Zum Ende seiner Amtzeit überraschte er dann doch noch einmal alle: Wolfgang Dietrich ist als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des VfB Stuttgart zurückgetreten. Ein Kommentar zur aktuellen Lage.
Irgendwie ist es ja bezeichnend für das Selbstverständnis dieses Mannes, dass er seinen Rücktritt nicht über den Verein kommunizierte, sondern über seine eigene Facebook-Seite. Mal ganz abgesehen davon, dass mir kein anderer Präsident eines Bundesliga-Vereins bekannt ist, der eine solche Seite hat, offenbart Wolfgang Dietrich mit seiner Rücktrittserklärung, warum er des Präsidentenamtes dieses wundervollen Vereins nie würdig war.
Wie Dietrich hier weiterhin gegen Fans, Mitglieder und am Ende auch den Verein, den er die letzten 33 Monate geführt hat, nachtritt, entbehrt jeglicher Beschreibung. Dennoch möchte ich auf ein paar Zitate näher eingehen.
Allein ich werde nicht Teil dieser Aufklärung sein. Denn ich hätte auch den Grad an Feindseligkeit und Häme, wie am gestrigen Tag erlebt, nicht für möglich gehalten. Ich kann und will nicht mehr verantwortlich für alles gemacht werden, was beim VfB Stuttgart berechtigt oder unberechtigt nicht gut funktioniert.
Offenbar hat Dietrich die Kritik an seiner Amtsführung bis zuletzt nicht verstanden und ganz offensichtlich kann er damit auch nicht umgehen. Mit keinem Wort erwähnt er die Schmutzkübel, die er und seine Unterstützer in der vergangenen Woche über engagierten Fans ausgekippt haben. Nochmal: Drohungen und persönliche Angriffe gegen ihn sind zu verurteilen. Der Versuch, seine Kritiker aber dadurch zu diffamieren, dass man fundierte und hirnlose Kritik über einen Kamm schert, ebenso. Wolfgang Dietrich hat quasi mit Amtsantritt begonnen, diesen Verein zu spalten.
Unterstützung oder doch nicht?
Schon am gestrigen Abend haben mich das Präsidium, der Vereinsbeirat und der Aufsichtsrat gebeten, in jedem Fall im Amt zu bleiben. Für dieses Vertrauen bedanke ich mich sehr. Auch geht mein herzlicher Dank an alle, die mich bis zum heutigen Tage in meiner Arbeit für den VfB in den letzten drei Jahren mit Rat und Tat unterstützt haben.
Wir haben es schon mehrfach beschrieben: Natürlich stehen auch in der Stunde des Rücktritts alle Gremien hinter ihm. Alle? Scheinbar doch nicht.
Auch kann und möchte ich nicht mehr einer Organisation vorstehen, die weder willens ist, sich mit mir gemeinsam diesen Interessen entgegenzustellen, noch in der Lage, den einwandfrei funktionierenden Ablauf einer Mitgliederversammlung zu gewährleisten.
Zu den von ihm angesprochenen Interessen gleich mehr. Dietrichs Kritik an der Organisation der Mitgliederversammlung ist natürlich berechtigt, folgt aber dem Muster des Nachtretens, welches er bereits bei Michael Reschke und Jan Schindelmeiser verfolgt hat. Mal ganz abgesehen davon, dass er als Präsident und Versammlungsleiter am Ende die Hauptverantwortung für die Durchführung einer Mitgliederversammlung trägt. Viel interessanter ist aber der Vorwurf, die Gremien des VfB, die ja angeblich alle hinter ihm stehen, seien nicht willens, sich mit ihm gemeinsam diesen ominösen Interessen entgegen zu stellen. Gab es da am Ende doch Absetzungsbewegungen? Immerhin sprachen sich die AG-Vorstande Heim, Röttgermann und Hitzlsperger ja nicht deutlich gegen eine Abwahl Dietrichs aus, ganz anders als sein Präsidiumskollege Dr. Bernd Gaiser. Ein wenig leid tut mir ja auch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des VfB, die ja in den vergangenen Wochen viel Arbeit in den Machterhalt ihres obersten Chefs investiert haben müssen und durch den Rücktritt via Facebook mit Sicherheit auch alles andere als erfreut waren.
Nun aber zu den “Interessen”.
Ich lasse mir meine Würde und Ehre nicht von denjenigen nehmen, die ihre Macht lautstark und mit verbaler Gewalt demonstrieren. Ebenso wenig wie von denen, die sich schon seit langem an den gut gefüllten Töpfen unseres Vereins bedienen wollen.
Über das Thema “verbale Gewalt” haben wir jetzt schon mehrfach gesprochen. Vielleicht sollten wir allerdings auch mal über Macht- und Medienmacht-Strukturen beim VfB diskutieren, wenn wir schon dabei sind. Dietrichs Verhalten gegenüber den Mitgliedern kann man zwar schwerlich als “verbale Gewalt” qualifizieren, vergnügungssteuerpflichtig war es aber auch nicht. Viel schleierhafter ist mir aber, wer sich laut Dietrich “schon seit langem an den gut gefüllten Töpfen unseres Vereins bedienen” will. Schießt er damit gegen prominente Kritiker wie Thomas Berthold, der ja aber selber gar nicht das Präsidentenamt anstrebt? Diese diffuse Anschuldigung würde ja bedeuten, dass jemand dem VfB Stuttgart Geld entziehen und für die eigenen Zwecke nutzen möchte. Bisher war es ja vor allem der Verein selbst und der von Dietrich als “Wunschkandidat” geholte Michael Reschke, der sich an den angesprochenen Töpfen bediente und deren Inhalte in den Wind schoss. Wir dürfen gespannt sein, was da noch zutage gefördert wird. Abschließen möchte ich das Thema mit einem Verweis auf den hervorragenden Kommentar von George Moissidis im kicker, der wohl heute teilweise ähnliche Gedanken hatte wie ich.
Es ist noch nicht vorbei
Jetzt ist also endlich die Zeit nach Wolfgang Dietrich angebrochen und der Albtraum seiner Amtszeit ist vorbei. Das ist aber kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen.
Denn wie im Film “Inception” befinden wir uns weiterhin in einem Albtraum. Damit meine ich nicht die momentane Führungslosigkeit eines Vereins, der nach dem Rücktritt des Präsidenten und der nicht stattgefundenen Wahl nur noch über ein Präsidiumsmitglied verfügt. Das ist eine Ausnahmesituation, die das Ergebnis von Inkompetenz und Sprunghaftigkeit ist. Nein, der Albtraum ist beispielsweise die zweite Bundesliga, in der wir immer noch spielen und in der der Aufstiegskampf mit Sicherheit nicht leichter wird als vor drei Jahren. Der Albtraum ist auch die verbrannte Erde, die Wolfgang Dietrich mit seiner Amtszeit im Verein hinterlassen hat. Ein Albtraum ist weiterhin einseitiger Journalismus wie dieser Bericht des SWR, der seine Artikel teilweise gar nicht mehr mit einem Verfasser kennzeichnet. Der Albtraum heißt auch immer noch Daimler, der mit Sicherheit bei der Auswahl der Präsidentschaftskandidaten auch diesmal ein Wörtchen mitreden möchte, auch wenn diese Aufgabe eigentlich dem Vereinsbeirat obliegt.
Es liegt also jede Menge Arbeit vor uns, diesen Verein wieder aufzubauen. Manche Albträume werden uns noch lange im Hinterkopf verfolgen, von anderen können wir uns hoffentlich so schnell wie möglich befreien und daraus aufwachen. Lasst uns den Riss, den Wolfgang Dietrich und seine Amtsführung dem VfB zugefügt haben, wieder kitten. Aber lasst uns auch weiterhin wachsam sein, dass uns so etwas nicht noch einmal passiert. Denn Wolfgang Dietrich mag beim VfB Geschichte sein. Die Strukturen und Bündnisse, die es ihm ermöglichten, sich so lange an die Macht zu klammern bleiben bestehen.
Titelbild: Bongarts / Getty
Danke, ich habe mich schon sehr gewundert, dass nirgendwo auf den Satz “schon seit langem an den gut gefüllten Töpfen unseres Vereins bedienen” eingegangen wurde. Würde mich interessieren, was er damit meint. Vielleicht war es aber auch nur so daher gesagt.