Danke für nichts!

Nach dem ent­täu­schen­den 1:3 in Ber­lin fragt sich der geneig­te VfB-Fan: War­um tue ich mir das eigent­lich noch an? Ein Rei­se­be­richt.

Natür­lich bin ich sel­ber schuld. Ich hät­te Sams­tag aus­schla­fen, mir das trotz des Heim­siegs gegen Mön­chen­glad­bach kei­nes­falls über­ra­schen­de Gegur­ke mei­nes Her­zens­ver­eins am Fern­se­her anschau­en, mich irgend­wann ins Bett legen und vom Sieg im Rele­ga­ti­ons­po­kal träu­men kön­nen. Statt­des­sen hat­te ich mir letz­te Woche in den Kopf gesetzt, dass ich die Mann­schaft im Brust­ring in den letz­ten vier Liga- und den wahr­schein­lich statt­fin­den­den zwei Rele­ga­ti­ons­spie­len vor Ort unter­stüt­zen will. Noch ein­mal durch­zie­hen, bevor sich im Som­mer die Prio­ri­tä­ten kom­plett ver­schie­ben. Immer­hin ist Darm­stadt ein wenig näher an Ber­lin als Stutt­gart, was mir unge­fähr 90 Minu­ten mehr Schlaf bescher­te als Frank, der mich in Süd­hes­sen auf­ga­bel­te.

Da waren wir also, zwei VfB-Fans, von der irri­gen Annah­me getrie­ben, die Mann­schaft wür­de uns für das frü­he Auf­ste­hen und die absol­vier­ten Kilo­me­ter beloh­nen. Der Vor­teil am Sams­tag­mor­gen ist ja, dass die Auto­bahn noch rela­tiv leer ist, so dass man am ers­ten Wochen­en­de im Mai eigent­lich eine recht ent­spann­te Fahrt haben müss­te. Spä­tes­tens in Mit­tel­hes­sen stell­te sich das als Trug­schluss her­aus, als der Regen, der uns seit Darm­stadt beglei­tet hat­te, bei einem hal­ben Grad Cel­si­us unter Null in Schnee umschlug. Erst leich­ter, der nur durch die Luft fliegt, dann sol­cher, der auf dem Sei­ten­strei­fen lie­gen blieb — und auf den Bäu­men, was das sku­r­il­le Wet­ter­bild abrun­de­te, denn grü­ne Laub­bäu­men sieht man sel­ten schnee­be­deckt. Wei­ter also, auf die A4 Rich­tung Thü­rin­gen, im Schnee­ge­stö­ber. Je näher wir der Bun­des­haupt­stadt kamen, des­to wär­mer wur­de es über­ra­schen­der­wei­se und als wir schließ­lich vorm Olym­pia­sta­di­on, wel­ches ich zuletzt 2013 beim Pokal­fi­na­le und bis dahin noch nie zu einem Aus­wärts­spiel bei der Her­tha betre­ten hat­te, park­ten, hat­ten wir die gan­ze Mise­re des VfB ein­mal von vor­ne bis hin­ten durch­dis­ku­tiert.

Auf Gladbach aufbauen?

Was konn­ten wir und die ande­ren knapp 5.000 Stutt­gar­ter, die ent­we­der am Sams­tag oder schon am Frei­tag die Rei­se nach Ber­lin ange­tre­ten hat­ten, im wei­ten, halb­lee­ren Rund des Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­ons erwar­ten? Zumin­dest eine Leis­tung, die auf der gegen Glad­bach auf­baut, die ver­sucht, den Heim­sieg gegen die Borus­sia zu “ver­edeln”, wie es Tay­fun Korkut frü­her nann­te. Oder etwa nicht? Schließ­lich hat­te die Her­tha seit über 300 Minu­ten das Tor nicht mehr getrof­fen und war seit März sieg­los. Zudem ist sie sowohl Abstiegs­ängs­ten als auch Euro­pa­po­kal­träu­men ent­le­digt. Es hät­te also nichts dage­gen gespro­chen, dass der VfB die­se Situa­ti­on aus­nutzt und zumin­dest in Sachen direk­ter Abstieg für Klar­heit zwi­schen sich und der Kon­kur­renz aus Nürn­berg und Han­no­ver sorgt.

Statt­des­sen sahen wir, übri­gens mit der exakt glei­chen Start­elf wie in der Vor­wo­che, behä­bi­ges Auf­bau­spiel, das meis­tens dar­in gip­fel­te, dass ein Spie­ler der Heim­mann­schaft zuerst am Ball war oder zumin­dest den Pass­weg so geschickt zustell­te, dass die Brust­ring­trä­ger nur zurück, aber nicht vor(-wärts) kamen. Konn­te sich der VfB gegen Glad­bach noch ein ums ande­re Mal über die Flü­gel durch­set­zen, war in Ber­lin an der Sei­ten­li­nie rela­tiv schnell Schluss, also der Ball ent­we­der weg oder wie­der in der Hälf­te des VfB. Bezeich­nend, dass das ein­zi­ge Stutt­gar­ter Tor am Sams­tag­nach­mit­tag aus Bor­na Sosas Halb­feld­flan­ke resul­tier­te, als sich Her­thas Abwehr schon im Fei­er­abend befand. Der Kopf­ball von Mario Gomez war übri­gens trotz fünf Eck­bäl­len der ein­zi­ge Schuss des VfB aufs Tor. Bei allen ande­ren Ver­su­chen waren die Ber­li­ner wie bereits erwähnt schnel­ler am Ball oder der die­ser ging mal knapp, mal so mei­len­weit am Tor vor­bei, wie beim unüber­leg­ten Abschluss von Nico Gon­zá­lez. Das Grund­pro­blem des Stutt­gar­ter Abstiegs­kampfs blieb also bestehen: Wir sind offen­siv zu leicht aus­zu­rech­nen.

Vorne nichts, hinten nichts

Das liegt auch dar­an, dass das Umschalt­spiel über­haupt nicht funk­tio­nier­te. Dani­el Dida­vi ver­sprang schon in der Vor­wo­che der Ball mehr­fach bei der Annah­me. Dies­mal brauch­te er häu­fig viel zu lan­ge, um das Spiel­ge­rät nach vor­ne zu brin­gen, weil er gefühlt erst­mal in drei Zügen wen­den muss­te, bevor er Fahrt Rich­tung Her­tha-Tor auf­neh­men konn­te. Hin­zu kam, dass sei­ne Neben­leu­te in der Rau­te, Beck und Aogo, in die­sem Spiel weder “online”, noch “Signal­spie­ler” waren, son­dern Funk­stil­le hat­ten. Ohne Umschalt­spiel, ohne Durch­set­zungs­kraft auf den Flü­geln hin­gen natür­lich auch Gon­zá­lez und Donis ziem­lich in der Luft, stell­ten sich aber vor­ne auch nicht wirk­lich geschickt an. Beson­ders Donis ließ ja zuletzt weder an Wein­zierl ein gutes Haar noch jeg­li­che Selbst­kri­tik erken­nen. Ange­sichts sei­ner Leis­tung in Ber­lin — in 67 Minu­ten sechs Kilo­me­ter Lauf­leis­tung, nur 13 Sprints — wäre es viel­leicht bes­ser, er zeigt mal über mehr als 90 Minu­ten eine anspre­chen­de Leis­tung, bevor er die Klap­pe so weit auf­reißt. 

Aber gut, auch beim letz­ten Heim­sieg hat­te die VfB-Offen­si­ve nicht durch Gefähr­lich­keit geglänzt, war es vor allem der Schlitz­oh­rig­keit von Donis zu ver­dan­ken, dass man in Füh­rung ging und dem Tor­wart­spiel von Zie­l­er, dass man nicht gleich in Rück­stand geriet. Man hät­te sich ja so immer­hin noch zu einem 0:0 rum­peln, Han­no­ver in die Zweit­klas­sig­keit schi­cken und Nürn­berg auf sechs Punk­te distan­zie­ren kön­nen. Aber nein. So sicher die Abwehr die Füh­rung vor Wochen­frist über die Zeit gebracht hat­te, so dumm stell­te sich sie sich bei den Gegen­to­ren 68, 69 und 70 die­ser Sai­son an. Zwei­mal konn­te die Her­tha einen Abpral­ler ver­wer­ten, nach­dem sie zwei­mal sträf­lich frei zum Schuss kam. Beim drit­ten Mal ließ sich Ozan Kabak, der sein bis­her schlech­tes­tes Spiel im Brust­ring mach­te, zu allem Über­fluss auch noch über­lau­fen. Aber da war sowie­so schon alles irgend­wie egal.

Nichts passiert

Denn schon vor, aber erst recht nach dem Sei­ten­wech­sel hat­ten wir nicht das Gefühl, als wür­de sich an der Aus­sicht auf eine Heim­fahrt ohne Punk­te etwas ändern. Wir haben den 32. Spiel­tag, die Mann­schaft hat in den 31 Spie­len vor­her zwei Trai­ner ver­schlis­sen, steht auf einem Rele­ga­ti­ons­platz, Du hast noch über 600 Kilo­me­ter Auto­bahn vor Dir und es pas­siert: Nichts. Das heißt, anwe­send waren sie natür­lich schon auf dem Platz, die Brust­ring­trä­ger, aber mehr auch nicht. Sie scho­ben sich wei­ter­hin die Bäl­le hin- und her und auch die Wech­sel von Nico Wil­lig ver­mit­tel­ten nicht den Ein­druck, als habe er den Mas­ter­plan im Hin­ter­kopf, um sei­ner Mann­schaft neu­es Leben ein­zu­hau­chen: Gomez fiel immer­hin eine Flan­ke auf den Kopf, aber Ess­wein für Donis und Gent­ner für Beck sind nun­mal nicht der Stoff, aus dem Träu­me einer Auf­hol­jagd gemacht sind. Man muss sich fast schon dafür schä­men, dass eine Mann­schaft wie Nürn­berg trotz des betrie­be­nen Auf­wands in der Tabel­le immer noch hin­ter unse­rer Rum­pel­trup­pe ran­giert.

Es wäre eine Chan­ce für sie gewe­sen, zu zei­gen, dass man end­lich kapiert hat, wor­um es geht. Dass es viel­leicht wirk­lich zu gro­ßen Tei­len auch an Kor­kuts Kon­zept­lo­sig­keit, Wein­zier­ls Ein­falls­lo­sig­keit und Resch­kes fal­schem Ver­ständ­nis sei­nes Amtes lag, dass wir in die­ser Situa­ti­on ste­cken. Aber nein. Statt­des­sen schenkt man einer ähn­lich kata­stro­pha­len Mann­schaft wie Schal­ke den Klas­sen­er­halt und lässt die Ver­fol­ger noch eine Woche län­ger auf die Rele­ga­ti­on hof­fen. Es wür­de mich nicht wun­dern, wenn der VfB ohne einen wei­te­ren Sieg in die Ent­schei­dungs­spie­le gegen den Tabel­len­drit­ten der zwei­ten Liga stol­pert, ein­fach nur weil man eben die­se fünf Punk­te Vor­sprung bei nur noch sechs zu ver­ge­ben­den Punk­ten hat. Es reicht ja, denn das Röss­le springt bekannt­lich nur so hoch, wie es muss. Dann braucht mir aber auch kei­ner mehr was vom Rele­ga­ti­ons­po­kal zu erzäh­len.

Umsonst

Lie­be VfB-Mann­schaft, ihr habt es mal wie­der, ent­schul­digt die Aus­drucks­wei­se, ver­kackt. Ihr habt Euch letz­te Woche die Kur­ve ver­dient, am Sams­tag habt ihr sie, oder zumin­dest Euren Lohn in Form von Anfeue­rung, wie­der ver­lo­ren. Denn irgend­wann in der zwei­ten Halb­zeit war es auch dem Letz­ten im Gäs­te­block zu doof, die­se Dar­bie­tung der Ein­falls­lo­sig­keit mit Fan­ge­sän­gen zu hono­rie­ren. Die gan­ze Sze­ne­rie lässt sich am Bes­ten mit einem Wort beschrei­ben: trost­los. Immer­hin blie­ben wir auf der Rück­fahrt von extre­men Wet­ter­ereig­nis­sen ver­schont und als ich kurz vor Mit­ter­nacht ins Bett fiel, frag­te ich mich, war­um ich mir das eigent­lich antue. Nächs­te Woche möch­te Wolfs­burg den Sprung auf Platz 4 machen und wahr­schein­lich, mitt­ler­wei­le muss man sagen hof­fent­lich, ist das letz­te Spiel in Gel­sen­kir­chen für die Tabel­le egal. Und gen­aus so wer­den sie auch spie­len, auch wenn ihnen dann wie­der meh­re­re tau­send Brust­ring­trä­ger hin­ter­her rei­sen, in der Hoff­nung, von der Mann­schaft ihres Lieb­lings­ver­eins wenigs­tens ab und zu mal etwas zurück zu bekom­men. Umsonst.

Ach­ja: Auf den uns ver­sag­ten Hand­elf­me­ter und den unsäg­li­chen VAR-Quatsch möch­te ich an die­ser Stel­le gar nicht ein­ge­hen. Natür­lich regt mich das auf, aber einen Unter­schied hät­te es für uns bei die­ser Leis­tung nicht gemacht. Kein Ali­bi, kei­ne Aus­re­de für die­ses Gewür­ge.

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