Geduld am Ende

Eine Woche nach dem ers­ten Sai­son­sieg ver­liert der VfB beim sieg­lo­sen Tabel­len­letz­ten Han­no­ver 96. Es ist an der Zeit, Kon­se­quen­zen zu zie­hen.

Der Geg­ner wür­de sich nicht hin­ten rein­stel­len, so viel war klar. Es wäre für den VfB also auch nicht rat­sam, sich vor dem eige­nen Tor ein­schnü­ren zu las­sen. Dage­gen hal­ten und die sich hin­ter der geg­ne­ri­schen Abwehr öff­nen­den Räu­me nut­zen ist das Gebot der Stun­de. Und so hol­te der VfB mit etwas Glück drei Punk­te gegen bis­her unge­schla­ge­ne Bre­mer. Ich war mir sicher:

Sowohl Korkut, als auch die Mann­schaft schei­nen aus den letz­ten Spie­len etwas gelernt zu haben: für Kon­ter­to­re muss man sich bewe­gen und mit Dida­vi auf der Zehn und einem schnel­len Stür­mer  kann man auf Kon­ter spie­len.

Nichts gelernt

Orts­wech­sel: Nie­der­sach­sen­sta­di­on Han­no­ver, genau eine Woche spä­ter. Ich habe mich geirrt. Weder Trai­ner noch Mann­schaft haben irgend­et­was aus dem letz­ten Spiel gelernt. Han­no­ver steht sieg­los am Tabel­len­en­de und wird gegen den Tabel­len­sech­zehn­ten aus Stutt­gart mit Sicher­heit nicht den Mann­schafts­bus vor dem eige­nen Tor par­ken. In der Tat spie­len sie mit einer offen­si­ven Drei­er­rei­he, bestehend aus Wood, Füll­krug und Asa­no. Wie reagiert der VfB auf die­sen nach­voll­zieh­ba­ren Offen­siv­drang? Er stellt zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son eine Fün­fer­ket­te auf. Sosa und Beck auf den Außen, dazwi­schen alle drei der­zeit ver­füg­ba­ren Innen­ver­tei­di­ger. Davor Cas­tro, Ascací­bar, Gent­ner, Dida­vi und Gomez. Sum­ma sum­ma­rum also zwei offen­si­ve Spie­ler. Kei­ner beson­ders flink auf den Bei­nen. Da muss die Fra­ge gestat­tet sein: Wie sieht der Match­plan aus?

45 Minu­ten, nach­dem Tay­fun Korkut sei­ne Mann­schaft mit die­ser Maß­ga­be aufs Feld geschickt hat­te, stand es 2:0 für Han­no­ver. Der VfB hat­te ledig­lich 42 Pro­zent Ball­be­sitz, hat­te eine Pass­quo­te von 69 Pro­zent und hat­te zwei Mal in Rich­tung Tor geschos­sen — vor­bei. Der Rück­stand zum Halb­zeit­pfiff ent­stand aus zwei Kopf­ball­ge­gen­to­ren und er kam mit Ansa­ge. Denn wie wir alle wis­sen, ist die Abwehr aus Gra­nit Geschich­te. Es scheint egal zu sein, wie vie­le Innen­ver­tei­di­ger wir auf den Platz stel­len, irgend­ei­ner pennt immer. In die­sem Fall vor allem Baum­gartl und Pavard bei bei­den Gegen­tref­fern, aber auch Bad­s­tu­ber sah wie­der nicht gut aus. Irgend­wann muss­te eine der 21 Flan­ken, die Han­no­ver in der ers­ten  Halb­zeit in den Straf­raum von Ron-Robert Zie­l­er schlug, halt mal zum Tor füh­ren. Klar kann und muss man da über das Defen­siv­ver­hal­ten der VfB-Spie­ler reden, unab­hän­gig von der For­ma­ti­on.

Bruno, Jürgen, Jos… und Tayfun

Und wenn Ihr hier schon etwas län­ger mit­lest, dann wisst Ihr, dass ich bei den vier Trai­ner­wech­seln, die wir in die­sem Blog schon beglei­tet haben, meis­tens die Mann­schaft in der Ver­ant­wor­tung gese­hen habe. Wenn ich auf die letz­ten Jah­re zurück­bli­cke, gibt es eine Hand­voll Trai­ner­ent­las­sun­gen, die ich zu die­sem Zeit­punkt befür­wor­tet habe: Kram­ny, Luhuk­ay, Lab­ba­dia. Seit heu­te muss ich die­se illus­tre Rei­he um Tay­fun Korkut ergän­zen. Der unter­ir­di­sche, erbärm­li­che Auf­tritt des VfB in der ers­ten Halb­zeit geht kom­plett auf sei­ne Kap­pe. Denn wenn wir schon nicht in der Lage sind, zu null zu spie­len, dann soll­ten wir zumin­dest ver­su­chen, durch ein frü­hes Tor Sicher­heit zu gewin­nen. Oder den Geg­ner zumin­dest in der eige­nen Abwehr beschäf­ti­gen, damit er uns nicht hin­ten ein­schnü­ren kann. Was der VfB hin­ge­gen bot, war genau das Gegen­teil: Hin­ten konn­te man sich dem Ansturm der Haus­her­ren nicht erweh­ren, vor­ne war man nicht exis­tent.

Da hilft es auch nichts, dass Korkut in der Halb­zeit sei­nen Kar­di­nal­feh­ler erkann­te und Gon­zá­lez und Thom­my rein­brach­te. Denn Han­no­ver muss­te jetzt nur noch gedul­dig war­ten und zuse­hen, wie der VfB beim Ver­such, den Rück­stand auf­zu­ho­len, in der Abwehr immer offe­ner wur­de. Dass sich 96 dabei nicht beson­ders geschickt anstell­te ist für uns eigent­lich noch ärger­li­cher. 

Vercoacht

Der Anschluss­tref­fer von Mario Gomez hät­te so eigent­lich schon in der ers­ten Halb­zeit fal­len kön­nen und müs­sen. Nur saß da sein Vor­la­gen­ge­ber Erik Thom­my noch auf der Ersatz­bank. Anschlie­ßend war es das alte Spiel: Der VfB war bemüht, aber erfolg­los. Dass Nicolás Gon­zá­lez wie­der ein­mal ein wich­ti­ges Tor, näm­lich den Aus­gleich schie­ßen muss­te, half sei­nem Selbst­ver­trau­en wahr­schein­lich auch nicht wirk­lich. Als dann Hans Nunoo Sar­pei, der die ver­gan­ge­ne Sai­son beim slo­wa­ki­schen Fast-Abstei­ger FK Seni­ca ver­brach­te, für Chris­ti­an Gent­ner ein­ge­wech­selt wur­de, war es eigent­lich schon zu egal, um sich auf­zu­re­gen: Tay­fun Korkut hat­te das Spiel schon in der ers­ten Halb­zeit in den Sand gesetzt. Nicht, dass ich eine Aus­wechs­lung des unsicht­ba­ren Kapi­täns nicht begrüßt habe. Aber Sar­pei ist ein defen­si­ver Mit­tel­feld­spie­ler und fei­er­te am Sams­tag sein Bun­des­li­ga-Debüt. Ist das wirk­lich die letz­te Patro­ne, die Du bei einem 1:2‑Rückstand ver­wen­den willst?

Mitt­ler­wei­le zeigt sich deut­lich, dass Korkut sich und die Mann­schaft seit der Rück­run­de nicht wei­ter­ent­wi­ckelt hat. Ein­zig ein Lucky Punch hät­te in der ers­ten Halb­zeit dazu geführt, dass sein Match­plan auf­ge­gan­gen wäre. So wie es eben im Früh­jahr mehr­fach funk­tio­nier­te. Korkut macht aber den Feh­ler, dass er den dama­li­gen Erfolg zu sehr sei­nen Fähig­kei­ten und zuwe­nig den Fak­to­ren Glück und Zufall zuschreibt. Jedem muss­te klar sein, dass der Erfolg der Rück­run­de eben nur in die­ser bestimm­ten Situa­ti­on ent­ste­hen konn­te. Als die Mann­schaft in einen Lauf geriet, weil ihr mal wie­der der Arsch auf Grund­eis ging und sie das Glück hat­te, mehr­mals hin­ter­ein­an­der früh zu tref­fen. Kor­kuts Ver­dienst war es, die­sen Lauf durch Kon­ti­nui­tät in der Auf­stel­lung am Lau­fen zu hal­ten. Aus die­sen 14 Spie­len eine rea­lis­ti­sche Bewer­tung der Arbeit Kor­kuts abzu­lei­ten wäre ein gro­ßer Feh­ler.

Korkout!

Nächs­ter Trai­ner­wech­sel also? #Kork­out? Ja! Ach herr­je, die­ses schwie­ri­ge Umfeld! In Stutt­gart kann sich ja nichts ent­wi­ckeln! Da wird schon zu Sai­son­be­ginn der Kopf des Trai­ners gefor­dert. Mensch, lie­be VfB-Fans, bringt doch mal Anspruch und Rea­li­tät in Ein­klang. Ihr ver­langt ein­fach zu viel! Die Mann­schaft muss sich noch fin­den. Ihr merkt es, ich zitie­re diver­se selbst­er­nann­te Exper­ten. Mei­ne Ant­wort dar­auf: Nee! Kommt mir nicht mit schwie­ri­gem Umfeld.

Ein paar Anhalts­punk­te: Der VfB ist Tabel­len­letz­ter mit fünf Punk­ten aus sie­ben Spie­len. Dass sich dar­an nach den nächs­ten bei­den Spie­len etwas geän­dert haben wird, ist zumin­dest zwei­fel­haft. Weder das Heim­spiel gegen Tabel­len­füh­rer Dort­mund, noch das Aus­wärts­spiel bei der SAP-Betriebs­mann­schaft ist dazu ange­tan, die Wen­de in der Hin­run­de des VfB ein­zu­lei­ten. Und man kann auch mitt­ler­wei­le nicht mehr von einem ver­sau­ten Sai­son­start reden. Bei fünf Punk­ten aus acht oder neun Spie­len spie­len muss man eigent­lich schon von einer unter­durch­schnitt­li­chen Hin­run­de spre­chen. Natür­lich sind wir da noch weit ent­fernt davon, die kom­plet­te Sai­son in den Sand zu set­zen. aber wenn ich das rich­tig ver­stan­den habe, haben wir Anfang des Jah­res den Trai­ner gewech­selt um uns sport­lich zu ver­bes­sern. Und zwar nicht nur kurz- son­dern mit­tel- und lang­fris­tig. Für die­ses Ziel haben wir schließ­lich auch einen guten Bat­zen der Aus­glie­de­rungs­mil­lio­nen inves­tiert.

Nie­mand erwar­tet, dass der VfB auf Euro­pa­po­kal­kurs ist. Nie­mand erwar­tet Kan­ter­sie­ge am lau­fen­den Band und atem­be­rau­ben­des Kom­bi­na­ti­ons­spiel. Aber etwas mehr als Platz 18, eine offen­siv harm­lo­se und defen­siv wack­li­ge Mann­schaft mit einem tak­tisch irr­lich­tern­den Trai­ner darf es schon sein. Ange­sichts der Rah­men­be­din­gun­gen — neben dem inves­tier­ten Geld auch die Tat­sa­che, dass der Kader früh bei­sam­men war und die gesam­te Vor­be­rei­tung gemein­sam absol­vie­ren konn­te — muss es das sogar. 

Der Faden ist gerissen

Ich bin mit mei­ner Geduld am Ende. Ich traue Tay­fun Korkut nicht mehr zu, eine Lösung für die spie­le­ri­sche und Ergeb­nis­kri­se des VfB zu fin­den. Der Sieg gegen Bre­men war in Tei­len ein Licht­blick, aber er hat dar­aus die fal­schen Schlüs­se gezo­gen und ver­sucht wei­ter, mit ver­schie­de­nen For­ma­tio­nen, sei­ne Idee des harm­lo­sen und inef­fek­ti­ven Ball­be­sitz­fuß­balls durch­zu­drü­cken. Es reicht. Natür­lich muss man sich in der Kon­se­quenz fra­gen, wer ihm nach­fol­gen soll und wel­ches Licht das auf den VfB wirft. Aber selbst wenn man das alles in sei­ne Über­le­gun­gen mit­ein­be­zieht, kommt man zum glei­chen Schluss wie bei Luhuk­ay, Kram­ny und Lab­ba­dia: Der Scha­den ist ein­fach zu groß, wenn man ein­fach so wei­ter­macht.

7 Gedanken zu „Geduld am Ende“

  1. Super Kom­men­tar. Alles drin. Sach­lich und kri­tisch zugleich ohne aus­fal­lend zu wer­den. Man kann nur hof­fen dass den Arti­kel auch Diet­rich, Resch­ke und Hitz lesen.

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  2. Ich tei­le die­se Mei­nung zu 100%.
    Herr Pavard ist nach der WM mit sei­nen Gedan­ken nicht in jeder Sekun­de auf dem Platz. Das schlägt sich auf die rest­li­che Abwehr nie­der. Es fehlt an offen­si­ver Ent­las­tung. Voll­kom­men Kon­zept­los ver­sucht man mit drei bis vier Angrei­fern zum Tor­er­folg zu kom­men. Die­se Tak­tik ist naiv und für jeden Geg­ner leicht bere­chen­bar.

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