Der VfB verliert das Auswärtsspiel in Augsburg völlig verdient mit 1:0. Da Kritik auf der Meta-Ebene bei dieser Mannschaft nicht zu fruchten scheint, wähle ich heute mal die direkte Ansprache. Soll ja manchmal helfen.
Lieber Christian Gentner,
deinen Befindlichkeitskreis nach dem Spiel kannst Du dir sonst wohin stecken, wenn Du nach 30 größtenteils miserablen Spielen zum ersten Mal auf den Gedanken kommst, deinen Kollegen die Leviten zu lesen. Wobei: Eigentlich sind es nicht 30, sondern mittlerweile 108 Bundesliga-Spiele plus eine Handvoll Pokal- und vier Europapokalspiele, von denen Ihr nur eine Handvoll mit der Einstellung bestritten habt, die ich von einer Mannschaft erwarte, die in der ersten Bundesliga spielen will. Und in fast allen diesen Spielen hast Du die Mannschaft aufs Feld geführt. Viele Male warst Du in den vergangenen Jahren nach schlechten Auftritten in der Kurve, sei es im Neckarstadion oder auswärts und hast Dir unsere Beschwerden, unsere Sorgen angehört und versucht, sie zu beruhigen.
Hinterfragst Du dich, dein Gelaber und deine Qualitäten als Kapitän eigentlich auch manchmal selber, lieber Christian Gentner, oder bist Du der Meinung, mit dir in einer Führungsposition flutscht es eigentlich ganz gut? Wie läuft eigentlich so eine Wahl zum Mannschaftskapitän ab? Bist Du derjenige, der nicht schnell genug den Kopf eingezogen hat? Natürlich verliert ihr als Mannschaft gemeinsam und Du bist nicht allein an der jetzigen Situation schuld. Aber mit Dir wird es halt nicht besser.
Ich weiß nicht, was Du den Fans am Zaun in Darmstadt gesagt hast. Dass ihr kapiert habt, worum es geht? Das hoffe ich nicht, denn dann hättet ihr entweder die Unwahrheit erzählt oder ihr könnt nicht besser, obwohl ihr wollt. Man weiß nicht, was schlimmer ist. Die Aussagen von Martin Harnik, ihr hättet wenigstens die anderen Mannschaften auf Distanz gehalten, spricht auf jeden Fall Bände.
Lieber Georg Niedermeier,
ich habe deine Entschuldigungen und Ausreden langsam satt. Du bist kein 20-jähriger Timo Baumgartl mehr, dem solche Fehler mal passieren können. Du bist jetzt 30 Jahre alt und in unserer Innenverteidigung der erfahrenste und dienstälteste Spieler. Du hast in der Vergangenheit viel für den VfB geleistet, aber es sind eben auch solcher Aussetzer, wie in der vergangenen Saison in Gelsenkirchen erneut in einem entscheidenden Spiel, die mich an deiner Konzentrationsfähigkeit in Drucksituation zweifeln lassen. Ich mache Dir den gleichen Vorwurf wie Christian Gentner: Seit drei Jahren geht es beim VfB steil bergab, seit drei Jahren schaffst auch Du es nicht, das Ruder als Führungsspieler entsprechend rumzureißen. Denn wer soll es sonst rumreißen, wenn das Führungspersonal des Vereins ständig ausgetauscht wird?
Nach zwei Managern und sechs Trainerwechseln seit Sommer 2013 sind Spieler wie Du, Christian Gentner und Danel Schwaab die einzige Konstante im Verein. Aber anstatt dass Ihr Euer Standing einsetzt, um Eure Mitspieler zu Höchstleistungen anzutreiben, geht ihr unter in einer immer größer werdenden Masse von Mitläufern, gelegentliche Einzelgespräche mit der Kurve einmal ausgenommen. Drei Spielzeiten lang zeigt die Lernkurve der VfB-Mannschaften jetzt schon nach unten, immer wieder muss man an die grundsätzlichen Tugenden im Abstiegskampf appellieren. Kannst Du mir das erklären?
Ich bin Dir dankbar für das, was Du in der Vergangenheit für den VfB geleistet hast, lieber Georg Niedermeier. Man muss aber auch wissen, wann es genug ist. Deshalb bitte ich Dich: Bring auch deinen dritten Abstiegskampf in Folge erfolgreich über die VfB-Bühne. Und tritt dann bitte mit Standing Ovations von dieser ab.
Liebe VfB-Mannschaft 2015/2016,
Ihr hattet mich fast soweit. Ich war drauf und dran zu glauben, dass ihr es endlich verstanden hattet. Dass ihr zwar gut seid, aber nicht so gut, dass ihr die Liga im Vorbeigehen mit 80 Prozent Einsatz bespielen könnt. Ihr habt Euch mit beeindruckenden Spielen aus dem Tabellenkeller herausgearbeitet und uns alle glauben lassen, dass wir endlich mal im Mai ruhig schlafen können. Offensichtlich war bei Euch im Februar aber die Komfortzone schon wieder groß genug, so dass ihr seitdem gerade mal ein armseliges Spiel gewonnen habt. Dabei habt Ihr Euch ständig eingeredet oder einreden lassen, dass Ihr im Grunde durch seid, dass irgendwo schon noch genügend Punkte runterfallen werden, ohne dass Ihr Euch dafür anstrengen müsst. Wenn selbst die Fans im Kurvenblatt schon schreiben, dass wir nicht absteigen, dann ist ja alles gut.
Und jetzt seid ihr am Samstag wieder mit hängenden Köpfen Richtung Gästeblock getrottet, wie Kinder, die etwas kaputt gemacht haben. Habt Euch beleidigen lassen und habt Euch dann wieder getrollt, als die für Beschimpfung angemessene Zeit abgelaufen war. Ja super, ihr habt Euch nach dem Spiel in einen Kreis gestellt und Euch von Christian Gentner Sachen erzählen lassen, die Ihr eigentlich wissen solltet.
Und jetzt sind fast alle anderen da unten drauf und dran, an Euch vorbei zu ziehen. Hätten die Hoppenheimer nach dem Trainerwechsel eine Attitüde wie Eure an den Tag gelegt, sie wären schon lange sang- und klanglos abgestiegen. Bremen steht noch drei Punkte hinter uns und ringt Wolfsburg nieder. Darmstadt gewinnt ein entscheidendes Spiel zu Hause gegen einen Mitaufsteiger. Und ihr? Tretet in Augsburg auf, als ginge es um nichts mehr. Kein Spielkonzept, kein Spielaufbau. Dass Filip Kostic auf dem Flügel gefährlich ist, hat sich mittlerweile in jede Trainerkabine der Liga herumgesprochen. Auf die Gefährlichkeit des Augsburger Flügelspiels wart ihr anscheinend nicht vorbereitet.
Glaubt nicht, dass Ihr Euch mit der Siegesserie im Winter eine Art Kreditpolster des Vertrauens aufgebaut habt. Ihr habt damals Schulden abgebaut. Ich bin nicht bereit, Euch einen weiteren Vertrauenskredit zu gewähren. Meine Geduld, vor allem mit denen von Euch, die hier in Stuttgart seit Jahren unter ihren Möglichkeiten spielen, ist aufgebraucht. Ich bitte Euch inständig: Erreicht auch diese Saison den ‑Klassenerhalt. Und zwar bitte den direkten, denn eine erfolgreiche Relegation traue ich Euch nicht zu. Und dann hinterfragt Euch mal alle selbst, ob ihr dem Verein mit dieser Arbeitseinstellung weiterhelfen könnt, oder ob es nicht vielleicht besser ist, einem anderen Verein das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Klar: Niemand geht jeden Tag hochmotiviert an die Arbeit. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Und wir haben bei unserer Arbeit auch keine Fans, die täglich unsere Arbeitsstatistiken googeln. Aber die meisten von uns haben eine Art Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrem Arbeitgeber. Das geht Euch anscheinend völlig ab. Wer Euch in Augsburg über 90 Minuten auf dem Platz gesehen hat, konnte nur den Eindruck gewinnen, dass Euch der Klassenerhalt des VfB nicht wichtig genug ist, um sich auch auf den letzten Metern noch zu zerreißen.
Und kommt mir ja nicht mit den Verletzten. Daniel Ginczek fehlt schon eine ganze Weile und ich erwarte von Euch, dass ihr auch ohne Kevin Großkreutz und Serey Dié genügend Kampfgeist habt, um einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf niederzuringen.
Last but not least: Lieber Robin Dutt, lieber Jürgen Kramny,
auch bei Euch ist die Lernkurve nicht sonderlich nach oben ausgeprägt. Man weiß seit Jahr und Tag, dass diese Mannschaft, auch wegen ihrer lethargischen Führungsspieler, nur dann in der Lage ist, Fußball zu spielen, wenn ihr das Wasser bis zum Hals steht. Und was macht Ihr? Redet davon, dass die anderen mehr Druck haben als wir. Ernsthaft, Robin Dutt? So wie man in den Wald hineinruft…
Und lieber Jürgen Kramny, warum spielen beim VfB eigentlich immer die gleichen? Never change a crappy losing team, oder was? Wie schlecht müssen Federico Barba und Timo Baumgartl sein, dass sie einen völlig überforderten Toni Sunjic und einen erneut unkonzentrierten Georg Niedermeier nicht ersetzen können?
Wie kann man so blind sein, bis zum 30. Spieltag zu warten, bis man der Mannschaft ins Gewissen redet? Der VfB produziert seit Wochen unterirdische Ergebnisse und Ihr redet mit Blick auf die Tabelle nur davon, möglichst bald die notwendigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Wie wäre es mit jetzt? Gegen Darmstadt? Gegen Hannover? Gegen Ingolstadt? Vielleicht ein Pünktchen gegen erschöpfte Leverkusener? Nichts!
Führt beim VfB bitte endlich wieder das Leistungsprinzip ein. Wenn ein Daniel Didavi meint, sich mit ein paar Alibi-Spielen vom VfB verabschieden zu können, dann gebt eben Alexandru Maxim die Spielpraxis, die er offenbar braucht, um gut zu spielen. Setzt unsere miserable, unkonzentrierte Innenverteidigung auf die Bank. Gibt es denn in keiner Nachwuchsmannschaft Spieler, die den Profis Beine machen können.
Lieber VfB: Rafft Euch!