Das erste Spiel nach der Länderspielpause bestreitet am Freitagabend der VfB gegen Borussia Dortmund. Mit BVB-Fan Stefan (@Surfin_Bird) sprachen wir über die aktuelle Situation der Borussia.
Rund um den Brustring: Hallo Stefan! Danke, dass Du Dir Zeit für unser Gespräch genommen hast. Erzähl bitte kurz was über Dich: Wie bist Du zum BVB gekommen? Und warum lautet dein Twittername @Surfin_Bird?
Stefan: Schwarz-gelb seit 1982. Vermittelt über den Vater, der aus Dortmund kommt. Nie in Dortmund gelebt, musste ich mich an Hertha und neuerdings dem FCB abarbeiten. Nachdem das Fansein eine Zeitlang nebenbei lief, wie wohl bei vielen 10-jährigen Jungs, kam es dann zur Gefühlsexplosion beim Pokalfinale 1989. Zwei Worte: Norbert Dickel. Und ich als 16-jähriger neben meinem Vater im Olympiastadion. Ich hatte vergessen, dass mein Vater gar nicht wusste, dass ich rauche und habe mir in verzückter Selbstauflösung eine Kippe nach der anderen angesteckt. Heute behauptet mein Vater von ihm hätte ich es mit Sicherheit nicht, dass ich mich nahezu jederzeit mit Begeisterung über Fußball austauschen kann. Vereinsmitglied seit 1997.
Warum heiße ich @Surfin_Bird? Das hat primär mit meinem echten Namen zu tun, den Ramones und der Tatsache, dass mir einfach kein coolerer Nick eingefallen ist.
Rund um den Brustring: Seit mittlerweile zehn Jahren gehört die Borussia wieder zur nationalen Spitze, mit Ausnahme von Platz 7 2015 seid Ihr auch Stammgast auf einem der ersten drei Tabellenplätze. Stellt sich mittlerweile nach der Dürrephase Mitte der 2000er Jahre eine gewisse Erfolgs-Sättigung ein, oder konzentriert man sich statt auf gute Platzierungen mittlerweile auf Titel wie den DFB-Pokal in diesem Jahr?
Stefan: Es ist vielleicht keine Erfolgs-Sättigung, es ist eine Erfolgs-Werdung. Ich muss mich immer wieder selber korrigieren und meinen Anspruch an meinen Verein hinterfragen. Das hat mit Demut zu tun, mit Dankbarkeit für die Klopp-Jahre (und die waren es, die hatten es in sich) und mit einem leichten Unbehagen, das einen beschleicht, wenn man an sich selber eine FCB-Werdung bemerkt. Man wird dann unwirsch, wenn nicht jeder reguläre Gegner souverän geschlagen wird. Ambivalent, denn man will diesen sportlichen Status im Regelfall unbedingt erreichen, aber nicht die Begleiterscheinungen, die er so oft mit sich bringt.
Rund um den Brustring: Zu Beginn der Saison ersetzte Peter Bosz Thomas Tuchel als Cheftrainer. Wie bewertest Du Bosz bisher und wie siehst Du die Trennung von Tuchel und die Begleitumstände?
Stefan: Fangen wir mit Tuchel an. Nach allem, was man aus dem Verein, dem Umfeld und der Fanszene hört, erscheint mir eine Trennung von Tuchel unumgänglich gewesen zu sein. Die sportliche Entwicklung war herausragend, das war auch so offensichtlich, dass gravierende Gründe für eine Entlassung sprechen müssen. Belassen wir es dabei. Und es sollte nicht vergessen werden, dass Team und Trainer mit viel Glück einem grauenhaften Schicksal entgangen sind. Der Bombenanschlag wird aber auch ohne körperliche Spuren einen massiven Einfluß auf jeden Einzelnen und das Gefüge der Mannschaft gehabt haben; insbesondere die Umstände um den Anpfiff des Spiels gegen Monaco werden nachhaltig auf das Gefüge eingewirkt haben, womit wir wieder bei Tuchel wären.
Bosz? Angesichts der ersten Ergebnisse war ich leicht euphorisiert, was zugegebenermaßen auch immer noch schnell geht bei mir. Aber es waren de Ergebnisse, nicht das Spiel, die mich begeisterten. Es schlichen sich Fragen und Zweifel ein und erst dann begann ich mich wirklich mit Bosz und seiner Ajax-Zeit zu beschäftigen. Man kann wohl festhalten, dass Bosz im absolut positiven Sinne ein Trainer mit einer Spielidee ist. Ob er in der Lage ist, dieses 4–3‑3 bei uns mit den vorhandenen Spielern durchzusetzen? Ich weiß es nicht. In den letzten Spielen gab es auch schon Anpassungen im Rahmen des 4–3‑3, aber die Defensiv-Balance stimmt nach wie vor überhaupt nicht. Es bleibt spannend.
Rund um den Brustring: Wie bewertest Du Eure Sommerneuzugänge? Haben sich die 20 Millionen Euro für Maximilian Philipp beispielsweise schon rentiert?
Stefan: Vielleicht nur ein Fokus auf einige Zugänge: Yarmolenko ist ein gestandener Spieler, der aber sicherlich eine Klasse unter Dembélé anzusiedeln ist. Tolle Physis und gleichzeitig beweglich, das hat man eher selten. Was ihm aber komplett fehlt: Erfahrung in einer vernünftigen Liga. Philipp ist natürlich absurd teuer gewesen, aber diese Preise werden inzwischen halt gezahlt. Brutal starker Beginn, dann etwas aus dem Tritt. Angesichts der nahenden Sportinvalidität von Reus aber ein ausgezeichneter Transfer. Dann noch: Zagadou. Geiler Typ. Keiner — ihn eingeschlossen — hat wohl damit gerechnet, dass er linker Verteidiger spielen muss. Dafür dass es nicht seine Stammposition ist, er wahnsinnig jung und fast ohne Erfahrung im Herrenbereich, finde ich das immer noch sehr beachtlich, was er da so macht. Natürlich limitiert, aber Ruhe am Ball, durchaus in der Lage, einen Pass zu spielen und von einer hinreißenden Tapsigkeit ob seiner Größe.
Rund um den Brustring: Zu den Abgängen zählte unter anderem Ousman Dembélé. Was überwiegt bei den BVB-Fans: Die Erleichterung über das Ende des Wechseltheaters oder der Ärger, dass man den Spieler verliert? Und wie siehst Du die anderen Abgänge?
Stefan: Die Antwort fällt kurz aus: Ich hätte ihn gerne behalten, aber für 100 Mio plus und seiner Zickigkeit musst du ihn gehen lassen. Tschüssi!
Rund um den Brustring: Die Verbindungen zwischen VfB und BVB auf personeller Ebene sind ja seit der Verpflichtung von Hannes Wolf als VfB-Trainer enger als früher. Hat man in Dortmund Wolf, Ex-BVB-Jugendspieler Orel Mangala und die Leihgabe Dzenis Burnic im Blick?
Stefan: Ein Teil der Antwort wird Dir und Euch nicht gefallen — Hannes Wolf haben sehr viele im Blick bei uns. Burnic beobachte ich tatsächlich interessiert und sauer bin ich noch wegen Langerak. Das hat er nicht verdient. Wem ich aber endlich mal eine verletzungsfreie und erfolgreiche Saison gönnen würde, das ist Ginczek. Auch ein Mann mit BVB-Vergangenheit und dem Potential für viel mehr.
Rund um den Brustring: Das Verhältnis zwischen Stuttgarter und Dortmunder Fans hat sich, zumindest auf Ultra-Ebene, hingegen merklich abgekühlt, so sehr dass das Spiel am Freitag als Risikospiel gilt und der VfB knapp 300 BVB-Fans mit einem eintägigen, rechtlich wohl fragwürdigen Stadionverbot belegt hat. Ist das auch außerhalb der organisierten Fanszene ein Thema in Dortmund?
Stefan: In die Ultra-Szene habe ich schon altersbedingt kaum einen Einblick mehr. Und will ich auch gar nicht. Es ist nicht meine Idee von Fansein. Ich weiß um die Bedeutung, kann aber diesen ganzen unglaublich bedeutungsschwer aufgeladenen Traditionen und Codes so gar nichts abgewinnen. Es ist für mich ganz schwer zu sagen, welche Bedeutung das zunehmend restriktive Verhalten von staatlichen Organen und Vereinen gegenüber der Fanszene für eine Bedeutung außerhalb eben dieser Kreise hat. Ich bin Teil des Kreises, in doppelter Hinsicht — als Fan und Jurist. Ich halte die Weitergabe der Daten der vom Stadionverbot betroffenen Fans schon für höchst fragwürdig und die rechtliche Basis für das Stadionverbot ist mindestens dünn.
Rund um den Brustring: Was sind die Stärken der diesjährigen Borussia? Vor wem müssen wir uns besonders in Acht nehmen?
Stefan: Lass mich die Stärke relativ betrachten im Vergleich zum VfB — ich halte meinen Verein für auf jeder Position besser besetzt. Gelingt es uns, das Ballbesitzspiel wie gewünscht aufzuziehen und nicht in die Konterfalle zu laufen, weil wir wie schon so oft derbe hoch stehen, dann rechne ich mit einigen herausgespielten Chancen.
Rund um den Brustring: Und wie könnte der VfB seine Serie der ungeschlagenen Heimspiele im Jahr 2017 aufrecht erhalten und gegen den Favoriten Punkte mitnehmen?
Stefan: Siehe meine Antwort zu Deiner letzten Frage. Druck auf unsere Not-Außenverteidiger, Im Mittelfeld dagegenhalten, wo insbesondere Weigl noch fremdelt mit der neuen Rolle. Dieser Spielzug: Özcan gegen Toprak, ausgespielt und es ist Platz, Stellungsfehler in unserer Verteidigung beim Schnittstellenpass und Ginczek knallt ihn rein. So kann es gehen.
Rund um den Brustring: Abschließend: Dein Tipp fürs Spiel?
Stefan: Und so wird es auch einmal gehen, ihr werdet treffen. Reicht aber nicht, weil wir häufiger treffen werden. 1:3.
Rund um den Brustring: Stefan, vielen Dank für das Gespräch!
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