Neu im Brustring: Serhou Guirassy

Der VfB hat kurz vor knapp mit Ser­hou Gui­ras­sy noch einen Ersatz für den kürz­lich abge­wan­der­ten Sasa Kalajd­zic ver­pflich­tet. Gui­ras­sy kam zwar gegen Schal­ke schon zu einem Kurz­ein­satz im Brust­ring­tri­kot, wir wol­len Euch den Stür­mer den­noch etwas näher vor­stel­len.

Tja, so ist das, wenn der soge­nann­te Dead­line Day auf einen Don­ners­tag fällt: Kaum ist der lan­ge erwar­te­te Ersatz für dei­nen Top­stür­mer ver­pflich­tet, steht er auch schon zehn Minu­ten auf dem Feld, um in Unter­zahl ein 1:1 über die Büh­ne zu brin­gen. Zu wenig Zeit, um ver­nünf­tig Recher­che zu betrei­ben und einen Arti­kel zu schrei­ben, wenn man noch ande­re Ver­pflich­tun­gen hat. Für Ser­hou Gui­ras­sy, aus­ge­lie­hen vom fran­zö­si­schen Erst­li­gis­ten Sta­de Ren­nes aller­dings waren zehn Minu­ten Zeit auch nicht genug, um den VfB-Fans das gan­ze Spek­trum sei­nes Spiel zu offen­ba­ren. Was mir wie­der­um die Gele­gen­heit gibt, Euch ein wei­ter­ge­hen­des Bild von ihm zu zeich­nen, auch dies­mal wie­der mit der Unter­stüt­zung von Fans sei­ner Ex-Ver­ei­ne. Das sind dies­mal Raik (@effzehHH) vom Ver­zäll nix!-Podcast, der letz­te Woche bei uns zu Gast war und Tho­mas (@koelnsued) von effzeh.com, die uns von sei­nem ers­ten Auf­ent­halt in der Bun­des­li­ga berich­ten. Außer­dem der Blog Braquage à l’A­mié­noi­se, der sich mit dem der­zei­ti­gen Zweit­li­gis­ten Ami­ens SC beschäf­tigt, zu dem Gui­ras­sy nach sei­ner Zeit in Köln wech­sel­te und den ich der Ein­fach­heit hal­ber (zu vie­le Accents und Apo­stro­phe) BA abkür­zen wer­de, sowie Rich Allen (@rich_allen85), Fan von Sta­de Renn­ais, wie sie eigent­lich hei­ßen, der für Get French Foot­ball News und French Foot­ball Weekly schreibt.

Mit Köln und Amiens durch die Ligen

Guirassy beim 1. FC Köln. © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images
Gui­ras­sy beim 1. FC Köln. © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

Ser­hou Gui­ras­sy wur­de am 12. März 1996 im süd­fran­zö­si­schen Arles gebo­ren und wech­sel­te mit 15 in den Nor­den des Lan­des zum Zweit­li­gis­ten Sta­de Laval.Nach sechs Tref­fern in 29 Spie­len zog es ihn 2015 zum OSC Lil­le, ehe­ma­li­ger Ver­ein von Mathieu Del­pierre und Ben­ja­min Pavard. Die ver­lie­hen ihn zur Rück­run­de an die AJ Auxer­re, bevor er ein Jahr spä­ter zum ers­ten Mal den Weg in die Bun­des­li­ga, genau­er zum 1. FC Köln fand, just in jener Sai­son als die­ser zum ers­ten Mal seit den 90ern wie­der in den Euro­pa­po­kal stürm­te. Dort sei er vor allem als Ver­spre­chen für die Zukunft gese­hen wor­den, erklärt Raik. Nach einer Knie-OP, weiß Tho­mas zu berich­ten, sei der Trans­fer über die Ablö­se­ver­hand­lun­gen fast geschei­tert, weiß Tho­mas zu berich­ten. Auf jeden Fall war Gui­ras­sy als Back­up zu Antho­ny Mode­s­te gedacht, der in des­sen Schat­ten lang­sam auf­ge­baut wer­den soll­te und, so Raik das vor­han­de­ne Pro­fil der Sturm­rei­he mit Schnel­lig­keit, Kopf­ball­spiel und Tech­nik erwei­tern soll­te. Unterm Strich stan­den für ihn, bevor er Anfang 2019 nach Ami­ens ver­lie­hen wur­de, aber nur 50 Ein­sät­ze im FC-Tri­kot zu Buche dar­un­ter fünf für die zwei­te Mann­schaft in der Regio­nal­li­ga West. Dafür sind laut unse­ren Exper­ten zwei Din­ge aus­schlag­ge­bend. Zum einen zog Gui­ras­sy sich meh­re­re Ver­let­zun­gen zu, so Tho­mas zum ande­ren hat­te er ein­fach ein schlech­tes Timing: In der guten Sai­son 2016/2017 kam er nicht an Antho­ny Mode­s­te, Yuya Osa­ko und Simon Zol­ler vor­bei, in der Fol­ge­sai­son stürz­te er mit dem Team in die zwei­te Liga ab und hat­te außer­dem noch 17-Mil­lio­nen-Euro-Neu­zu­gäang Jhon Cor­do­ba als Kon­ku­renz, erläu­tert Raik. Vor der Lei­he, so Tho­mas, habe Trai­ner Mar­kus Anfang ihn gar als Links­au­ßen ein­ge­setzt, was ihm auch nicht half. Raik sah ihn in sei­ner Zeit beim FC als klas­si­schen Ergän­zungs- jedoch nie als Füh­rungs­spie­ler. Tho­mas erin­nert an eine ver­ge­be­ne Groß­chan­ce gegen Bre­men, die ihn zum Sinn­bild für die Köl­ner Off­fen­siv­pro­ble­me in die­ser Pha­se wer­den ließ, weist jedoch auch auf zwei wich­ti­ge Euro­pa­po­kal­to­re gegen Arse­nal und Barys­sau hin. Ins­ge­samt erziel­te Gui­ras­sy für Köln neun Tore und berei­te­te drei vor. In der zwei­ten Liga, in der nach dem Abstieg der vom VfB gekom­me­ne Simon Terod­de für den FC traf, wur­de es für Gui­ras­sy auch nicht bes­ser, so dass er im Janu­ar 2019 an den Ligue 1‑Club Ami­ens SC erst ver­lie­hen und dann im Som­mer 2019 schließ­lich für kol­por­tie­re fünf Mil­lio­nen Euro ver­kauft wur­de.

In Amiens hat man ihn in guter Erinnerung. © FRANCOIS LO PRESTI/AFP via Getty Images
In Ami­ens hat man ihn in guter Erin­ne­rung. © FRANCOIS LO PRESTI/AFP via Get­ty Images

Ami­ens kämpf­te im Früh­jahr 2019 um den Klas­sen­er­halt in der Ligue 1, berich­tet BA, nach­dem der Club 2017 das ers­te Mal in die ers­te Liga auf­ge­stie­gen war. Die Erwar­tun­gen sei­en nicht sehr hoch gewe­sen, er soll­te jedoch schon die Offen­si­ve ver­stär­ken und die geg­ne­ri­sche Abwehr beschäf­ti­gen. Immer­hin gelan­gen ihm in 13 Spie­len drei Tore und ein Assist. Viel­leicht auch das Ver­dienst des dama­li­gen Sport­di­rek­tors, wel­cher laut BA ein Händ­chen dafür hat­te, talen­tier­te Spie­ler mit Form­pro­ble­men zu fin­den und die­se wie­der an ihre alte Leis­tungs­stär­ke her­an­zu­füh­ren. Die fünf Mil­lio­nen Euro Ablö­se im Som­mer 2019 sei­en auf jeden Fall ein guter Deal gewe­sen, so BA, auch weil Gui­ras­sy nicht nur zehn Tore in 23 Spie­len schoss, bevor die Sai­son in Frank­reich wegen Coro­na abge­bro­chen wur­den, son­dern auch, weil er nach dem durch den Abbruch beding­ten Abstieg für das ers­te Spiel in der Ligue 2 bereit stand und sich nicht wie Team­kol­le­gen für mög­li­che Trans­fers schon­te. In sei­nem letz­ten Spiel für Ami­ens schoss er das ein­zi­ge Tor beim Sieg gegen Nan­cy und wech­sel­te am nächs­ten Tag zurück in die Ligue 1, zu Sta­de Renn­ais. Auch wegen sei­nes Ein­sat­zes auf dem Feld und sei­nes Ver­an­wor­tungs­be­wusst­seins dane­ben sei eer bei Mann­schafts­kol­le­gen und Fans sehr beliebt gewe­sen. Das und Tore unter ande­rem gegen Paris und Mar­seil­le führ­ten dazu, dass man ihm in Ami­ens mit eher mit zwei wei­nen­den Augen hin­ter­her sah. Ren­nes zahl­te dem Ver­neh­men nach 15 Mil­lio­nen Euro Ablö­se für ihn, BA zufol­ge durch­aus ange­mes­sen, dazu sei es klug von Gui­ras­sy gewe­sen, sei­ne Ent­wick­lung in Frank­reich fort­zu­set­zen.

Schnell, technisch stark, Europapokalerfahrung, aber kein Knipser

In Ren­nes sah das bei­spiels­wei­se Rich ein wenig anders, auch er hat­te kei­ne hohen Erwar­tun­gen an Gui­ras­sy vor des­sen Ver­pflich­tung und fand die Höhe der Ablö­se ziem­lich. Der SRFC (Sta­de Renn­ais Foot­ball Club) hat­te in der Vor­sai­son mit dem drit­ten Platz sei­ne bes­te Liga­plat­zie­rung der Ver­eins­ge­schich­te erreicht, was für Gui­ras­sy bedeu­te­te, dass er zu einem Cham­pi­ons-League-Teil­neh­mer wech­sel­te. Ren­nes schied sieg­los aus, er traf aber sowohl gegen Kras­no­dar, als auch gegen Chel­sea. In der Ligue 1, wo Ren­nes mit Platz sechs immer­hin die Qua­li­fi­ka­ti­on für die neue Con­fe­rence League erreich­te, schoß er in 27 Spie­len immer­hin zehn Tore. Rich sieht ihn als wich­ti­ge Opti­on im Sturm, der bei Ver­tei­di­gern durch­aus für Unru­he sor­gen konn­te, dem vor dem Tor aber ein wenig die Kon­stanz fehl­te, so traf er zwi­schen dem 5. und dem 26. Spiel­tag nicht, ver­pass­te aber auch eini­ge Spie­le wegen Ver­let­zun­gen. In der ver­gan­ge­ne Sai­son, in der sich Sta­de Renn­ais über Platz 4 direkt für den UEFA-Pokal qua­li­fi­zier­te, sei er als Joker sehr effek­tiv gewe­sen, so Rich, ganz kon­kret mit einem Aus­gleich in der 93. Minu­te am letz­ten Spiel­tag beim Noch-Meis­ter Lil­le, wel­cher Ren­nes eben­je­nen Platz 4 sicher­te. Auch in der Con­fe­rence League, wo Sta­de im Ach­tel­fi­na­le an Lei­ces­ter schei­ter­te, gelan­gen ihm eben­falls zwei Tref­fer, jeweils gegen Arn­heim und Mura. In der aktu­el­len Sai­son stand er jedoch ledig­lich am ers­ten Spiel­tag Anfang August für 22 Minu­ten auf dem Feld, bevor er am Sams­tag gegen Schal­ke auf den grü­nen Rasen zurück­kehr­te. Der Ver­ein, so Rich, set­ze vemehrt auf jun­ge Spie­ler, die man­geln­de Ein­satz­zeit habe ihn dann zu einem Wech­sel bewo­gen.

In Rennes spielte er sogar Champions League. © Neil Hall - Pool/Getty Images
In Ren­nes spiel­te er sogar Cham­pi­ons League. © Neil Hall — Pool/Getty Images

Und auch wenn ihr ihn bereits habt spie­len sehen, dürf­te es doch inter­es­sant sein, wel­che Fähig­kei­ten er ein­brin­gen kann, wenn er ein paar Mal mit der Mann­schaft trai­niert hat. Raik und Tho­mas beschrei­ben ihn in sei­ner Köl­ner Zeit als schnell und tech­nisch stark, aller­dings teil­wei­se zu ver­spielt mit dem Ball. Das Poten­zi­al habe man sehen kön­nen, Gui­ras­sy habe jedoch teil­wei­se noch unreif gewirkt. BA unter­streicht noch sei­ne Kopf­ball­stär­ke, die er am Bes­ten in einem Dop­pel­sturm zu Tra­gen gebracht hät­te. Vor dem Tor habe er manch­mal Kon­zen­tra­ti­ons­schwä­chen gehabt, auch Raik sah in ihm in sei­ner Köl­ner Zeit kei­nen gro­ßen Knip­ser. BA unter­streicht aller­dings, dass Gui­ras­sy in den letz­ten Jah­ren erwach­se­ner gewor­den sei und viel Erfah­rung in der Ligue 1, aber auch im Euro­pa­po­kal gesam­melt habe. Gui­ras­sy sei sehr reflek­tiert, was die eige­ne Leis­tung angeht, “he is a figh­ter”, so BA. Auch unse­re Köl­ner Exper­ten trau­en ihm zu, sich ange­sichts der Ent­wick­lung, die er seit sei­ner Zeit beim FC genom­men hat. beim VfB direkt zu eta­blie­ren. Tho­mas ver­mu­tet ledig­lich, dass ihm aktu­ell noch ein wenig der Spiel­rhyth­mus fehlt. Ansons­ten sei er, so Raik, eher ein ruhi­ger und zurück­hal­ten­der Typ, kein Laut­spre­cher.

Direkt im Fokus

Mit Ser­hou Gui­ras­sy hat Sven Mis­li­nat mei­ner Mei­nung nach in letz­ter Sekun­de und unter den durch Sasa Kalajd­zic (gute Bes­se­rung!) und sei­nen Bera­ter her­vor­ge­ru­fe­nen schwie­ri­gen Umstän­den eine sehr pas­sa­ble Lösung gefun­den und ist sich dabei, anders als ich ver­mu­tet habe, auch in die­ser Situa­ti­on treu geblie­ben. Wie bei Tia­go Tomás ist das Risi­ko über­schau­bar, der kurz­fris­ti­ge Nut­zen aller­dings groß. Unab­hän­gig von des­sen Abgang war Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo sowie­so gezwun­gen, sich  aus der Fokus­sie­rung auf Sasa Kalajd­zic als Stoß­stür­mer und Ziel­spie­ler für die Wing­backs und das Mit­tel­feld zu lösen. Gui­ras­sy ist ein Spie­ler, der zwar in den letz­ten Jah­ren sogar inter­na­tio­nal gespielt hat, aber dabei nie unum­strit­te­ner Stamm­spie­ler war. Ähn­lich wie bei Flo­ri­an Mül­ler kann ihm der VfB die­se Mög­lich­keit bie­ten, auch wenn er dafür sport­lich einen Rück­schritt in Kauf neh­men muss. Dass er das tut, sagt etwas über Prio­ri­tä­ten aus. Kurz: Der Trans­fer passt in den Kader. Aber er steht auch direkt im Blick­feld. Denn egal ob Tomás, Perea, Silas oder eben Gui­ras­sy: Irgend­wer muss die Tore in den nächs­ten Wochen schie­ßen, not­falls im Ver­bund. Denn aktu­ell haben nur zwei Mann­schaf­ten — Augs­burg und Bochum — weni­ger Tore geschos­sen als wir. Es wird jetzt dar­auf ankom­men, wie es Mat­a­raz­zo schafft, Gui­ras­sys Fähig­kei­ten ins Sys­tem ein­zu­bau­en und gleich­zei­tig Wege zu fin­den, wie er in aus­sichts­rei­chen Posi­tio­nen an den Ball kommt. Wie bei so vie­len Spie­lern in unse­rem Kader kann Gui­ras­sy in einem funk­tio­nie­ren­den Team einen per­sön­li­chen Sprung machen und uns enorm wei­ter­hel­fen. Aber dafür muss das Team funk­tio­nie­ren (mehr dazu dem­nächst in einem Rück­blick auf den Trans­fer­som­mer).

Titel­fo­to: © DAMIEN MEYER/AFP via Get­ty Images

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