Und wir dachten, das wäre es bis Januar erst mal mit den Neuzugängen! Der VfB hat heute den vertragslosen Ex-Dortmunder Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou unter Vertrag genommen und ich habe mich mit einem Dortmund-Fan über ihn unterhalten.
Ich hatte es schon in meinem Rückblick auf die Transferperiode und, wenn man es so nennen will, Kaderanalyse angesprochen und eigentlich war es Allgemeinwissen: Nach dem Abgang von Marc Oliver Kempf vergangene Saison, der Leihe von Clinton Mola, den bisher überschaubaren Entwicklung von Antonis Aidonis und dem mittlerweile nach Rotterdam abgewanderten Maxime Awoudja sowie dem geplatzten Wechsel von Jakov Medic war der VfB in der Innenverteidigung etwas schwach auf der Brust und hatte für die drei Spieler, die auf dem Platz in der Dreierkette stehen, keine bundesligataugliche Alternative mehr in der Hinterhand, wenn man von positionsfremden Spielern absieht, die dann woanders fehlen. Sven Mislintat hat nun auf diesen offensichtlichen Missstand reagiert und den 23jährigen Dan-Axel Zagadou bis 2026 unter Vertrag genommen, der nach Auslaufen seines Fünf-Jahres-Vertrags bei Borussia Dortmund vereinslos war. Wer Zagadou zum BVB brachte, könnt Ihr Euch sicher denken. Wir haben mit Dortmund-Fan Nick (@Anygivenwe) gesprochen, der auf Any Given Weekend über die Borussia und englischen Fußball bloggt.
Zagadou wurde am 3. Juni 1999 im Pariser Vorort Creteil geboren und wechselte mit 12 Jahren in den Nachwuchs von Paris St. Germain. Für den Nachwuchs des Hauptstadtclubs absolvierte er auch Spiele in der UEFA Youth League, als er 2017 mit 18 Jahren nach Dortmund kam, hatte bereits in der zweiten Mannschaft in der vierten Liga gespielt. Nick erzählt, dass er in der Jugend bei PSG schon von sich reden gemacht habe, außerdem habe es damals gehießen, er sei für sein Alter schon sehr abgeklärt. Aufgrund seiner Größe von 196 Zentimetern habe man auch auf einen robusten, kopfballstarken Innenverteidiger gehofft. In seiner ersten Saison in Dortmund kam Zagadou zu Beginn regelmäßig zum Einsatz, beim 1:2 in Stuttgart wurde er zum Beispiel zur Pause für den verletzten Sokratis eingewechselt und musste Brekalos Schuss durch die Hosenträger passieren lassen. Eine Woche später wurde er kurz vor Schluss im Revierderby eingewechselt und musste mitansehen, wie Naldo die Aufholjagd der Schalker mit dem Treffer zum 4:4 krönte. Dies war bis zum siebten Spieltag der Folgesaison sein letzter Einsatz, was jetzt wenig mit den beiden beschriebenen Gegentoren zu tun hat. Vielmehr hätte man ihn nicht direkt komplett reinwerfen wollen, erklärt Nick, ergänzt aber, dass er ihn gerne häufiger gesehen hatte. Gegen Ende der Saison setzte ihn dann ein Muskelbündelriss außer Gefecht, leider blieb es nicht bei dieser Verletzung, aber dazu gleich mehr.
Lange Krankenakte
In der Folgesaison — unserer Abstiegssaison — stand er vom 5. bis zum 13. Spieltag immer die vollen 90 Minuten auf dem Platz, bis er sich im Spiel gegen Freiburg eine Mittelfußprellung zuzog. Es war die Saison, in der der BVB lange souverän die Tabelle anführte und erst am 16. Spieltag die erste Niederlage einstecken müssen. Am Ende reichte es nach einer 0:5‑Klatsche bei den Bayern wieder nur zu Platz 2. Zagadou stand vom 22. bis 29. Spieltag wieder fast komplett auf dem Platz, erzielte sogar zwei Tore, bevor Knieprobleme sein Saisonende erzwangen. Ähnliche Probleme gab es in den beiden darauffolgenden Spielzeiten, in denen er seine Krankenakte um einen Muskelfasereinriss, einen Außenbahndanriss und einen Außenbandriss am Knie, einen Muskelfaserriss und schließlich im vergangenen Jahr eine Knie-OP ergänzte. Wenn er in der Zwischenzeit spielte, dann meist über 90 Minuten, er kam jedoch nie auf mehr als 17 Spiele pro Saison. Dadurch musste er sich immer wieder neu in die Mannschaft hineinkämpfen, so Nick, auch die Spielpraxis sei ihm immer mehr abgegangen, so dass ihm gerade in der vergangenen Saison einige Fehler unterliefen. Immerhin stand er beim wichtigen Sieg der Dortmunder gegen Hertha am 14. Mai 82 Minuten auf dem Platz. Die Verletzungen, so Nick, seien nicht nur Kontaktverletzungen gewesen, manchmal habe er auch einfach Pech gehabt. Seit seiner Knie-OP 2021 habe er sein Potenzial nicht mehr voll ausschöpfen können.
Als größte Schwäche sieht Nick die Verletzungsanfälligkeit, die letztlich auch zusammen mit schlechten Auftritten in der Rückrunde dafür verantwortlich war, dass sein Vertrag im Sommer nicht verlängert wurde. Zuletzt seien ihm immer wieder Fehlpässe, Ballverluste und schlechtes Timing unterlaufen, Nick führt das auch auf die mangelnde Spielpraxis zurück. Gegen den Ball sei er stark im Kopfballspiel, Robust im Zweikampf und — wenn er in guter Form ist — bei gut gesetzten Tacklings. Außerdem könne er durchaus mit dem Ball umgehen: “Kein großer Techniker von der Qualität eines Hummels, aber eben auch keiner, der den Ball sofort loswerden will.”, so Nick. Mit dem Ball agiere er proaktiv, rücke auch einmal aus seiner Position heraus, auch wenn dadurch nicht ständig Diagonalbälle hinter die Abwehr entstünden, sondern eher risikoärmere, aber trotzdem progressive. Auf und abseits des Platzes sei er mannschaftsdienlich und engagiert und habe in Dortmund hohes Ansehen geonossen, so Nick.
Für die Bank geholt?
Die Frage ist natürlich, ob der VfB einen Spieler wie Zagadou geholt hat, um ihn für den Fall der Fälle auf die Bank zu setzen. Nick meint, prinzipiell könne er der Mannschaft helfen, er müsse dafür aber in Topform kommen, was wiederum vor allem durch Spielpraxis gelinge. Abgesehen von den Verletzungen habe sich Zagadou zu einem starken Innenverteidiger mit wenigen offensichtlichen Schwächen entwickelt, so unser Experte, geraede die Ruhe in so jungen Jahren sei bemerkenswert. Wird er also gegen Wolfsburg schon im Kader, vielleicht sogar in der Startelf stehen. Eher unwahrscheinlich, aber er kann zumindest Druck auf Mavropanos, Anton und als Linksfuss vor allem auf Ito ausüben. Denn der VfB verteidigt zwar über weite Strecken seiner Spiele gut, lässt sich dann aber durch Unkonzentriertheiten immer wieder Tore einschenken, zuletzt beim Kollektivschlaf vor dem 1:0 der Frankfurter. Natürlich geht es immer um das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft, aber vielleicht kan Zagadou, wenn er fit bleibt, dieses entscheidend stabilisieren. Mit der Verpflichtung eines weiteren Innenverteidigers schließt Mislintat nun aber diese Kaderlücke. Immerhin spart man sich die Ablöse, was das Gehalt angeht, bin ich mal gespannt. Die Vertragslaufzeit deutet darauf hin, dass er nicht nur kurzfristig aushelfen soll. Sollte er fit bleiben und sein Potenzial besser ausschöpfen als in Dortmund, wäre er ein echter Gewinn. Kurzfristig ist er vor allem ein risikoarmer, angesichts der aktuellen Situation aber auch ein wichtiger Transfer. Wir werden sehen, wie wichtig.
Titelbild: © Joosep Martinson/Getty Images