Das Ergebnis und vor allem der Auftritt beim Auswärtsspiel auf Schalke wirken nach. Erneut hat die Mannschaft bei einem direkten Konkurrenten verloren und muss sich die Punkte jetzt anderswo holen. Zum Beispiel am Samstagabend gegen die Bayern.
Wieder einmal hat mich eine VfB-Mannschaft so weit: Meine Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit, nicht nur an diesem, sondern auch an den folgenden Wochenenden, befinden sich am Nullpunkt. Als wir letzte Saison am 31. Spieltag in Berlin verloren, war das schon schlimm genug, viel zu schnell wurde die Saison nach der emotionalen Rettung am letzten Spieltag als durch äußere Umstände verursachten Beinahe-Betriebsunfall angesehen, vor dessen Wiederholung man sich mit einem umfangreichen Saisonanalyse schützen würde. Was auch immer Sportvorstand und Sportdirektor im vergangenen Sommer analysiert haben, sie haben daraus die falschen Schlüsse gezogen und die falschen Entscheidungen getroffen. Geändert hat sich im Vergleich zur letzten Saison nichts. Was hilft mir ein marginal verbesserter Gegentorschnitt, wenn mir selber kaum ein Tor gelingen will, was vermeintliche defensive Stabilität, wenn ich in einem Spiel eineinhalb Elfmeter verursache oder dem Torwart haltbare Bälle durch die Finger flutschen?
Stattdessen werden Mythen gesponnen, um die eigenen Entscheidungen zu rechtfertigen. Ob es nun die eigenen Transferüberschüsse sind, die den Verein vermeintlich am Leben halten und teilweise doch bei Beratern, in Handgeldern oder in langfristig lukrativen, aber kurzfristig kostenintensiven Schaufenster-Transfers versickern, die man aber gleichzeitig auch alle gemeinsam abgewickelt hat. Oder wenn es darum geht, zu zeigen, warum die Rückkehr Bruno Labbadias eine gute Idee gewesen sein soll. Wer zu Hause 0:2 gegen Bremen verliert, kann nicht davon sprechen, dass bis zum Schalke-Spiel alles besser wurde. Und wer zwei Mal in Folge eine Startelf auf dem Platz stehen hatte, in der mit Hiroki Ito und Silas nur zwei Spieler jünger als 25 sind und keiner jünger als 21, kann sich bei deren Unzulänglichkeiten nicht auf Alter oder Erfahrung berufen.
Nein, die Realität ist, dass die Mannschaft zwar bisweilen ein feines (kollektives) Füßchen hat, in ihrer Gesamtheit aber mental zu unreif für den Abstiegskampf ist. Auf das Debakel in Berlin folgte ein müdes 1:1 gegen Wolfsburg und auch nach dem Last-Minute-Heimsieg gegen Augsburg Wochen vorher brachte die Mannschaft in drei Spielen gegen Bielefeld, Dortmund und Mainz nur ein mickrigen Tor zustande. In Bielefeld durch einen Elfmeter. Es war kein Lauf, der dem VfB die Klasse hielt, sondern die Inkompetenz der Konkurrenz und zwei engagierte Auftritte, als man schon einen Fuß über der Klippe hatte. Neun Monate später muss man der Mannschaft immer noch erklären, worauf es im Abstiegskampf ankommt, kaum einer der nicht mehr ganz so jungen Jungs weiß im Angesicht des Gegners, was er zu tun hat, anders lässt sich die kollektive Schulhof-Ballhatz nach Fehlpässen und Ballverlusten nicht erklären.
Anstatt, dass man über jedes hingehaltene mediale Stöckchen springt, erwarte ich mir eine Lösung, mit der wir den Abstieg abwenden, dessen Auswirkungen jedem schon lange klar sein sollten und nicht erst seitdem sie als Grund für jede Personalentscheidung herhalten muss. Mit Bruno Labbadia hat man womöglich aus Einfallsloslosigkeit oder Unwissenheit keinesfalls einen schlechten Trainer geholt — es sei denn man denkt weiterhin, der VfB sei strategisch was Besseres als die Konkurrenz- aber den falschen für diese Mannschaft, die intern schon immer funktionierte und deshalb weder ein gemeinsames Frühstück, noch gemeinsame Waldläufe braucht. Nein, was weder Matarazzo, noch Wundertrainer Wimmer — ich erinnere an die 0:5‑Klatsche in Dortmund nach den hohen Siegen gegen Bochum und Bielefeld — noch Labbadia hinkriegen, ist, die Mannschaft zur Selbstverantwortung zu erziehen, damit sie sich auf dem Platz unabhängig vom Spielstand selber zu helfen weiß, anstatt sich von einer Führung tragen und von einem Rückstand verunsichern zu lassen. Ein stures Festhalten an einem Trainer, der stur an seinen taktischen und personellen Fehlern festhält, könnte fatale Folgen haben, die man dann irgendwann nicht mehr unter Verweis auf ehemalige Mitarbeiter begründen kann. Weswegen es aktuell ratsam ist, den Ball lieber flach zu halten.
So. Ohne Erwartungshaltung, aber mit einer gewissen Vorahnung nun also zur
Personalsituation
Guirassy ist weiterhin verletzt, Sosa mit unnachahmlichem Timing gelbgesperrt, Stenzel wohl wieder fit, während Ito Rücken hat und Flo Müller mit Handgelenksschmerzen die Tribüne drohen könnte. Bredlow wird eh im Tor stehen, auf anderen Positionen erwarte ich in einer
Möglichen Startaufstellung
Änderungen. Erwarten im Sinne von “Ich bin der Meinung, dass Labbadia etwas ändern muss” und nicht “Ich denke, dass Labbadia etwas ändern wird.
Wer Ito und Mavropanos hat, braucht keinen Anton, weder auf rechts, noch innen. Wenn Stenzel doch nicht spielfit sein sollte, spielt dort eben Vagnoman. Ob man Ito jetzt durch Zagadou oder Anton ersetzt, falls der Rücken nicht besser wird, ist schwer zu sagen. Nartey, der in Sandhausen auch schon erfolgreich auf der linken Seite spielte, ist auf jeden Fall für mich der bessere Sosa-Ersatz. Vorne sollte Kastanaras in einem sowieso wenig aussichtsreichen Spiel endlich seine nächste Bewährungschance bekommen, zu verlieren gibt es für ihn nichts. Silas kann dann von der Bank kommen, in der Startelf sehe ich ihn aktuell nicht.
Statistik
Ja gut, was soll man hier sagen. Letzter Sieg gegen München im Jahr 2018, letzter Heimsieg gegen die Bayern am 10. November 2007, als Mario Gomez und, man mag es kaum glauben, Yildiray Bastürk in Diensten des amtierenden Deutschen Meisters den Vorjahresvierten mit 3:1 in die Schranken wiesen. Aktuell haben die Baysrn die beste Offensive und die beste Defensive, müssen sich aber punktemäßig die Tabellenführung trotzdem mit Dortmund teilen, gewannen aber im laufenden Kalenderjahr auch nur zwei Mal mehr als der VfB, verloren aber auch nur ein Mal.
Fazit
Also doch eigentlich gar keine schlechte Ausgangsposition, um einen wackelnden Serienmeister weiter ins Wanken zu bringen, oder? Was Augsburg kann, können wir schon lange, oder? Nunja. Mag sein, dass wir uns mit unserem wie gesagt etwas in die Jahre gekommenen Talenteschuppen für was Besseres als Augsburg halten, wenn es gegen die Großen geht, gibt es selten mehr als nur Schulterklopfer. Natürlich erwarte ich eine Reaktion auf das Schalke-Spiel und wahrscheinlich bekomme ich sie auch, weil die Mannschaft weiß, dass es hier keine Widerstände zu überwinden gilt. Eine Niederlage ist eingeplant in den Köpfen und bringt Im Zweifelsfall trotzdem ein Lob ein. Einen starken Gegner wirklich mal zu überwinden, das wäre ein Zeichen an die Liga, dass mit dem VfB im Abstiegskampf noch zu rechnen ist. Aber dafür braucht es halt alle Hände, beziehungsweise Füße und vor allem Köpfe an Deck. Ich bezweifle, dass die Mannschaft das hinkriegt und ich sehe nicht, wer es ihr vermitteln soll.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass nimmt Mannschaft und Trainer unter die Lupe und nimmt den Pseudo-Fußballjournalismus aufs Korn, der ohne einen Ansatz von Einordnung “Sportastrologen” eine Bühne gibt.
Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images)