Immerhin

Der VfB spielt durch das 3:0 gegen Wolfs­burg defi­ni­tiv in der Rele­ga­ti­on und zeigt end­lich mal zum rich­ti­gen Zeit­punkt die not­wen­di­ge Leis­tung.

Irgend­wie schie­nen die dunk­len Regen­wol­ken, die über dem Neckar­sta­di­on hin­gen, sym­bo­lisch für das Sai­son­ende des VfB zu sein. Nach dem ernüch­tern­den Auf­tritt beson­ders in der zwei­ten Hälf­te in Ber­lin war mei­ne Hoff­nung dar­auf, einen VfL Wolfs­burg mit Cham­pi­ons League-Ambi­tio­nen zu besie­gen, rela­tiv gering. Der Rele­ga­ti­ons­teil­nah­me war ich mir zwar schon ziem­lich sicher, erwar­te­te aber eher, dass wir da in typi­scher VfB-Manier mit zwei Nie­der­la­gen und nur dank der Unfä­hig­keit der Kon­kur­renz hin­ein­stol­pern wür­den. Schön, wenn man von den Her­ren im Brust­ring mal posi­tiv über­rascht wird.

Gonzalez und Akolo stark

Drei Tore inner­halb von 90 Minu­ten also. Um zu begrei­fen, wie über­ra­schend die­ses Ergeb­nis ist, muss man sich vor Augen hal­ten, dass uns das in die­ser Sai­son erst zum drit­ten Mal gelun­gen ist: In der Hin­run­de beim 3:3 in Frei­burg, beim 5:1 gegen unter­ir­di­sche Han­no­ve­ra­ner und eben jetzt gegen Wolfs­burg. Wobei der Geg­ner, wie auch im letz­ten Heim­spiel, sei­ne Euro­pa­po­kal­taug­lich­keit auch nicht so wirk­lich nach­wei­sen konn­te. Nur zwei­mal schos­sen die Gäs­te über­haupt aufs Tor und auch ansons­ten gelang ihnen, anders als der Her­tha, für die es schon letz­te Woche um nichts mehr ging, kaum etwas.

Es war jetzt auch nicht so, als ob das beim VfB unbe­dingt anders lief. Schon beim letz­ten Aus­wärts­spiel ließ das Umschalt­spiel deut­lich zu wün­schen übrig, hät­te ein wenig mehr Reak­ti­ons­schnel­lig­keit im Offen­siv­spiel durch­aus zum Erfolg geführt. Auch gegen Wolfs­burg ließ es der VfB häu­fig zu gemäch­lich ange­hen und spiel­te, wenn es dar­auf ankam, meist dann doch zu spät, zu früh oder ein­fach falsch ab. Aber immer­hin: Die Brust­ring­trä­ger konn­ten sich immer wie­der am Wolfs­bur­ger Straf­raum fest­set­zen. Das lag zum einen am zuletzt viel geschol­te­nen Nicolás Gon­zá­lez: Der zog die meis­ten Sprints und die zweit­meis­ten inten­si­ven Läu­fe an und gewann so vie­le Zwei­kämp­fe wie kein ande­rer sei­ner Team­kol­le­gen  — in der Luft sogar liga­weit die viert­meis­ten an die­sem Sams­tag. Und zum ande­ren? An Chadrac Ako­lo, den Nico Wil­lig zum ers­ten Mal seit dem Hin­spiel (!) wie­der in die Start­elf beför­der­te und der es dem Inte­rims­trai­ner mit ins­ge­samt vier Tor­schüs­sen und einem enga­gier­ten Auf­tritt dank­te.

Stellschrauben und Glück

Wil­lig hat­te auf den ein­falls­lo­sen Auf­tritt in den zwei­ten 45 Minu­ten in Ber­lin reagiert und Ako­lo als hän­gen­de Spit­ze hin­ter Donis auf­ge­bo­ten, dazu auf den Flü­geln besag­ter Gon­zá­lez und ein lei­der erneut ziem­lich blas­ser — in allen Lauf- und Zwei­kampf­sta­tis­ti­ken auf den hin­te­ren Plät­zen lan­den­der — Alex­an­der Ess­wein. Die Dop­pel­sechs bil­de­ten Gent­ner und Cas­tro mit einer soli­den Leis­tung, wobei Cas­tro sich vor dem Spiel wohl die omi­nö­sen Schu­he von Bor­na Sosa gegrif­fen hat­te und es etwas an Stand­fes­tig­keit ver­mis­sen ließ. In der Vie­rer­ket­te fei­er­te über­ra­schen­der­wei­se Emi­lia­no Insua sein Come­back, wahr­schein­lich war Wil­lig beim Blick auf Wolfs­burgs rech­te Sei­te doch nicht ganz wohl dabei, einen defen­siv manch­mal sehr vogel­wil­den Bor­na Sosa von Beginn an auf­zu­bie­ten. Es waren nur klei­ne Stell­schrau­ben, an denen der Trai­ner dreh­te, am Ende funk­tio­nier­te es aber.

Weil die Mann­schaft durch die Füh­rung eher beflü­gelt als gelähmt wur­de und weil sie, wie schon gegen Glad­bach, auch dies­mal wie­der das nöti­ge Glück hat­te, um dem Abstieg zumin­dest noch mal tem­po­rär von der Schip­pe zu sprin­gen. Glück, dass eine erneu­te kras­se Fehl­ent­schei­dung des Schieds­rich­ter­ge­spanns nicht spiel­ent­schei­dend war, als Gon­zá­lez von den Bei­nen geholt wur­de und Felix Brych sich wei­ger­te, von den Mög­lich­kei­ten, die ihm die­se absur­de Kon­strukt namens VAR bie­tet, Gebrauch zu machen. Glück auch, dass die ins­ge­samt ziem­lich dürf­ti­ge Leis­tung des Schieds­rich­ters kei­ne Aus­wir­kung aufs Spiel hat­te. Glück aber vor allem, dass Cas­tros Schuss, obwohl er ziem­lich wild durch den Straf­raum flip­per­te, schließ­lich am Innen­pfos­ten und danach im Netz ein­schlug. So rich­tig gerech­net hat­te ich mit der Füh­rung nicht mehr und ich ver­mu­te, dass ich damit nicht allei­ne da stand.

Fleisch willig, Geist schwach

Fast schon zu ein­fach fie­len dann das 2:0 und das 3:0. Dida­vi war Gott sei dank in der zwei­ten Halb­zeit für Ess­wein gekom­men und Donis zeig­te ein­mal mehr, dass sein Fuß geschick­ter ist als sein Mund­werk, als er die­sen in Dida­vis Flan­ke hielt. Dass Dida dann nach Pass von Gent­ner gegen eine sich auf­lö­sen­de Wolfs­bur­ger Abwehr noch sel­ber netz­te, freut mich für ihn. Hof­fent­lich behält er die­se Form bei und kann den Abstieg anders als 2016 mit sei­nen Toren dies­mal ver­hin­dern. Am Ende gehen die drei Punk­te voll­auf in Ord­nung, weil Wolfs­burg in der zwei­ten Halb­zeit auch mit den ein­ge­wech­sel­ten Ex-VfB-Spie­lern Gin­c­zek und Bre­ka­lo nichts mehr zustan­de brach­te. Dass Gin­c­zek an alter Wir­kungs­stät­te leer aus­ging freut mich beson­ders. Es hät­te zu unse­rer Sai­son gepasst, dass aus­ge­rech­net er uns an den Rand des Abgrunds schießt. Ein Blick auf die Chan­cen­ver­wer­tung — drei von vier Tor­schüs­sen fan­den den Weg ins Tor — und die expec­ted Goals — 0,68 laut Understat.com — zei­gen aber auch, dass der VfB am 33. Spiel­tag eine außer­ge­wöhn­li­che Effi­zi­enz zeig­te, die wir sonst nicht von ihm gewohnt sind.

Also doch kein Stol­pern in die Rele­ga­ti­on, son­dern immer­hin mit einem Sieg den direk­ten Klas­sen­er­halt ver­mie­den, weil Han­no­ver zwar auch gewann, der Abstand aber halt jetzt grö­ßer ist als die Zahl der noch zu ver­ge­ben­den Punk­te. Man kann es nur, man muss es lei­der so nüch­tern beschrei­ben. War­um die­se Mann­schaft, die inner­halb von drei Wochen zwei Euro­pa­po­kal­an­wär­ter mit ins­ge­samt 4:0 Toren besiegt hat, gegen direk­te Kon­kur­ren­ten wie Augs­burg, Nürn­berg und Düs­sel­dorf der­art ver­sagt hat, erschließt sich mir immer noch nicht. Immer­hin war in den letz­ten Spie­len das Fleisch wie­der wil­lig, aber der Geist meist doch zu schwach, um der geg­ne­ri­schen Abwehr gefähr­lich zu wer­den.

Auf nichts ausruhen!

Jetzt steht also noch ein tabel­la­risch bedeu­tungs­lo­ses Spiel auf Schal­ke an und zwei Rele­ga­ti­ons­spie­le. Die Zahl der mög­li­chen Geg­ner hat sich am Sonn­tag auf zwei redu­ziert, nach­dem sich der HSV im direk­ten Auf­stiegs­du­ell mit 4:1 abschie­ßen ließ und jetzt eine wei­te­re Sai­son im Unter­haus ver­brin­gen muss. Ein Grund mehr, war­um wir uns unbe­dingt gegen Pader­born oder Uni­on durch­set­zen müs­sen: Im Abstiegs­fall hät­ten wir es nicht wie 2016/17 nur mit Han­no­ver und Braun­schweig zu tun, son­dern mit Han­no­ver, Ham­burg und Nürn­berg. Erreicht ist also noch über­haupt nichts und wir täten gut dar­an, nicht in die all­ge­mei­ne Häme gegen­über dem HSV ein­zu­fal­len. Uns ste­hen zwei extrem ekli­ge Spie­le gegen einen Geg­ner bevor, der seit Wochen in wesent­lich bes­se­rer Form ist als der VfB — und wir wis­sen nicht ein­mal, wel­ches Gesicht die Mann­schaft in Gel­sen­kir­chen zei­gen wird.

Nicht direkt abge­stie­gen — immer­hin. Aber mehr auch nicht. Dafür müss­te es in die­ser Sai­son auch mal län­ger als nur 90 Minu­ten am Stück für uns lau­fen und dafür darf sich die Mann­schaft auch auf nichts mehr aus­ru­hen.

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