine. Mit einem Zuschauerschnitt von knapp 7000 haben wir doch eher geringere Einnahmen durch Zuschauer.
Geisterspiele an sich finde ich blöd. Das ist nicht der Fußball den ich kenne und liebe. Fans und Fußball gehören zusammen. Die Atmosphäre in den leeren Stadien ist traurig und im TV habe ich, außer den SVS spielen, bisher noch kein weiteres Spiel komplett geschaut. Ich kann aber nachvollziehen, dass viele Vereine unbedingt weiterspielen wollten um die TV Gelder zu sichern. Die wirtschaftlichen Folgen wären für einige Vereine vermutlich massiv gewesen. Das sich im Profifußball generell etwas ändern muss, Gelder besser verteilt werden, Spieler und Spielerberater nicht alleinige Nutznießer sind, steht aber außer Frage. Ich hoffe den Worten von DFB/DFL folgen nun auch Taten, glaube da aber noch nicht so dran.
Kannst Du die scharfe Kritik, die in den vergangenen Monaten am Profifußball geäußert wurde, nachvollziehen?
Wie oben schon angedeutet, teilweise schon. Da ist so viel Geld im System und trotzdem stehen viele Vereine auf einmal komplett vor der Pleite. Und während viele Menschen während der Corona Krise um ihre berufliche Existenz oder sogar um ihr Leben zitterten ging es, aus rein wirtschaftlichen Interessen, nur darum so schnell wie möglich wieder anzufangen. In der Fußballbranche sind nur Topverdiener unterwegs, dass das bei vielen Leuten nicht gut ankam ist nachvollziehbar. Trotzdem verstehe ich auch die Vereine. Wie jedes andere Unternehmen wollten sie ihren Geschäftsbetrieb so schnell wie möglich wieder starten um das Unternehmen zu retten und Einnahmen zu generieren. Und letztendlich sind Fußballvereine eben nix anderes als Wirtschaftsunternehmen, auch wenn wir Fans das manchmal gerne anders hätten.
In vielen Städten gab und gibt es Solidaritätsaktionen der organisierten Fanszenen. Wie sah das in Sandhausen aus?
Es gab auch in Sandhausen einige Aktionen während der Coronazeit. Unsere Ultras z.B. unterstützen die lokalen Tafeln in der Region und den AWO Laden in Sandhausen mit Spenden und Care Paketen. Denn in so einer Krise trifft es die Ärmsten immer noch stärker. Und im SVS Fanforum wurde von Fans eine Platform für den lokalen Einzelhandel zur Verfügung gestellt um den Sandhäuser Betrieben und Gaststätten eine Möglichkeit zu geben, trotz geschlossenem Geschäft, über Lieferservice oder Onlinehandel trotzdem noch ihre Produkte und Angebote an die Leute zu bringen umso wenigstens ein paar Einnahmen zu generieren.
Hat sich der Verein auch engagiert und wie bewertest Du insgesamt das Verhalten des SVS in der Krise?
Der SVS hat ein Online Portal unterstützt, auf dem Partner und Sponsoren Angebote veröffentlichen konnten. Insgesamt war es während des Corona Lockdown aber eher ruhig beim SVS. Updates gab es meist nur nach den DFL Meetings. Der SVS hat sich an den Vorgaben der DFL orientiert und auch alles umgesetzt was erforderlich war um dann wieder den Spielbetrieb aufzunehmen. Man hat sich in dieser Phase jetzt nicht besonders hervorgetan aber auch nichts falsch gemacht.
Hat sich durch die letzten Monate dein Verhältnis zum Profifußball und zu Deinem Verein verändert?
Irgendwie war das Verhältnis zum Profifußball auch schon vor Corona nicht mehr so unbekümmert wie vielleicht noch vor einigen Jahren oder als Jugendlicher. Außer meinem Verein und vielleicht noch ein, zwei mir sympathische Vereine hatte ich in letzter Zeit immer weniger Fußball geschaut. 1. Liga, Champions League, DFB Pokal,… ich habe mir zwar die Ergebnisse angeschaut aber das war es dann auch. Das geht in meinem Umfeld übrigens mehreren Leuten so. Durch die vielen Spiele, unterschiedlichen Anstoßzeiten, ständigen Fußball im TV hat der Fußball zu einer Übersättigung geführt. Die finanziellen Auswüchse kamen dann noch obendrauf. Corona war jetzt vielleicht hilfreich das alles nochmal zu überdenken. Auch von den Verantwortlichen. Ob das aber klappt, da bin ich noch nicht so sicher.
Mein Verhältnis zum SVS hat sich während Corona eher nicht geändert. Der SVS spielt in dem “Geschäft Profifußball” mit und letztendlich habe ich das akzeptiert. Und meiner Meinung nach macht der SVS in diesem Geschäft und mit den schwierigen Rahmenbedingungen, als kleinster Standort im Profifußball, hier doch noch mehr Sachen richtig als falsch.
Titelbild: © Pressefoto Rudel/Robin Rudel