Der VfB hat im Anschluss an die Niederlage gegen Schalke bekannt gegeben, dass Alexander Esswein bis Ende der Saison von Hertha BSC ausgeliehen wird. Wir stellen Euch den Neuzugang kurz vor.
Zunächst kurz zu Essweins Vita. Er wurde 1990 in Worms geboren, verbrachte seine fußballerische Jugend in der Rhein-Neckar-Region und gab im Dezember 2007 sein Profidebüt für den 1. FC Kaiserslautern in der zweiten Bundesliga. Nach der Saison wechselte er zum VfL Wolfsburg, für den er in deren Meistersaison vier Bundesligaspiele bestritt, darunter auch sein Debüt in der obersten Spielklasse. Nach insgesamt acht Bundesliga- und 40 Regionalliga-Spielen für die Volkswagensparte zog es den damals immer noch 20jährigen Esswein 2010 zu Dynamo Dresden in die dritte Liga, bei denen er zum Stammspieler wurde und mit denen er 2011 in die 2. Bundesliga aufstieg.
Seine Rückkehr in die Bundesliga begann für Esswein dann beim 1. FC Nürnberg, dem er sich direkt nach dem Aufstieg mit Dresden anschloss. Für den Club machte er bis Anfang 2014 58 Bundesliga-Spiele, meist als Linksaußen, und sammelte dabei zehn Scorerpunkte: Sechs Tore, vier Vorlagen. Seine letzten beiden Stationen vor der gestern bekannt gegebenen Leihe zum VfB waren der FC Augsburg (2014 bis 2016) und Hertha BSC (seit 2016). Um einen besseren Eindruck von Esswein in dieser Zeit zu bekommen, haben wir uns bei FCA-Fan Stephan (@Urbster) und bei Hertha-Fan Marc (@jungerherr1892), der diese Woche erst bei uns im Podcast zu Gast war, schlau gemacht.
Unter Weinzierl in Augsburg, Kompromiss in Berlin
Im Januar 2014 wechselte Esswein also von den damals abstiegsbedrohten Nürnbergern (der geneigte VfB-Fan erinnert sich: Das war die Saison, als der VfB mit Braunschweig, Nürnberg und Hamburg am Ende doch noch drei Mannschaften fand, die noch schlechter waren als wir) zum FC Augsburg und dessen Trainer Markus Weinzierl. Laut Stephan kam Esswein, der jetzt immer häufiger auf dem rechten Flügel eingesetzt wurde, als Backup und später als Ersatz für André Hahn, der im Sommer 2014 nach Mönchengladbach ging. In der Folgesaison machte er, auch verletzungsbedingt, nur 19 Spiele und wurde häufig durch Raul Bobadilla ersetzt. 2015/2016 stand er bis zu seiner Verletzung vor dem 30. Spieltag in allen 29 Saisonspielen auf dem Feld, beim 4:0‑Auswärtssieg in Stuttgart, dem letzten Spiel von Alexander Zorniger, erzielte er sogar ein Tor und bereitete eines vor. Gegen Ende dieser Saison, so Stephan, sei er aber häufig ziemlich lustlos aufgetreten und habe das Gefühl vermittelt, er habe nicht mehr so richtig Lust darauf gehabt, beim FCA zu spielen: “Ich erinnere mich an einige Male, wo ich einfach nur ausgerastet bin”. Insofern habe er sich gefreut, dass der Verein für Esswein noch kolportierte 2,5 Millionen Ablöse von Hertha BSC erhielt.
Dort waren die Reaktionen auf den Wechsel, wie Marc es nennt, “verhalten”. Esswein sei nicht unbedingt ein Wunschspieler gewesen, aber eine günstige Lösung für den Flügel, denn Dardai suchte einen schnellen Konterspieler. Auch in der Folge sei eher “ein Kompromiss für die rechte Seite” gewesen, der nach und nach erst durch Mathew Leckie und dann durch aufrückende Jugendspieler wie Mittelstädt, Jastrzembski und Palko Dardai verdrängt worden sei. Die Konkurrenz sei groß gewesen, sagt Marc, aber Esswein habe sich auch nicht genug aufgedrängt, um regelmäßig zu spielen. In der Tat machte er in seiner ersten Saison in Berlin noch 29 Spiele, in der vergangenen Spielzeit nur noch 16. In der laufenden Saison war er in der Hinrunde komplett außen vor: Ein einziges Mal stand er im Kader, nämlich letztes Wochenende bei der Niederlage in Stuttgart. Stattdessen liefen seine Gegenspieler in dieser Hinrunde bei Budissa Bautzen und Optik Rathenow auf: Für die Hertha Amateure machte er sechs Spiele und zwei Tore in der Regionalliga Nordost.
Robuste Wundertüte
Auf dem Papier besetzt Esswein also genau die Position, für die Weinzierl dringend Verstärkung sucht: den rechten Flügel, der derzeit durch Akolo oder gelegentlich Pablo Maffeo mehr schlecht als recht ausgefüllt wird. Aber wie ist sein Auftreten auf dem Platz?Sowohl Marc als auch Stephan betonen seine körperbetonte Spielweise. Auch die für Weinzierls Fußball notwendige Schnelligkeit habe er genauso wie großen Einsatzwillen. Marc beschreibt ihn als “wahnsinnig schnell, körperlich robust und fleißig”. So weit, so positiv. Auf der anderen Seite mangele es ihm aber an Technik und Spielintelligenz. Stephan attestiert ihm immerhin “eine gewisse Technik”, was aber natürlich auch schon eine Einschränkung beinhaltet. Esswein sei nicht effizent in seinem Handeln, so Marc, “jede Aktion von ihm ist eine Wundertüte”. Fehlentscheidungen auf dem Platz wechselten sich mit überraschend guten Dribblungs ab.
Kann Alexander Esswein, dem VfB also in der Rückrunde helfen? Marc und Stephan sind da beide ambivalent. Stephan zufolge hilft sein körperbetontes Spiel einer Mannschaft im Abstiegskampf durchaus, genauso seine Schnelligkeit beim Umschaltspiel, er schränkt aber auch ein: “Ich hoffe, dass er bei Euch wieder Bock hat, dann könnte das was werden.” Marc prophezeit “Er wird das ohnehin schon wackelige Nervenkostüm von euch VfB-Fans also nicht gerade stabilisieren — aber zu einem schönen Weitschusstor oder einer tollen Flanke ist er teilweise fähig.”
Kein Risiko, aber auch keine Euphorie
Wie ist der erste Winter-Neuzugang des VfB einzuordnen? Zunächst einmal muss man natürlich festhalten, dass Esswein mit Sicherheit nicht der letzte Neuzugang bis zum 31. Januar sein wird und dass sich die Höhe der Leihgebühr angesichts seines Standings in Berlin im Rahmen halten wird. Ob man die Leihe direkt im Anschluss an das erbärmliche Heimspiel gegen Schalke verkünden muss, darüber lässt sich streiten, aber am Ende ist es auch egal. Esswein wirkt für mich, was seine Spielanlage angeht, wie das Gegenstück zu Nicolás González — nur dass der erst 20 Jahre alt ist. Zunächst einmal ist eine Wundertüte im Vergleich zu Spielern, die in der Hinrunde offensiv nur sehr wenig auf die Kette gebracht haben, eine Verbesserung. Auf der anderen Seite scheint man sich aber auch nicht darauf verlassen zu können, dass er die Mannschaft grundsätzlich verstärkt.
Natürlich wünsche ich ihm zunächst einmal nur das Beste und viel Erfolg beim VfB, so richtig überzeugt mich seine bisherige Karriere aber nicht. Es ist ein bißchen wie bei Tayfun Korkut: Er hatte immer mal wieder gute Ansätze und kleine Erfolge, aber letztendlich konnte er sich nicht langfristig durchsetzen. Dass wir grundsätzlich im Winter nur Spieler bekommen würden, die bei anderen Vereinen eher auf dem Abstellgleis als in der Startformation stehen, war mir schon klar. Aber es ist halt immer noch ein qualitativer Unterschied, ob Du in Berlin nicht mehr zum Zug kommst oder bei Vereinen wie Bayern, Dortmund oder Mönchengladbach, wie beispielsweise Patrick Herrmann, über dessen Verpflichtung durch den VfB ja auch in letzter Zeit spekuliert wurde.
Im besten Fall überrascht uns Esswein und findet in Stuttgart endlich seine Erfüllung, im schlechtesten Fall ist er im Sommer wieder weg und reiht hinter Artem Kravets und Federico Barba in die Ahnenreihe der wirkungslosen Wintertransfers ein. Ein großes Risiko ist Reschke mit diesem Leihgeschäft nicht eingegangen, der Wechsel ist aber auch nicht dazu angetan, die Vorfreude der VfB-Fans auf die Rückrunde zu steigern. Meine Erwartungen an diese Transferperiode sind wie schon beschrieben sowieso niedrig und sie bleiben es auch nach dieser Verpflichtung.
Titelbild: Wikipedia/Franconia unter CC BY-SA 3.0