Kann man mit leben

In Han­no­ver gelingt dem VfB end­lich der ers­te Aus­wärts­punkt der lau­fen­den Bun­des­li­ga­sai­son. War­um es nicht für drei gereicht hat und wir trotz­dem damit leben kön­nen.

Es gab Momen­te im Lau­fe der ers­ten Halb­zeit am Frei­tag­abend in Han­no­ver, da konn­te man das Gefühl haben, der VfB wür­de jetzt einen Lauf star­ten und nach dem eupho­ri­sie­ren­den Heim­sieg gegen Dort­mund über die kom­men­den Geg­ner hin­weg rol­len:

In der Tat: Was die Brust­ring­trä­ger da vor der Halb­zeit boten, das war schon ziem­lich beein­dru­ckend. Zwar ist Han­no­ver nicht Dort­mund, aber nicht umsonst ste­hen sie — lei­der auch nach die­sem Spiel — in der Tabel­le zwei Punk­te vor dem VfB. War­um, das konn­te man vor allem in der zwei­ten Halb­zeit beob­ach­ten, als sie die zöger­li­che Spiel­wei­se der Gäs­te immer wie­der bestraf­ten. Aber zurück zur ers­ten Halb­zeit, der VfB-Halb­zeit.

Die Mitte ist der Schlüssel

Wieder einmal hat der VfB einen Abwehrfehler ausgenutzt. Bild: © Frankys Stadionpics
Wie­der ein­mal hat der VfB einen Abwehr­feh­ler aus­ge­nutzt. Bild: © Fran­kys Sta­di­onpics

Wie schon gegen Dort­mund war die VfB-Offen­si­ve hell­wach und nutz­te einen Abwehr­feh­ler, in die­sem Fall einen schlecht parier­ten Schuss, zur Füh­rung. Das Bes­te was der Mann­schaft pas­sie­ren konn­te, wenn man bedenkt, dass im Angriff neben Donis für die­ses Spiel auch Gin­c­zek und Ako­lo aus­fie­len.  Wie schon häu­fig hol­te sich der VfB durch die Füh­rung zusätz­li­ches Selbst­ver­trau­en, was sich aber nicht nur in den oben gezeig­ten Offen­siv­ak­tio­nen aus­drück­te, son­dern auch in einem sehr sta­bi­len Defen­siv­spiel. Immer wie­der gelang es den Brust­ring­trä­gern, die Angrif­fe der 96er früh­zei­tig zu unter­bin­den und teil­wei­se sogar, aus die­sem Ball­be­sitz her­aus eige­ne Angrif­fe zu star­ten.

Dass genau das in der zwei­ten Halb­zeit nicht mehr funk­tio­nier­te, war der Knack­punkt des Spiels. Es wird für uns vor allem dann gefähr­lich, wenn der Geg­ner zen­tral vor dem Straf­raum zu viel Platz hat. Nach­dem Han­no­ver schon meh­re­re Frei­stoß­chan­cen aus zen­tra­ler Posi­ti­on unge­nutzt ließ, mach­ten ihnen zuerst Bad­s­tu­ber und direkt im Anschluss Pavard ein Geschenk, das sie nicht ableh­nen konn­ten. Man kann mit Sicher­heit über die Ver­tei­lung der gel­ben Kar­ten dis­ku­tie­ren und dar­über, ob die­se das Abwehr­ver­hal­ten der bei­den eben genann­ten, zu die­sem Zeit­punkt bereits gelb­ver­warn­ten VfB-Spie­ler hemm­te. Aber wer zwei­mal so unge­schickt in einen Zwei­kampf geht, der darf sich nicht wun­dern, dass der Schieds­rich­ter bei einem der bei­den Ver­ge­hen auf Elf­me­ter ent­schei­det. Da braucht man auch aus­nahms­wei­se mal nicht auf den Video­as­sis­ten­ten im fer­nen Köln zu schimp­fen: Den Elf­me­ter und den dar­aus resul­tie­ren­den Punkt­ver­lust haben wir uns sel­ber zuzu­schrei­ben.

Wir können uns nicht allein auf die Abwehr verlassen

In der zweiten Halbzeit musste der VfB mehr nach hinten arbeiten. Bild: © Frankys Stadionpics
In der zwei­ten Halb­zeit muss­te der VfB mehr nach hin­ten arbei­ten. Bild: © Fran­kys Sta­di­onpics

Aber wie­so lief es in der zwei­ten Halb­zeit nicht mehr so wie vor dem Pau­sen­pfiff? Hat­te die ers­te Hälf­te zu sehr an den Kräf­ten der ersatz­ge­schwäch­ten Mann­schaft gezerrt? Nun, mit Sicher­heit leg­ten die Gast­ge­ber noch eine Schip­pe drauf, auch der Wech­sel von Füll­krug gegen den dies­mal eher harm­lo­sen Har­nik soll­te sich letzt­end­lich aus­zah­len. Dass beim VfB vor­ne nicht mehr viel ging, war weni­ger über­ra­schend, erst recht, nach­dem Aogo für Bre­ka­lo und Simon Terod­de erst in der 73. Minu­te ein­ge­wech­selt wur­den. Erhoff­te sich Han­nes Wolf, den Sieg mit einer sta­bi­len Defen­si­ve über die Zeit zu brin­gen? Dass wir uns in die­ser Sai­son nie allein dar­auf ver­las­sen kön­nen, soll­te er eigent­lich mitt­ler­wei­le wis­sen. Auf der ande­ren Sei­te: Wie hät­te er sonst wech­seln sol­len? Als kurz vor Schluss mit Ail­ton, der für Özcan ins Spiel gekom­men war, drei nomi­nel­le Links­ver­tei­di­ger auf dem Feld stan­den, saßen noch fol­gen­de vier Spie­ler auf der Bank: Ersatz­kee­per Jens Grahl, Anto Grgic, Orel Manga­la und Ebe­ne­zer Ofo­ri. Alles kei­ne Spie­ler, die in der 93. Minu­te für ein Tor gut sind. Natür­lich hät­te er noch Nico­las Ses­sa mit­neh­men kön­nen, aber das war es dann auch schon.

Nein, die­se Punk­te hät­te die Mann­schaft durch kon­se­quen­tes Ver­tei­di­gen auf dem Platz mit nach Hau­se brin­gen müs­sen. Oder wenn Aogo bei sei­ner Groß­chan­ce an Asso­cia­ti­on Foot­ball statt Ame­ri­can Foot­ball gedacht hät­te. Irgend­wie hat­te man in der zwei­ten Halb­zeit das Gefühl, der VfB spie­le wie­der ein biß­chen mit ange­zo­ge­ner Hand­brem­se, auf jeden Fall war die Ener­gie der ers­ten Spiel­hälf­te nicht mehr da. Das wur­de auch in den letz­ten Spiel­mi­nu­ten bemerk­bar, als sich die Brust­ring­trä­ger den Ball lie­ber bis zum Abpfiff hin­ten her­um zuscho­ben anstatt ihn noch­mal hoch in den Straf­raum der Gast­ge­ber zu schla­gen und zu schau­en, was damit pas­siert. War­um also wur­den aus den zwi­schen­zeit­lich drei Punk­ten nur einer? Weil Han­no­ver eben, wie wei­ter oben beschrie­ben, nicht Dort­mund ist. Der VfB spiel­te aus­wärts, hat­te anders als in der Vor­wo­che nicht das Momen­tum gegen einen kri­seln­den Geg­ner auf sei­ner Sei­te und fiel am Ende, so ehr­lich müs­sen wir sein, wie­der auf sei­nen, auch ange­sichts der Per­so­nal­si­tua­ti­on, rea­lis­ti­schen Leis­tungs­stand zurück. Das Simon Terod­de drei Vier­tel des Spiels auf der Bank ver­brach­te ist übri­gens nur kon­se­quent: Für da schnel­le Spiel des VfB an die­sem Abend war er eher weni­ger geeig­net, außer­dem war er in die­ser Sai­son bis­her vor allem als Joker gefähr­lich.

Das Positive mitnehmen

Soll­ten wir uns nach der Eupho­rie der Vor­wo­che, die auch in der aktu­el­len Fol­ge des Rasen­funk-Pod­casts durch­kam, in Sack und Asche hül­len und mit schlot­tern­den Knien nach Bre­men fah­ren? Mit­nich­ten! Denn die ers­te Halb­zeit lässt, qua­si als Fort­set­zung der zwei­ten Halb­zeit gegen Dort­mund, eini­ge posi­ti­ve Rück­schlüs­se zu, die für die nächs­ten Spie­le hilf­reich sein kön­nen. Zum einen: Der VfB muss vor­ne auf jede Chan­ce lau­ern, die sich ihm bie­tet. Nur weil Ako­lo und in die­sem Spiel Asa­no vor­ne dar­auf war­te­ten, dass der Geg­ner viel­leicht doch einen Feh­ler macht, fie­len zwei der letz­ten drei Tore.  Wenn man sich gegen sta­bi­le Abwehr­rei­hen schwer tut, könn­te das der Schlüs­sel sein, um sie den­noch zu kna­cken. Zwei­tens: Wenn der VfB sein Kon­ter­spiel per­fek­tio­niert, ist er mit die­sem Offen­siv­spie­lern brand­ge­fähr­lich. Vor allem Ascací­bar ist hier ein Schlüs­sel­spie­ler, weil er im Mit­tel­feld ähn­lich vie­le Bäl­le abräumt wie sein Neben­mann Gent­ner, sie aber im Gegen­satz zu die­sem direkt nutzt, um einen Gegen­an­griff ein­zu­lei­ten. Man stel­le sich nur mal vor, wir hät­ten vor­ne neben Bre­ka­lo, Özcan und Asa­no der­zeit noch Ako­lo, Donis und Mané zur Ver­fü­gung.

Sicher­lich hilft auch der über­ra­schen­de Punkt­ge­winn gegen Dort­mund dabei, die­ses Spiel etwas ent­spann­ter zu sehen. Klar ist aber auch: In Bre­men soll­te jetzt der ers­te Aus­wärts­sieg fol­gen, damit wir uns vor den letz­ten drei anstren­gen­den Spie­len als Fans etwas ent­span­nen kön­nen. Aber es war ein­fach auch nicht zu erwar­ten, dass der VfB nach dem Dort­mund-Spiel jetzt eine Serie star­tet und die Geg­ner rei­hen­wei­se abräumt, auch wenn man­ches spie­le­ri­sche Zucker­stück (ger­ne noch ein­mal hoch­scrol­len) dies ver­mu­ten ließ. Lasst uns mit die­sem Punkt leben und hof­fen, dass auch Han­nes Wolf die posi­ti­ven Erkennt­nis­se aus der Par­tie in den kom­men­den Spie­len anwen­det.

Weniger ist manchmal mehr

Da ich es end­lich mal wie­der ins Sta­di­on geschafft habe, noch ein Nach­trag zum Gäs­te­block: Respekt, dass es trotz der völ­lig sinn­frei­en Anset­zung durch die DFL immer noch 2000 Stutt­gar­ter gen Nor­den geschafft haben. Was mir schon häu­fi­ger auf­ge­fal­len ist: So schön ein rap­pel­vol­ler Gäs­te­block ist, die Stim­mung ist bes­ser, wenn nur der (erwei­ter­te) har­te Kern da ist. Die Gesän­ge haben ein­fach eine ganz ande­re Inten­si­tät, wenn alle Text, Rhyth­mus und Geschwin­dig­keit (!) des Chants ken­nen und nicht jeder Drit­te unver­mit­telt wie­der “Ja, der VfB” anstimmt. Abge­se­hen von den zwei feh­len­den Punk­ten also alles in allem ein run­der Frei­tag­abend.

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