Nach dem gewonnenen Achtelfinale gegen Borussia Dortmund wartet bereits das nächste Spitzenspiel auf den VfB. Mit Bayer 04 Leverkusen kommt der noch unbesiegte Tabellenführer ins Ländle.
Bevor wir über das Topspiel der Woche reden, nochmal unsere Situation: Wir haben nach 13 Spieltagen 30 Punkte, 10 Siege und 3 Niederlagen. Unser Abstand zum Relegationsplatz beträgt 21 (!) Punkte. Wir könnten sieben Spiele in Folge verlieren, und würden trotzdem wahrscheinlich noch nicht einmal auf Platz 16 abrutschen, weil die nicht wenigen anderen Teams hinter uns sich die ganzen Punkte gegenseitig wegnehmen. So und wer immer noch nicht überzeugt von der aktuellen VfB-Saison ist, sollte sich Folgendes genau durchlesen: Sollten wir noch einen Punkt bis zur Winterpause holen, werden wir auf einem Europapokalplatz überwintern. Beziehungsweise: Sollten wir alle verlieren, müssten Frankfurt und/oder Freiburg bis zur Winterpause alle Spiele gewinnen um punktetechnisch mit uns gleichzuziehen. Vielleicht ist es ein bisschen früh, “Stuttgart international!” zu singen, aber es gab schon mal schwächere Ausgangslagen um wirklich mal die Conference/Europa League oder gar die Champions League-Hymne im heimischen Neckarstadion zuhören. Und wenn nicht? Was ist, wenn wir am Ende auf Platz 10 landen und nicht international spielen? So what? Wir haben unterm Strich bereits jetzt schon eine sensationelle, wenn nicht sogar historische Saison gespielt auf die wir alle stolz sein können.
Natürlich schwingt ein Damoklesschwert über unserem Kopf. Was ist wirklich dran an der ganzen Guirassy-Manchester United-Geschichte? Verlieren wir wirklich unseren Topstürmer? Dem Spieler, dem zum ersten Mal seit was weiß ich wie vielen Jahren ein Fan-Gesang gewidmet ist? Ich bleib tatsächlich entspannt. Es ist erstmal aufgrund der aktuellen sportlichen Situation von Manchester United und dem bevorstehenden African Cup of Nations unwahrscheinlich, dass er bei den Red Devils Fuß fassen wird. Außerdem traue ich der sportlichen Führung durchaus zu, einen halbwegs adäquaten Ersatz zu holen. Und wenn selbst das nicht gelingt, traue ich Hoeneß zu, das Beste aus der Situation zu machen. Sowieso ist das die Priorität Nummer Eins in der Mercedesstraße: Dafür zu sorgen, dass der Wundertrainer solange wie möglich hier in Stuttgart bleibt. Ehrlich, Hoeneß könnte mich vorne ins Sturmzentrum stellen und wir würden weiterhin den BVB komplett an die Wand spielen (was auch wieder an Edin Terzic liegt, aber das ist eine andere Geschichte).
Es ist schwer, ein wirkliches Haar in der Suppe namens Mannschaftsleistung zu suchen, aber mich stören zwei Sachen. Es sind keine großartigen Dinge, wir werden wahrscheinlich deswegen nicht absteigen, aber um unseren beiden kommenden Gegner Bayer(n) zu ärgern, werden sie auf jeden Fall Faktoren sein. Zum Einen lässt unsere Chancenverwertung nach. Wir hätten gegen Bremen und Dortmund schon in der ersten Halbzeit das Spiel entscheiden können, aber entweder spielen Undav und Co. einmal zu viel ab oder schießen zu unplatziert. Bei einer 3:0- oder 4:0‑Führung hätten wir ein Gang zurückfahren können und vielleicht das ein oder andere Talent aus der zweiten Reihe bringen können, so allerdings mussten wir bis spät in der zweiten Halbzeit warten, bis wir uns der drei Punkte bzw. des Weiterkommens sicher sein konnten. Der zweite Punkt baut auf dem Thema Chancenverwertung auf. Es geht um unsere Effizienz nach Eckbällen. Leider finde ich keine Statistik dazu, aber meines Wissens nach haben wir bis jetzt nur ein Tor nach einem eigenen Eckball erzielt. Das muss auf jeden Fall besser werden. Denn gegen Leverkusen werden wir definitiv nicht so viele Chancen kreieren um lockerflockig 2:0 gewinnen zu können.
Apropos Leverkusen. Die “Werkself” ist schon seit dem 6. Spieltag auf Platz Eins, konnte in der Allianz Arena einen Punkt holen und ist einer der wenigen verbliebenen Bundesligisten im DFB-Pokal. Dabei ist der taktische Ansatz von Xabi Alonso ähnlich wie der von Sebastian Hoeneß. Viel Ballbesitz, den Ball flach halten und effektives Pressing betreiben. Leverkusen ist die Deluxe-Version des VfB dieses Jahr. Ich bin sehr gespannt darauf, ob aus Vizekusen Meisterkusen wird, oder ob das Abo von Bayern München weiterbestehen bleibt. Bislang spricht aber viel für Ersteres. Klar, sie holten nur einen Punkt gegen den BVB, aber fußballerisch wurde Dortmund von ihnen an die Wand gespielt. Die Fans von Leverkusen sollten auf jeden Fall hoffen, dass es dieses Jahr reicht, denn ich bezweifle sehr stark, dass Xabi Alonso nach Saisonende weiterhin Trainer bleibt und nicht versuchen wird, bei Real Madrid zu landen, wo bekanntlich Carlos Ancelotti seine Karriere beenden wird. Ich drücke ihnen jedenfalls die Daumen. Nicht, dass ich die “Werkself” sonderlich sympathisch finde, aber es wäre schön, mal einen anderen Meister als Bayern zu haben und solange es nicht das Plastikprodukt in Leipzig ist, ist es mir recht.
Es wird auf jeden Fall ein spannendes Spiel zwischen zwei Mannschaften die nur so vor Selbstvertrauen strotzen. Wir gehen das erste Mal seit Wochen als Underdog in einen Spieltag hinein, verstecken müssen wir uns aber definitiv nicht. Denn wenn wir das Spiel für uns entscheiden, könnte sogar die Tabellenführung (je nachdem was die Bayern machen) in greifbarer Nähe rücken.
Wer hätte das vor einem Jahr gedacht?
Personalsituation
Es ist eigentlich die gleiche Situation wie vor dem Dortmund-Spiel. Nartey, Egloff und Ito fehlen langfristig verletzt. Die aktuell relevanten Spieler sind aber sonst alle fit.
Startaufstellung
Wahrscheinlich spielt die gleiche Elf wie gegen Dortmund. Vielleicht sehen wir eine Rotation von Millot auf die Doppelachse im Mittelfeld, dafür kommt Silas oder Leweling für Stiller auf die rechte Seite. Auch eine Rückkehr zum 4–2‑3–1 mit Jeong auf der 10 statt Undav könnte ich mir vorstellen.
Statistik
Es spielt der Erste gegen den Dritten und das sieht man auch an den Statistiken. Während der VfB nach wie vor auf Platz 1 der expected Points liegt, ist Leverkusen dritter. Beide haben ähnlich viele xG erzielt, dabei hat Stuttgart die zweitmeisten und Leverkusen die drittmeisten xG. Das gleiche Bild findet man auch bei der Anzahl der Gegentore. Dass taktisch beide Mannschaften ein ähnlichen Fußball spielen, zeigt sich ebenfalls in den Statistiken. Stuttgart hat eine leicht höhere Passquote als die Gäste aus Leverkusen, während diese wiederum einen leicht höhere Ballbesitzquote aufweisen. Beide Teams finden sich dabei in diesen Statistiken in der Top 4. Bei einer Sache unterscheiden sie sich aber: Der VfB schlägt am viertmeisten Flanken in der Bundesliga, während Leverkusen die wenigstens Flanken schlägt. Eine Schwäche der Leverkusener ist die Zweikampfführung. Mit 1.085 Zweikämpfen sind sie auf dem letzten Platz. Der VfB dagegen gewinnt mit 1.265 die drittmeisten Zweikämpfe in der laufenden Saison. Die Werkself ist für den VfB historisch gesehen sowas wie ein Angstgegner. Von 84 Spielen konnte Leverkusen mit 40 Siegen fast die Hälfte für sich entscheiden. Nur 23 Mal konnte sich der VfB durchsetzen. Seit 2018 wartet man beim VfB schon auf einen Sieg gegen Leverkusen. Damals gewann man unter Korkut auswärts mit 0:1. Im heimischen Neckarstadion ist die Bilanz zwar ausgeglichener — 16 Siege, 8 Unentschieden, 18 Niederlagen, dort warten wir allerdings seit 2010 auf drei Punkte gegen Leverkusen. Tore sind bei diesem Duell garantiert. Das letzte 0:0 gab es im November 1998, seitdem fiel immer mindestens ein Tor.
Fazit
Sonntagabend. Flutlicht. Topspiel. Dritter gegen den Ersten. Das ist ein Spiel, dass sich die Mannschaft und die Fans nach “all der Sche**e” verdient haben. Der VfB muss sich vor Xabi Alonso nicht verstecken, das weiß auch der schöne Baske, der den VfB als aktuell einer der besten Mannschaften der Liga bezeichnete. Ein Punkt wäre schön, aber muss nicht sein. Selbst wenn wir es verlieren, gehen im Gegensatz zum letzten Aufeinandertreffen nicht die Hoffnungen auf den Klassenerhalt flöten — und das ist immer noch das Schönste. Ich bleibe optimistisch und tippe auf ein spannendes 2:2, mit einer VfBschen Aufholjagd nach frühen 0:2 Rückstand.
Titelbild: © Adam Pretty/Getty Images