Alte Probleme, neue Lösungen

Beim Heim­spiel des VfB am gest­ri­gen Abend sah es gehen den Ham­bur­ger SV lan­ge so aus, als wür­den die Brust­ring­trä­ger von den Pro­ble­men der Hin­run­de ein­ge­holt. Dass trotz zahl­rei­cher ver­ge­be­ner Chan­cen am Ende ein 2:1‑Sieg stand, tut gut. Und lässt Hoff­nun­gen für die nächs­ten Spie­le auf­kei­men.Es war wie­der wie ver­hext und so fühl­ten sich auch die VfB-Fans im mäßig gefüll­ten Neckar­sta­di­on: Der VfB domi­nier­te wie schon zu Beginn der Hin­run­de den Geg­ner, erar­bei­te­te sich Chan­ce um Chan­ce, nur um die­se dann genau­so slap­stick-mäßig zu ver­ge­ben, wie im August 2015. Timo Wer­ner hät­te den HSV ges­tern im Allein­gang abschie­ßen kön­nen. Schon zur Halb­zeit mach­te sich in der Cannstat­ter Kur­ve die Befürch­tung breit, wie so häu­fig in den zwei­ten 45 Minu­ten für die schlech­te Chan­cen­ver­wer­tung bestraft zu wer­den. Immer­hin: Erneut konn­te man der Mann­schaft nicht man­geln­des Enga­ge­ment auf dem Platz vor­wer­fen, die  vie­len Tor­chan­cen waren ein Resul­tat der har­ten Arbeit der Brust­ring­trä­ger. Es offen­bar­te sich aber auch eine Schwä­che, die der VfB immer noch hat: Gegen tief­stehen­de Mann­schaf­ten fehlt es an einem schlüs­si­gen Kon­zept, wie man in aus­sichts­rei­cher Posi­ti­on vors Tor kommt. Sobald der HSV hin­ten zumach­te, blieb den Brust­ring­trä­gern nichts ande­res übrig, als den Ball hin- und her zu schie­ben.

Flutlicht, Regen: Es war angerichtet für ein Kampfspiel. Bild: © Eric C. Späte
Flut­licht, Regen: Es war ange­rich­tet für ein Kampf­spiel. Bild: © Eric C. Spä­te

Nach der Pau­se nahm der Druck des VfB auf das Tor von Rene Adler noch zu und dann pas­sier­te etwas, das man fast schon als magisch bezeich­nen konn­te. Der gan­ze Druck auf das Tor, die gan­ze Anspan­nung bei Spie­lern und Fans ent­lud sich, als Dani­el Dida­vi nach zigs­ten Ecke den Ball so ener­gisch aufs Tor köpf­te, dass Aaron Hunt sich die­sen nur noch über die eige­ne Linie drü­cken konn­te. Das Sta­di­on explo­dier­te und man hat­te das Gefühl, dass es der VfB end­lich wie­der schafft, das Glück auf sei­ne Sei­te zu zwin­gen. Noch in der Hin­run­de wäre wahr­schein­lich auch die­ser Angriff ver­pufft und die Mann­schaft in jene Lethar­gie ver­fal­len, aus der spä­te Gegen­tref­fer resul­tie­ren. Aber gera­de in dem Moment, als man als Zuschau­er befürch­ten muss­te, dass man für die Pro­ble­me der Hin­run­de immer noch kei­ne Lösung gefun­den hat­te, hat­te der VfB eine Lösung parat.

Es läuft

Natür­lich ist es nicht nur die pure Wil­lens­stär­ke der Mann­schaft, die sich hier zwei­mal nicht mit einem Unent­schie­den zufrie­den geben woll­te. Genau­so wich­tig war, dass der VfB den Lauf, in dem er sich seit dem Wolfs­burg-Spiel befin­det, fort­set­zen konn­te. Drei ver­dien­te Sie­ge in Fol­ge gab es zuletzt zum Ende der ver­gan­ge­nen Sai­son, ins­ge­samt hat der VfB unter Kram­ny seit der Klat­sche in Dort­mund kein Spiel mehr ver­lo­ren.

Und so pass­te es dann auch ins Nar­ra­tiv und vor allem in den Lauf des VfB, dass der zuvor ein­ge­wech­sel­te Maxim, der auf­grund Dani­el Dida­vis über­ra­gen­der Leis­tun­gen viel Zeit auf der Bank ver­bringt, eine Zucker­flan­ke auf den Kopf des eben­falls ein­ge­wech­sel­ten Artem Kra­vets schlug, des­sen Kopf­ball immer län­ger wur­de, sich schließ­lich unter der Quer­lat­te ins Tor senk­te und das Sta­di­on zum zwei­ten Mal am Sams­tag­abend explo­die­ren ließ:

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Kram­ny hat­te den Sieg ein­ge­wech­selt. Wann ist das zuletzt einem VfB-Trai­ner gelun­gen?

Läuft’s so weiter?

Die aktu­el­le Situa­ti­on ist außer­ge­wöhn­lich. Nicht nur, weil der VfB mit­ten in der Sai­son und nicht erst gegen Ende der Spiel­zeit einen Lauf star­tet. Son­dern auch weil Sachen gelin­gen, von denen der VfB-Fan kaum noch wuss­te, dass die Mann­schaft dazu in der Lage ist. Der VfB dreht Spie­le, der VfB trifft nach Stan­dards, der VfB kon­tert. Nach all den gru­se­li­gen Spie­len, die man in den let­zen Jah­ren erdul­den muss­te, nach dem gan­zen Herz­schmerz, der mit jeder Nie­der­la­ge — egal ob ver­dient oder unver­dient — ein­her­geht, lernt man als VfB jetzt wie­der, sich nach einem Spiel sei­nes Ver­eins gut zu füh­len.

In Stuttgart darf wieder gefeiert werden. Bild © VfB-Bilder.de
In Stutt­gart darf wie­der gefei­ert wer­den. Bild © VfB-Bilder.de

Der VfB hat jetzt, gehen wir ein­mal davon aus, dass Hop­pen­heim heu­te nicht gegen die Bay­ern gewinnt, sie­ben Punk­te Vor­sprung auf einen direk­ten Abstiegs­platz und ist zudem punkt­gleich mit dem Tabel­len­mit­tel­feld. Natür­lich steht der aktu­el­le Auf­wärts­trend immer noch auf wack­li­gen Bei­nen. Der Aus­gleich der Ham­bur­ger, als weder Flan­ken­ge­ber noch Tor­schüt­ze rich­tig atta­ckiert wur­de und die eine oder ande­re brenz­li­ge Situa­ti­on vor dem Tor von Prze­mys­law Tyton las­sen erah­nen, was dem VfB gegen spiel­stär­ke­re Mann­schaft pas­sie­ren kann: Kas­siert man einen Gegen­tref­fer und muss danach gegen eine gut gestaf­fel­te Abwehr anlau­fen, muss das nicht not­wen­di­ger­wei­se so aus­ge­hen wie in Köln oder ges­tern.

Es erwar­tet aber auch kei­ner, dass der VfB jetzt nach oben durch­mar­schiert. Wich­tig ist es, sich in den Spie­len gegen die direk­ten Kon­kur­ren­ten lang­sam aus der Abstiegs­zo­ne her­aus zu arbei­ten. Bereits am kom­men­den Wochen­en­de hat man in Frank­furt erneut die Gele­gen­heit dazu. Was ich vor einer Woche schrieb, näm­lich dass für einen Sieg gegen den HSV eini­ges zusam­men­kom­men müs­se, das gilt auch für das Ein­tracht-Spiel. Wie man zum Rück­run­den­be­ginn sehen konn­te, sind auch die Frank­fur­ter in der Lage, gegen einen nomi­nell über­le­ge­nen Geg­ner drei Punk­te zu erzwin­gen.

Was einen aber als VfB-Fan jetzt wesent­lich opti­mis­ti­scher stimmt, ist das Selbst­ver­trau­en der Mann­schaft. Und das Gesetz der Serie. Und viel­leicht kommt ja wirk­lich noch ein Innen­ver­tei­di­ger, der den Laden hin­ten auch gegen schwie­ri­ger zu spie­len­de Geg­ner zusam­men­hält. Wie auch immer: Die Sor­gen­fal­ten wer­den erst­mal weni­ger.

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