Der Fall Zuber als Beweis für die Unterschiede zwischen Hoffenheim und Stuttgart

Hof­fen­heim ist ein Klub, der seit fast 10 Jah­ren in der ers­ten Liga spielt. Der VfB Stutt­gart spielt (mit zwei Unter­bre­chun­gen) seit der Grün­dung der Bun­des­li­ga vor fast 60 Jah­ren in der Bun­des­li­ga. Die aus­ge­präg­te Fan­kul­tur in Stutt­gart reißt auch Spie­ler wie Ste­ven Zuber schnell auf ihre Sei­te.

Bei dem Tra­di­ti­ons­un­ter­schied ist auch ver­ständ­lich, dass die Begrif­fe „Tra­di­ti­on“ und „Der­by“ von Anhän­gern bei­der Ver­ei­ne unter­schied­lich auf­ge­fasst wer­den.

Der Begriff Der­by (Aus­spra­che bri­tisch [ˈdɑː­bɪ] oder US-ame­ri­ka­nisch [ˈdɜr­bi]), häu­fig auch Lokal­der­by, bezeich­net eine Aus­tra­gung im Mann­schafts­sport, bei der zwei meist riva­li­sie­ren­de Sport­ver­ei­ne einer Regi­on auf­ein­an­der­tref­fen. Für die Fans der betrof­fe­nen Ver­ei­ne haben sol­che Ereig­nis­se häu­fig eine hohe sym­bo­li­sche Bedeu­tung.

Wiki­pe­dia: Der­by

Der VfB Stutt­gart und die TSG Hof­fen­heim sind tat­säch­lich zwei Mann­schaf­ten aus der­sel­ben Regi­on. Riva­li­sie­ren­de Ver­ei­ne sind sie aber aus­schließ­lich in dem Aspekt, dass sie in der glei­chen Liga spie­len und des­halb gezwun­ge­ner­ma­ßen zwei­mal im Jahr um Punk­te kämp­fen. Und eine hohe sym­bo­li­sche Bedeu­tung haben die Spie­le (zumin­dest für Fans des VfB) auch nicht – erst recht nicht, wenn man sie bei­spiels­wei­se mit der Bedeu­tung eines Spiels des VfB mit dem KSC ver­gleicht.

Die Defi­ni­ti­on gibt also all denen recht, die schon seit lan­gem behaup­ten, dass Spie­le zwi­schen Hof­fen­heim und Stutt­gart oder auch Frei­burg und Stutt­gart kei­ne Der­bys sind. Der SWR spricht dabei ger­ne von „Süd­west-Duel­len“. Sky als über­tra­gen­der Sen­der spricht hin­ge­gen vom „Baden-Würt­tem­berg-Der­by“.

Fans von Hof­fen­heim sehen das Spiel als „Der­by“ an. Sie agie­ren aber aus einer unter­le­ge­nen Posi­ti­on, denn VfB-Fans schau­en ein­fach dar­über hin­weg. Der VfB hat­te schon vor der TSG gefes­tig­te Riva­li­tä­ten. Das Der­by gegen Karls­ru­he ist nicht nur bri­sant, weil die Teams aus dem glei­chen Bun­des­land kom­men. Hier spielt die Haupt­stadt von Schwa­ben gegen die aus Baden. Karls­ru­her füh­len sich schon seit Jahr­zehn­ten von der Lan­des­haupt­stadt gegän­gelt und benach­tei­ligt. Aus die­ser lokal­po­li­ti­schen Bri­sanz ent­stand dann eine sport­li­che. Was gibt es zwi­schen der Metro­pol­re­gi­on Mann­heim-Hei­del­berg und Sins­heim zu berich­ten? Nichts bis gar nichts.

Mei­ne Bezie­hung zur TSG Hof­fen­heim

Nun habe ich per­sön­lich eine etwas ande­re Bezie­hung zu Hof­fen­heim: Auf­ge­wach­sen im tiefs­ten Baden, 20 Auto­mi­nu­ten vom Sta­di­on in Sins­heim und fast aus­schließ­lich unter Hof­fen­heim-Fans um mich her­um, waren Aus­flü­ge in die „Wir­sol Rhein-Neckar Are­na“ der TSG häu­fi­ger an der Tages­ord­nung als ins Neckar­sta­di­on. Spie­le zwi­schen dem VfB und der TSG hat­ten für mich eine grö­ße­re Bedeu­tung. Das 5:1 des VfB schau­te ich mit fünf ande­ren Hof­fen­heim-Fans zusam­men, einen 2:1‑Auswärtssieg des VfB erleb­te ich dank einer gelie­he­nen Dau­er­kar­te im „Steh­block“ der TSG, bei dem ich mich arg zurück­hal­ten muss­te, um nicht in die Wech­sel­ge­sän­ge „VfB – VfB“ ein­zu­stim­men, die das gan­ze Spiel über durchs Sta­di­on hall­ten.

Aber auch für mich war das aktu­el­le Spiel zwi­schen der TSG und dem VfB kein Der­by. Denn für Der­bys braucht man eine jah­re­lan­ge Riva­li­tät, die ent­spre­chend geschürt wer­den muss und vie­le kämp­fe­ri­sche Duel­le braucht. Abso­lu­ter Ein­satz, Wil­le und Kampf sind bei einem Der­by das Min­des­te. Das alles gibt es zwi­schen dem VfB und der TSG nicht.

Abso­lu­ten Ein­satz­wil­len braucht der VfB momen­tan in jedem Spiel des Abstiegs­kamp­fes und gegen die Trup­pe aus Hop­pen­heim, künst­lich hoch­ge­züch­tet von einem Inves­tor, der – und da muss ich ihn ver­tei­di­gen – sehr viel Geld für gute Zwe­cke in der Regi­on inves­tiert, aber eben auch einen Erst­li­ga­klub haben woll­te und dafür „sei­nen“ Ver­ein, den er seit über 30 Jah­ren unter­stützt, aus­ge­wählt hat.

Ich ver­ach­te Hof­fen­heim nicht. Ich kann nur dar­über lächeln. Genau­so wie ich dar­über lächeln kann, dass sich Hof­fen­heim-Fans jedes Jahr auf den Kopf stel­len, um irgend­ei­ne Bedeu­tung für das Spiel her­bei­zu­fan­ta­sie­ren. Denn für VfB-Fans sind die Spie­le gegen Tra­di­ti­ons­ver­ei­ne wie Frank­furt, Dort­mund, Schal­ke, Glad­bach, Her­tha und auch Mün­chen bedeut­sa­mer.

Zum aktu­el­len „Duell“

Die Iden­ti­fi­ka­ti­on von VfB-Fans mit ihrer Mann­schaft und die von Hof­fen­heim-Fans mit ihrer Mann­schaft ist eine grund­le­gend ande­re. Wenn der VfB ver­lo­ren hat, herrscht in Stutt­gart zwei Tage lang noch dicke­re Luft als sonst. Die Stim­mung ist schlecht. Wenn Hof­fen­heim ver­lo­ren hat, nimmt man das eher ach­sel­zu­ckend zur Kennt­nis.

Glei­ches gilt für das Sta­di­on­er­leb­nis. Wenn der VfB spielt, sind 50.000 Fans dabei und die Can­stat­ter Kur­ve brüllt sich 90 Minu­ten die See­le aus dem Leib. Wenn Hof­fen­heim spielt, herrscht dort oft eine Stim­mung wie auf der Haupt­tri­bü­ne in Bad Can­statt – im Steh­block, wohl­ge­merkt. Das Publi­kum in Bad Can­statt besteht aus Fans, die seit sie 5 oder 6 Jah­re alt sind, für die­sen Ver­ein bren­nen – auch die auf der Haupt­tri­bü­ne. Das Publi­kum in Hof­fen­heim besteht aus Zuschau­ern, die zu schau­en.

Das merkt natür­lich auch ein Ste­ven Zuber. Vor dem Duell gegen Han­no­ver stand ganz Stutt­gart unter Strom. Die Erleich­te­rung, die das Neckar­sta­di­on bei sei­nem 3:1 explo­die­ren ließ, wird er so nie­mals in Hof­fen­heim erle­ben. Die Freu­de über das 1:1 gegen Hof­fen­heim aus hei­te­rem Him­mel ließ das Sta­di­on beben. Für einen Spie­ler wie Zuber, der sowie­so kämp­fe­risch spielt, der ackert und wie Hitzl­sper­ger über ihn sag­te, einer der flei­ßigs­ten im Trai­ning ist, muss das eine ande­re Welt sein. Ich ver­ste­he abso­lut, dass er sich sofort mit dem VfB iden­ti­fi­ziert hat und in die­ser Hin­sicht wür­de ein „ver­steck­ter“ Jubel auch für ihn selbst gar kei­nen Sinn machen. Ja, die TSG ist sein Arbeit­ge­ber. Aber auch nicht mehr.

Und es ist auch ver­ständ­lich, dass die Hof­fen­heim-Fans das nicht gut fin­den. Denn der­ar­ti­ge emo­tio­na­le Aus­brü­che gibt es dort nicht. Bei den wüten­den Fans in den Sozia­len Medi­en han­delt es sich zum gro­ßen Teil um Unver­ständ­nis und ent­täusch­te Lie­be. Unver­ständ­nis, dass ein Spie­ler der eige­nen Mann­schaft sich so schnell mit sei­nem neu­en Team iden­ti­fi­ziert, ein Team, das auch noch schlech­ter spielt als das eige­ne. Ent­täusch­te Lie­be, weil er Hof­fen­heim ganz offen­sicht­lich nicht die Wert­schät­zung ent­ge­gen­bringt wie dem VfB.

Die Reak­ti­on der Hof­fen­heim-Fans ist genau­so ver­ständ­lich wie offen­ba­rend. Denn sie zeigt, dass die Fan­kul­tur in Stutt­gart und Hof­fen­heim auf ganz ande­ren Ebe­nen statt­fin­det. Und des­halb wird auch das Duell gegen Hof­fen­heim noch lan­ge kein Der­by sein.

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