In Hannover gelingt dem VfB endlich der erste Auswärtspunkt der laufenden Bundesligasaison. Warum es nicht für drei gereicht hat und wir trotzdem damit leben können.
Es gab Momente im Laufe der ersten Halbzeit am Freitagabend in Hannover, da konnte man das Gefühl haben, der VfB würde jetzt einen Lauf starten und nach dem euphorisierenden Heimsieg gegen Dortmund über die kommenden Gegner hinweg rollen:
Eine Runde argentinisches Roulette mit Emiliano Insua. pic.twitter.com/WCWdLMhn8Y
— VfBFilmRoom (@VfBFilmRoom) November 26, 2017
Asano (in der Stürmerrolle) und Özcan haben in Halbzeit 1 super harmoniert.
Hier mit dem feinen Doppelpass, der eigentlich mit dem 2:0 belohnt werden müsste. pic.twitter.com/jlPkA513Vk
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In der Tat: Was die Brustringträger da vor der Halbzeit boten, das war schon ziemlich beeindruckend. Zwar ist Hannover nicht Dortmund, aber nicht umsonst stehen sie — leider auch nach diesem Spiel — in der Tabelle zwei Punkte vor dem VfB. Warum, das konnte man vor allem in der zweiten Halbzeit beobachten, als sie die zögerliche Spielweise der Gäste immer wieder bestraften. Aber zurück zur ersten Halbzeit, der VfB-Halbzeit.
Die Mitte ist der Schlüssel
Wie schon gegen Dortmund war die VfB-Offensive hellwach und nutzte einen Abwehrfehler, in diesem Fall einen schlecht parierten Schuss, zur Führung. Das Beste was der Mannschaft passieren konnte, wenn man bedenkt, dass im Angriff neben Donis für dieses Spiel auch Ginczek und Akolo ausfielen. Wie schon häufig holte sich der VfB durch die Führung zusätzliches Selbstvertrauen, was sich aber nicht nur in den oben gezeigten Offensivaktionen ausdrückte, sondern auch in einem sehr stabilen Defensivspiel. Immer wieder gelang es den Brustringträgern, die Angriffe der 96er frühzeitig zu unterbinden und teilweise sogar, aus diesem Ballbesitz heraus eigene Angriffe zu starten.
Dass genau das in der zweiten Halbzeit nicht mehr funktionierte, war der Knackpunkt des Spiels. Es wird für uns vor allem dann gefährlich, wenn der Gegner zentral vor dem Strafraum zu viel Platz hat. Nachdem Hannover schon mehrere Freistoßchancen aus zentraler Position ungenutzt ließ, machten ihnen zuerst Badstuber und direkt im Anschluss Pavard ein Geschenk, das sie nicht ablehnen konnten. Man kann mit Sicherheit über die Verteilung der gelben Karten diskutieren und darüber, ob diese das Abwehrverhalten der beiden eben genannten, zu diesem Zeitpunkt bereits gelbverwarnten VfB-Spieler hemmte. Aber wer zweimal so ungeschickt in einen Zweikampf geht, der darf sich nicht wundern, dass der Schiedsrichter bei einem der beiden Vergehen auf Elfmeter entscheidet. Da braucht man auch ausnahmsweise mal nicht auf den Videoassistenten im fernen Köln zu schimpfen: Den Elfmeter und den daraus resultierenden Punktverlust haben wir uns selber zuzuschreiben.
Wir können uns nicht allein auf die Abwehr verlassen
Aber wieso lief es in der zweiten Halbzeit nicht mehr so wie vor dem Pausenpfiff? Hatte die erste Hälfte zu sehr an den Kräften der ersatzgeschwächten Mannschaft gezerrt? Nun, mit Sicherheit legten die Gastgeber noch eine Schippe drauf, auch der Wechsel von Füllkrug gegen den diesmal eher harmlosen Harnik sollte sich letztendlich auszahlen. Dass beim VfB vorne nicht mehr viel ging, war weniger überraschend, erst recht, nachdem Aogo für Brekalo und Simon Terodde erst in der 73. Minute eingewechselt wurden. Erhoffte sich Hannes Wolf, den Sieg mit einer stabilen Defensive über die Zeit zu bringen? Dass wir uns in dieser Saison nie allein darauf verlassen können, sollte er eigentlich mittlerweile wissen. Auf der anderen Seite: Wie hätte er sonst wechseln sollen? Als kurz vor Schluss mit Ailton, der für Özcan ins Spiel gekommen war, drei nominelle Linksverteidiger auf dem Feld standen, saßen noch folgende vier Spieler auf der Bank: Ersatzkeeper Jens Grahl, Anto Grgic, Orel Mangala und Ebenezer Ofori. Alles keine Spieler, die in der 93. Minute für ein Tor gut sind. Natürlich hätte er noch Nicolas Sessa mitnehmen können, aber das war es dann auch schon.
Nein, diese Punkte hätte die Mannschaft durch konsequentes Verteidigen auf dem Platz mit nach Hause bringen müssen. Oder wenn Aogo bei seiner Großchance an Association Football statt American Football gedacht hätte. Irgendwie hatte man in der zweiten Halbzeit das Gefühl, der VfB spiele wieder ein bißchen mit angezogener Handbremse, auf jeden Fall war die Energie der ersten Spielhälfte nicht mehr da. Das wurde auch in den letzten Spielminuten bemerkbar, als sich die Brustringträger den Ball lieber bis zum Abpfiff hinten herum zuschoben anstatt ihn nochmal hoch in den Strafraum der Gastgeber zu schlagen und zu schauen, was damit passiert. Warum also wurden aus den zwischenzeitlich drei Punkten nur einer? Weil Hannover eben, wie weiter oben beschrieben, nicht Dortmund ist. Der VfB spielte auswärts, hatte anders als in der Vorwoche nicht das Momentum gegen einen kriselnden Gegner auf seiner Seite und fiel am Ende, so ehrlich müssen wir sein, wieder auf seinen, auch angesichts der Personalsituation, realistischen Leistungsstand zurück. Das Simon Terodde drei Viertel des Spiels auf der Bank verbrachte ist übrigens nur konsequent: Für da schnelle Spiel des VfB an diesem Abend war er eher weniger geeignet, außerdem war er in dieser Saison bisher vor allem als Joker gefährlich.
Das Positive mitnehmen
Sollten wir uns nach der Euphorie der Vorwoche, die auch in der aktuellen Folge des Rasenfunk-Podcasts durchkam, in Sack und Asche hüllen und mit schlotternden Knien nach Bremen fahren? Mitnichten! Denn die erste Halbzeit lässt, quasi als Fortsetzung der zweiten Halbzeit gegen Dortmund, einige positive Rückschlüsse zu, die für die nächsten Spiele hilfreich sein können. Zum einen: Der VfB muss vorne auf jede Chance lauern, die sich ihm bietet. Nur weil Akolo und in diesem Spiel Asano vorne darauf warteten, dass der Gegner vielleicht doch einen Fehler macht, fielen zwei der letzten drei Tore. Wenn man sich gegen stabile Abwehrreihen schwer tut, könnte das der Schlüssel sein, um sie dennoch zu knacken. Zweitens: Wenn der VfB sein Konterspiel perfektioniert, ist er mit diesem Offensivspielern brandgefährlich. Vor allem Ascacíbar ist hier ein Schlüsselspieler, weil er im Mittelfeld ähnlich viele Bälle abräumt wie sein Nebenmann Gentner, sie aber im Gegensatz zu diesem direkt nutzt, um einen Gegenangriff einzuleiten. Man stelle sich nur mal vor, wir hätten vorne neben Brekalo, Özcan und Asano derzeit noch Akolo, Donis und Mané zur Verfügung.
Sicherlich hilft auch der überraschende Punktgewinn gegen Dortmund dabei, dieses Spiel etwas entspannter zu sehen. Klar ist aber auch: In Bremen sollte jetzt der erste Auswärtssieg folgen, damit wir uns vor den letzten drei anstrengenden Spielen als Fans etwas entspannen können. Aber es war einfach auch nicht zu erwarten, dass der VfB nach dem Dortmund-Spiel jetzt eine Serie startet und die Gegner reihenweise abräumt, auch wenn manches spielerische Zuckerstück (gerne noch einmal hochscrollen) dies vermuten ließ. Lasst uns mit diesem Punkt leben und hoffen, dass auch Hannes Wolf die positiven Erkenntnisse aus der Partie in den kommenden Spielen anwendet.
Weniger ist manchmal mehr
Da ich es endlich mal wieder ins Stadion geschafft habe, noch ein Nachtrag zum Gästeblock: Respekt, dass es trotz der völlig sinnfreien Ansetzung durch die DFL immer noch 2000 Stuttgarter gen Norden geschafft haben. Was mir schon häufiger aufgefallen ist: So schön ein rappelvoller Gästeblock ist, die Stimmung ist besser, wenn nur der (erweiterte) harte Kern da ist. Die Gesänge haben einfach eine ganz andere Intensität, wenn alle Text, Rhythmus und Geschwindigkeit (!) des Chants kennen und nicht jeder Dritte unvermittelt wieder “Ja, der VfB” anstimmt. Abgesehen von den zwei fehlenden Punkten also alles in allem ein runder Freitagabend.