11 Fragen an einen Aue-Fan

Zum ers­ten Mal tritt der VfB am kom­men­den Sonn­tag im Erz­ge­bir­ge, genau­er gesagt in Aue an. Ähn­lich wie bei Uni­on Ber­lin weiß man als Anhän­ger des Brust­rings nur wenig über die “Veil­chen”. Aue-Fan Jens (@N3bu1us) klärt uns auf.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Jens, vie­len Dank, dass Du Dir die Zeit genom­men hast, mit uns über Dei­nen Ver­ein und das anste­hen­de Spiel gegen den VfB zu reden. Erzähl doch bit­te kurz was über Dich: Seit wann bist Du Aue-Fan und war­um?

Jens: Glück Auf, vie­len Dank, dass ich als Inter­view­part­ner her­hal­ten darf. Ich bin Mit­te 30, bin ver­hei­ra­tet, habe eine Toch­ter und arbei­te im IT-Sek­tor. Auf Twit­ter kann man mei­nem Gezwit­scher als @N3bu1us fol­gen.
Seit wann ich Aue-Fan bin, kann ich eigent­lich gar nicht so leicht beant­wor­ten. Zu DDR-Zei­ten kann­te ich zwar schon die Wis­mut aus Aue, Spie­le hat­te ich jedoch damals lei­der noch nicht besucht.

Man ver­folg­te damals und spä­ter auch eher als neu­tra­ler Beob­ach­ter die Ergeb­nis­se und Tabel­len sämt­li­cher Ligen, was den Fuß­ball vor der eige­nen Haus­tür betrifft natür­lich etwas inten­si­ver. Seit der Regio­nal­li­ga­sai­son 2002/03 bin ich dann regel­mä­ßig ins Sta­di­on gegan­gen und wur­de infi­ziert.

Rund um den Brust­ring: Zu Beginn eine grund­sätz­li­che Fra­ge: Erz­ge­bir­ge oder Wis­mut? Gibt es da in der Fan­sze­ne eine Vor­lie­be, was bedeu­tet Wis­mut eigent­lich und war­um hat man nicht, wie bei­spiels­wei­se Dyna­mo Dres­den, den Namen aus der DDR bei­be­hal­ten?

Jens: Die SDAG (Sowje­tisch-deut­sche Akti­en­ge­sell­schaft) Wis­mut war zu DDR-Zei­ten Trä­ger­be­trieb der BSG (Betriebs­sport­ge­mein­schaft) Wis­mut Aue. Der Name Wis­mut wur­de sei­ner­zeit gewählt um zu ver­schlei­ern, dass in Wirk­lich­keit Uran im Erz­ge­bir­ge gesucht und geför­dert wur­de.

Was den Namen des Ver­eins angeht, ist man etwas gespal­ten. Die akti­ve Fan­sze­ne und auch vie­le ande­re wür­den eine Rück­be­nen­nung in Wis­mut Aue begrü­ßen. Es gibt auch eine gleich­na­mi­ge Initia­ti­ve, die genau das for­dert. Das ist aber nicht so ein­fach. Wis­mut ist immer­noch der Name des Berg­bau­sa­nie­rers Wis­mut GmbH und Fir­men­na­men in Ver­eins­be­zeich­nun­gen sind ja wei­ter­hin nicht erlaubt. Die Rück­be­nen­nung hat man sich daher wohl mit der Umbe­nen­nung 1993 in Erz­ge­bir­ge Aue ver­baut, Grund war der Rück­zug der Wis­mut als För­de­rer. Des Wei­te­ren lie­gen die Rech­te am alten Logo auch nicht mehr beim Ver­ein. Der Name Wis­mut ver­kör­pert die Tra­di­ti­on, die Berg­bau­ge­schich­te, die gro­ßen Erfol­ge zu DDR-Zei­ten: 3 Meis­ter­schaf­ten, 1 Pokal­sieg, 5 Teil­nah­men an inter­na­tio­na­len Wett­be­wer­ben.

Unter dem Namen Erz­ge­bir­ge Aue konn­te man sich jedoch bun­des­weit einen Namen machen, er steht für die Nach­wen­de­zeit und die Erfol­ge, die man seit­her fei­ern konn­te. Erz­ge­bir­ge Aue steht für die gan­ze Regi­on, nicht nur für die Stadt Aue. Der Name Wis­mut Aue ist ja mit der Umbe­nen­nung nicht gestor­ben, er ist halt nur der inof­fi­zi­el­le Name.

Rund um den Brust­ring: Aue ist 2003 erst­mals in die 2. Bun­des­li­ga auf­ge­stie­gen und hat sich dort bis auf zwei Abste­cher ziem­lich lan­ge gehal­ten. Obwohl Ihr seit der Wen­de nie tie­fer als dritt­klas­sig gespielt habt, ist der Ver­ein vie­len Men­schen außer­halb von Sach­sen nicht unbe­dingt ein Begriff. Was ist das beson­de­re an Aue, dass sich ein Ver­ein aus einer 16.000-Einwohner-Stadt so lan­ge so weit oben hält, im Gegen­satz zu vie­len ehe­mals erfolg­rei­che Ver­ei­nen aus den neu­en Bun­des­län­dern, die es nicht geschafft haben, sich zu eta­blie­ren?

Jens: Neben mir haben auch vie­le ande­re die Erfah­rung gemacht, dass sich der FC Erz­ge­bir­ge Aue im gesam­ten Bun­des­ge­biet in den nun­mehr elf Jah­ren zwei­te Liga durch­aus einen Namen gemacht hat. Im Ober­haus wur­de er sicher­lich nicht so wahr­ge­nom­men wie bei Zweit­li­ga­ver­ei­nen. Auch auf dem Gebiet der ehe­ma­li­gen DDR ist man natür­lich gut bekannt.

Wir hat­ten ver­mut­lich das Glück, uns nach Wen­de nicht direkt für die zwei­te Bun­des­li­ga zu qua­li­fi­zie­ren. Klingt doof, ist aber so. Wir waren dadurch nicht inter­es­sant für win­di­ge Geschäf­te­ma­cher und Blen­der. Die­se such­ten sich die Aus­hän­ge­schil­der des Ost­fuß­balls aus. Als sich der Erfolg nicht ein­stell­te, waren die­se Gestal­ten schnel­ler wie­der weg als sie gekom­men sind und lie­ßen die Ver­ei­ne in einer Markt­wirt­schaft zurück, mit der kei­ner der Ver­ant­wort­li­chen gelernt hat­te umzu­ge­hen.

Es ist ja nicht so, dass wir kei­ne Geld­pro­ble­me gehabt hät­ten oder mit den Tücken der Markt­wirt­schaft von Anfang an zurecht­ge­kom­men sind. Aber was gezählt hat, war ehr­li­che Arbeit. Alle Ver­ant­wort­li­chen im Ver­ein haben es ehren­amt­lich gemacht, waren aus der Regi­on, sie haben also aus ande­ren Beweg­grün­den gehan­delt. Die­se man­geln­den pro­fes­sio­nel­len Struk­tu­ren waren natür­lich auch immer zurecht ein Kri­tik­punkt.

Wir haben im Gegen­satz zu ande­ren ein­fach klei­ne­re Bröt­chen geba­cken und sind damit ganz gut gefah­ren.

Rund um den Brust­ring: Im ver­gan­ge­nen Jahr gelang Euch der direk­te Wie­der­auf­stieg aus der 3. Liga. Wie ist man in Aue an die Spiel­zeit her­an­ge­gan­gen? Bestand, wie der­zeit beim VfB, der unbe­ding­te Druck, sofort wie­der hoch zu gehen?

Jens: Wir sind nach dem Abstieg defi­ni­tiv mit ande­ren Vor­aus­set­zun­gen und Erwar­tun­gen in die neue Sai­son gegan­gen als der VfB Stutt­gart in die­sem Jahr. Wir hat­ten eine nahe­zu kom­plett neue Mann­schaft, einen neu­en Trai­ner und sonst nur die Hoff­nung, nicht durch­ge­reicht zu wer­den, vom finan­zi­el­len Ader­lass ganz zu schwei­gen. Für uns hieß es defi­ni­tiv vor der Sai­son, erst­mal den frei­en Fall zu stop­pen. Mit ent­spre­chend schlech­ten Ergeb­nis­sen, nicht schlech­ten Spie­len, sind wir dann auch gestar­tet.

Dass irgend­wann das Unter­neh­men Wie­der­auf­stieg ange­gan­gen wer­den muss, war aber klar. Jeder wuss­te doch, dass es ein paar Jah­re dau­ert. Aber schon nach weni­gen Spie­len konn­te man sehen, wel­ches Poten­zi­al in der neu­en Mann­schaft schlum­mert. So war es ganz natür­lich, dass sich nahe­zu jeder frü­her oder spä­ter mit dem The­ma „direk­ter Wie­der­auf­stieg“ befas­sen muss­te.

Rund um den Brust­ring: Aktu­ell steckt ihr erneut mit­ten im Abstiegs­kampf. Am letz­ten Wochen­en­de habt ihr in Würz­burg 1:1 gespielt, davor gab es vier teils def­ti­ge Nie­der­la­gen und ein Sieg gegen St. Pau­li. Traust Du der Mann­schaft den Klas­sen­er­halt zu?

Jens: Ganz klar: ja! Nach­dem sich unser Tor­hü­ter Mar­tin Män­nel ver­letzt hat­te, ist man in ein Loch gefal­len. Die Abwehr war nicht mehr so sat­tel­fest wie vor­her. Die Abwehr­spie­ler hat­ten plötz­lich Angst Feh­ler zu machen und mach­ten sie prompt. Vor der Ver­let­zung von Mar­tin kas­sier­ten wir im Schnitt 1 Tor pro Spiel, danach waren es im Schnitt 2,75. Das ist ein Grund für die aktu­el­le Situa­ti­on. Dann ist uns in Liga 2 auch etwas die Durch­schlags­kraft abhan­den gekom­men. 1,21 geschos­se­ne Tore pro Spiel (17 ins­ge­samt) ist aber nicht der schlech­tes­te Wert der Liga. So hat der 1.FC Kai­sers­lau­tern erst 10 Tore in 14 Spie­len erzielt, Hei­den­heim auf Platz 4 erst 19.

Wir haben kei­ne schlech­ten Spie­le abge­lie­fert. Meis­tens sprach sogar die Sta­tis­tik für uns. Für die B‑Note gibt es aber halt kei­ne Punk­te. Wir hat­ten unse­re Chan­cen, nutz­ten sie aber nicht. Hin­zu kamen irr­wit­zi­ge Schieds­rich­ter­ent­schei­dun­gen wie im Spiel gegen 1860. Man­che Geg­ner  wuss­ten nach dem Spiel nicht mal, wie sie das Spiel gewon­nen haben. Letzt­end­lich haben wir uns oft­mals selbst besiegt.

Rund um den Brust­ring: Was sind die Stär­ken Eurer Mann­schaft? Wie kön­nen die Lila-Wei­ßen dem VfB gefähr­lich wer­den?

Jens: Unse­re Stär­ke war immer der Kampf, zuhau­se, am liebs­ten im Win­ter. Ver­mut­lich müs­sen wir die spie­le­ri­sche Kom­po­nen­te wie­der aus Acht las­sen. So sahen wir auch gegen Han­no­ver eigent­lich nicht schlecht aus. Wir dür­fen Stutt­gart nicht spie­len las­sen. Wir müs­sen Euch den Kampf auf­zwin­gen, 90 Minu­ten lang bei­ßen. Mit etwas Glück, kön­ne wir dann etwas zähl­ba­res hier behal­ten. Zur Not hilft ein mas­si­ver Win­ter­ein­bruch.

Rund um den Brust­ring: Und wor­an hapert es momen­tan, was sind die Schwä­chen?

Jens: Das sind die Punk­te, die ich wei­ter oben schon ange­spro­chen habe. Wir nut­zen vorn unse­re Chan­cen nicht und machen momen­tan hin­ten zu vie­le Feh­ler. Und wenn es nicht der Geg­ner nicht schafft, dann legen wir uns die Din­ger halt selbst rein.

Rund um den Brust­ring: Wahr­schein­lich der ein­zi­ge Spie­ler in Eurem Kader, den VfB-Fans ein wenig bes­ser ken­nen, ist Chris­ti­an Tif­fert, der Anfang des Jahr­tau­sends sechs Jah­re lang mit dem Brust­ring auf­lief und seit 2015 bei Euch spielt. Wel­chen Stel­len­wert hat Tif­fi in Eurer Mann­schaft?

Jens: Als Chris­ti­an Tif­fert im letz­ten Jahr ver­pflich­tet wur­de, war es schon eine klei­ne Über­ra­schung, war er doch schon in Fuß­bal­ler­ren­te. Pavel Dot­chev schon­te Chris­ti­an die ers­ten Spiel und führ­te ihn lang­sam wie­der her­an. Er wur­de von Spiel zu Spiel bes­ser und war am Ende einer der Garan­ten für den Auf­stieg. In die­ser Sai­son hat er ein wenig Pro­ble­me, wie ande­re Spie­ler auch. Er ist, wenn er spielt, ein Ruhe­pol mit Über­sicht. Das macht ihn zu einem enorm wich­ti­gen Teil der Mann­schaft.

Rund um den Brust­ring: Vie­le VfB-Fans sind zum ers­ten Mal im Erz­ge­birgs­sta­di­on. Was erwar­tet uns dort, mal abge­se­hen von der­zeit pro­gnos­ti­zier­ten Tem­pe­ra­tu­ren um den Gefrier­punkt? 😉

Jens: Das Sta­di­on wird momen­tan umge­baut. Ihr kommt lei­der ein Jahr zu spät, sonst hät­tet ihr das alt­ehr­wür­di­ge Old-Otto noch in sei­ner vol­len Pracht genie­ßen kön­nen. Die Haupt­tri­bü­ne und die Hälf­te der zwei­ten Hin­ter­tor­tri­bü­ne wer­den gera­de errich­tet. Ich hof­fe natür­lich, euch erwar­tet trotz Bau­stel­le und Cho­reo-Boy­kott eine tol­le Atmo­sphä­re.

Was euch auf alle Fäl­le erwar­tet, ist lecker Nudel­topp am Imbiss.

Rund um den Brust­ring: Was kann man denn in Aue und Umge­bung sonst so unter­neh­men, wenn man nicht gera­de ins Sta­di­on geht?

Jens: Ihr habt das Glück zur Advents­zeit ins Erz­ge­bir­ge rei­sen zu dür­fen. Das ist hier natür­lich die schöns­te Zeit des Jah­res. Nehmt euch abends die Zeit und fahrt,wenn alles schön leuch­tet, durch die Dör­fer.

Ein Besuch der vie­len Weih­nachts­märk­te oder Berg­pa­ra­den soll­te auch drin sein. Wenn ihr euch nach Abpfiff beeilt, schafft ihr es die 7 km nach Schnee­berg, dort star­tet 16:30 Uhr der Berg­auf­zug. Wenn man mal schon hier ist, kann man auch eines der zahl­rei­chen Schau­berg­wer­ke besu­chen.

Rund um den Brust­ring: Dein Tipp fürs Spiel?

Jens: Ange­sichts unse­rer aktu­el­len Situa­ti­on bin ich lei­der wenig opti­mis­tisch. Ich tip­pe auf eine 0:2 Nie­der­la­ge für den Kum­pel­ver­ein.

Bild: © Veilchenpower.de

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