Beim gestrigen Auftritt des VfB in Köln trafen zwei Serien aufeinander, von denen eine enden musste. Dank eines engagierten und mutigen Auftritts konnten die Brustringträger erstmals seit 2011 wieder einen Rückrundenauftakt gewinnen. Was sonst gestern noch gut war und was in den nächsten Spielen besser werden muss.
Die andere Serie hingegen, nämlich dass seit dem 29. Oktober 2000 in dieser Paarung keinem der beiden Vereine mehr ein Heimsieg gelang, hatte Bestand. Der VfB legte nach dem überraschenden 3:1‑Heimsieg gegen Wolfsburg vor der Winterpause nach und drehte erneut einen Rückstand in drei Punkte. Kevin Großkreutz zeigte einen engagierten Auftritt, dem man das verlorene halbe Jahr in Istanbul nicht anmerkte. Der Rechtsverteidiger grätschte an der Außenlinie nach jedem Ball, meckerte Schieds- und Linienrichter an — da für dieses Spiel Manuel Gräfe eingeteilt war, war das auch wieder mehr als nötig — und motivierte seine Mitspieler. Vor dem gegnerischen Tor zeigte sich der VfB wach, sowohl bei Didavis Nachsetzer zum 1:1, als auch beim Konter zum 3:1, als Lukas Rupp den Ball überlegt zu Christian Gentner rüberschob. Und wann hat der VfB eigentlich das letzte Mal eine Ecke direkt in ein Kopfballtor umgewandelt. Ohne nachgeschaut zu haben: Es muss ein wenig her sein. Für die 4000 mitgereisten VfB-Fans also erneut ein schönes Gefühl auf der Heimfahrt, denn wie schon gegen Wolfsburg war der Auswärtssieg vor allem eins: verdient.
“Oh, wie ist das schön…”
Das bemerkenswerte am gestrigen Spiel war vor allem, dass sich die Mannschaft aus ihrem Tief kurz vor und nach dem ärgerlichen Gegentreffer herausarbeitete und nach dem Rückstand nicht auseinanderbrach. Noch immer stellt sich mir die Frage, ob der späte Siegtreffer gegen Braunschweig bei den Spielern eine Blockade gelöst hat und dazu führt, dass sie, wie in fast vergessenen Zeiten, den Rückstand als Ansporn nimmt, das Spiel zu drehen. Als dann die Führung gelungen war, traten die Brustringträger viel dominanter auf als zuvor und machten in klassischer Weise am Ende den Sack zu.
Die gute Nachricht ist also: Die Mannschaft lebt. Und sie kann Spiele auf eine Art und Weise gewinnen, die es einem wohlig warm ums Herz werden lässt.Nach dem entscheidenden Treffer zum 3:1 bildeten die diesmal in schwarz-rot-gelb gekleideten Spieler eine Jubeltraube — bei der sich Lukas Rupp laut Sky verletzte — und es tat einfach unglaublich gut, die auch von mir in der Vergangenheit scharf kritisierten Spieler wieder so jubeln zu sehen. Zum dritten Mal in dieser Saison stimmte der Anhang im Brustring “Oh, wie ist das schön…” an, wenn es auch erst zum zweiten Mal in diesem Jahr ernst gemeint war. Die Beziehung zwischen Mannschaft und Fans, sie scheint sich langsam wieder zu festigen.
Diés Übermut und Kölner Field Goals
Natürlich ist dieser Sieg nichts wert, wenn Trainer und Mannschaft nicht auf den Erkenntnissen von gestern aufbauen. Denn dem auf Pessimismus und Angst vor späten Nackenschlägen getrimmten Fan fielen dann doch noch einige Schwächen auf. Erfreulicherweise kaum noch in der Mentalität der Mannschaft. Viel mehr war es die erneute Unkonzentriertheit oder nennen wir es freundlich der Übermut Serey Diés (der entgegen der Vermutung der BILD-Zeitung doch nur einmal auflief), die den VfB den ersten Gegentreffer kostete. Georg Niedermeier konnte Risses Sturmlauf aufs Stuttgarter Tor quasi nur noch stoppen, in dem er sich diesem in den Weg stellte. Der Kölner nahm das Angebot dankend an. So wertvoll Diés aggressive Tacklings für das Spiel des VfB sind, so gefährlich ist es, wenn er als Sechser vor einer aufgerückten Abwehr ohne Not den Ball verliert.
Die Abwehr stand, entgegen meiner Befürchtungen besonders im Zentrum ziemlich stabil, konnte sich allerdings auch das eine oder andere Mal bei den Kölnern bedanken, die gedanklich schon beim Super Bowl waren und dementsprechend ein paar Field Goals droschen, genauso wie bei Przemyslaw Tyton, der mit einem guten Auftritt seine Nominierung als vorläufige Nummer 1 rechtfertigte. Dennoch könnte die vor allem qualitativ dünne Personaldecke an dieser Position sich noch rächen, wenn der VfB einmal nicht so torgefährlich ist wie gestern. Eine Woche bleibt Robin Dutt noch Zeit. Auf der linken Abwehrseite gaben weder Emiliano Insua, noch Filip Kostic ein besonders gutes Bild ab, ließen sich oft von den Kölnern überlaufen oder störten nicht konsequent genug.
Starke Einzelleistungen
Ähnlich wackelig ist auch das System Kramnys noch. Gestern trat der VfB im 4–1‑4–1 an, was erneut bedeutete, dass Timo Werner vorne häufig relativ viel allein unterwegs war. Immerhin wurde er diesmal besser von Kostic unterstützt, der damit seine schwache Defensivleistung übertünchte. Kramnys grundlegende Herangehensweise an die Begegnungen des VfB ist offensichtlich: Hinten sicher stehen und dann den Gegner mit Kontern überraschen. Das gelang schon gegen Wolfsburg gut, gestern profitierte der VfB beim Ausgleich von einem im Mittelfeld abgefangenen Fehlpass und dem schnellen Kostic. Dennoch müssen die Jungs im Brustring ihre Konter noch konsequenter und dynamischer ausspielen. Auch gestern wurden einige gute Chancen durch behäbiges Aufrücken vergeben. Klar, nach einem 3:1 mit zwei Kontertoren ist das Klagen auf hohem Niveau. Aber schließlich liegen auch noch 16 Spiele vor uns, in denen man auch auf besser sortierte Abwehrreihen trifft. Der Taktikblog VfBtaktisch sah den VfB vor allem aufgrund seiner starken Einzelspieler am Ende siegreich, weniger wegen der von Kramny gewählten Aufstellung.
Was bleibt also von diesem Spiel? Ein psychologisch wichtiger Rückrundenauftakt und die Erkenntnis, dass die Mannschaft nicht mehr so instabil und labil auftritt wie in der zweiten Hälfte der Hinrunde. In den nächsten beiden Partien trifft der VfB mit Hamburg und Frankfurt auf Mannschaften ähnlichen Kalibers. Nicht unschlagbar, aber es muss auch einiges zusammenkommen, damit man aus diesen Spielen weitere Punkte holt. Immerhin ist der Verein mit dem Brustring jetzt wieder ein bißchen mehr eine Wundertüte als ein programmierte Absteiger.