Zehntausend und drei Punkte mehr

Nach einer tur­bu­len­ten Woche ent­führ­te der VfB am Sams­tag drei Punk­te vom Bet­zen­berg und über­rascht damit all jene, die der Mei­nung waren, jetzt gehe der Ver­ein voll­ends den Bach run­ter. Ein Rück­blick auf ein paar selt­sa­me Tage.

Frü­her, da war es gera­de­zu lang­wei­lig beim VfB. Damals, als Trai­ner am Neckar noch eine Halb­werts­zeit von mehr als 16 Spie­len hat­ten. Mitt­ler­wei­le erfin­det sich unser Lieb­lings­ver­ein immer wie­der neu, wenn es dar­um geht, sei­ne Anhän­ger zu über­ra­schen. Trai­ner­wech­sel im Novem­ber oder nach einer Nie­der­la­ge gegen Augs­burg? Olle Kamel­len. Augs­burg steht eh nicht mehr zur Ver­fü­gung, also tritt unser Trai­ner nach einem mit­tel­mä­ßi­gen Sai­son­start und bei und viel­leicht auch wegen einer ziem­lich mie­sen Stim­mungs­wet­ter­la­ge ein­fach mal nach dem vier­ten Spiel­tag und zwei Tage vorm Spiel beim Tabel­len­letz­ten zurück. Kann man mal machen. Was Tom und ich dazu den­ken, haben wir am Don­ners­tag­abend in einer Son­der­fol­ge des Pod­casts bespro­chen.

Eine Übergangslösung, aber eine sympathische

Am Sams­tag saßen dann also Olaf Jan­ßen, den bis­her glau­be ich kaum jemand wahr­ge­nom­men hat in Stutt­gart, sowie als Inte­rims-Co-Trai­ner Andi Hin­kel und Hei­ko Ger­ber auf der Bank. Als jemand, der Hin­kel und Ger­ber noch hat spie­len sehen und mit ihnen erheb­lich bes­se­re Zei­ten beim VfB erlebt hat, geht mir das Herz auf, wenn ich die bei­den in Diens­ten der ers­ten Mann­schaft sehe. Gleich­zei­tig bin ich aber Rea­list genug um zu wis­sen, dass der Co-Trai­ner der zwei­ten Mann­schaft und der Nach­wuchs­trai­ner wohl kaum den VfB wie­der in Liga 1 hie­ven wer­den.

Andi und Heiko als Co-Trainer. Good old times. Bild © VfB-Bilder.de
Andi und Hei­ko als Co-Trai­ner. Good old times. Bild © VfB-Bilder.de

Jan Schin­del­mei­ser hat bereits klar gemacht, dass man nicht wie in der letz­ten Sai­son aus Man­gel an Krea­ti­vi­tät die Über­gangs­lö­sung aus dem eige­nen Hau­se als Chef­trai­ner instal­lie­ren will. Sehr ver­nünf­tig. Ob Schin­del­mei­sers ande­re Ideen zu die­ser Posi­ti­on das auch sind, wird sich zei­gen.

Aber zum Spiel. Wenig über­ra­schend wur­de Maxim aus der Ersatz­bank-Ver­ban­nung zurück geholt, Timo Baum­gartl durf­te wie­der von Beginn an ran und Jan­ßen hat­te wohl ent­schie­den, dass Toni Sun­jic gegen Hei­den­heim ein wenig weni­ger kata­stro­phal aus­ge­se­hen hat­te als Ste­phen Sama. Hoso­gai war auch wie­der fit und vor­ne durf­te Taku­ma Asa­no von Beginn an ran. Ein paar Ver­än­de­run­gen hat­ten also statt­ge­fun­den und so konn­ten die, wie ich gele­sen habe, über 10.000 mit­ge­reis­ten Stutt­gar­ter, dem Spiel eigent­lich opti­mis­tisch ent­ge­gen­bli­cken. Schlech­ter als Hei­den­heim konn­te es nicht wer­den.

10.000!

Über 10.000 VfB-Fans und eine hübsche Choreo. Bild © VfB-Bilder.de
Über 10.000 VfB-Fans und eine hüb­sche Cho­reo. Bild © VfB-Bilder.de

An die­ser Stel­le mal ein kur­zer Ein­schub. Kann sich irgend­je­mand dar­an erin­nern, wann wir das letz­te Mal mit einer fünf­stel­li­gen Zahl an Gäs­te­fans in einem Liga­spiel auf­ge­schla­gen sind? Ja, die Pfalz ist nicht weit weg, aber den­noch: Was der VfB-Anhang, der ja nach Mei­nung vie­ler Jour­na­lis­ten und von Jos Luhuk­ay ein ganz schwie­ri­ges Kli­en­tel sei, dem man es grund­sätz­lich nie recht machen kön­ne, was die­ser Anhang hier jede Woche in der zwei­ten Liga ver­an­stal­tet ist aller Ehren wert. Sicher­lich gehört da auch viel Neu­gier dazu und die Tat­sa­che, dass wir mal nicht mit einer Nie­der­la­gen­se­rie in die Sai­son star­ten. Aber dass die Leu­te so zahl­reich kom­men, bei Heim- und bei Aus­wärts­spie­len, zeigt: Soll­te es am Ende nicht mit dem Auf­stieg klap­pen, dann hat es mit Sicher­heit nicht an uns Fans gele­gen. Auch wenn mal nach einem schlech­ten Spiel gepfif­fen wird. Durch die jah­re­lan­ge Lei­dens­zeit hat man in Fan­krei­sen ein sehr fei­nes Gespür dafür ent­wi­ckelt, wie man die Mann­schaft anzu­pa­cken hat, auch wenn es nicht immer zum Erfolg führt.

Doch genug der Selbst­be­weih­räu­che­rung.  Kom­men wir zu dem, was mir in Lau­tern wesent­lich bes­ser gefal­len hat als in der Vor­wo­che: Die Offen­si­ve. Asa­no ist offen­sicht­lich eine Berei­che­rung für die Offen­si­ve und auch ins­ge­samt sah das alles wesent­lich flüs­si­ger als vor­her. Das mag auch mit der sehr wack­li­gen FCK-Abwehr zu tun gehabt haben, aber so wie der VfB das 1:0 her­aus­spiel­te — klu­ger Ball auf den Flü­gel, per­fekt getim­te Flan­ke auf den Kopf von Terod­de —  genau so möch­te ich die Mann­schaft Woche für Woche die Chan­cen kre­ieren und ver­wer­ten sehen. Ja, auch ver­wer­ten, denn auch dar­an schei­ter­te der VfB mit die­ser ein­zi­gen Aus­nah­me häu­fi­ger, als einem lieb sein konn­te. Die Moti­va­ti­on ist ja da, wenn Alex Maxim sich vorm 16er den Ball schnappt und durch die Abwehr drib­belt. Er soll­te dann halt aber auch drin sein. Hof­fent­lich kann Dani­el Gin­c­zek hier bald Abhil­fe schaf­fen.

Gegen Braunschweig muss mehr kommen

Und wie das so ist, wenn man vor­ne nicht trifft: Dann brennt es plötz­lich hin­ten. Beim VfB brann­te es bereits von Beginn an ziem­lich lich­ter­loh, bis man sich dann irgend­wann defen­siv im Griff hat­te und offen­siv Akzen­te set­zen konn­te. Aber wer dach­te, dass die Füh­rung dem VfB Sicher­heit geben wür­de, sah sich lei­der erneut getäuscht. Wie­der bet­tel­te die Mann­schaft in ihrer unnach­ahm­li­chen Art um das Gegen­tor und hat­te am Ende vor allem Glück, dass ihr Wunsch nicht in Erfül­lung ging. Zwei­mal blieb den Zehn­tau­send (liest sich ein­fach gut) das Herz ste­hen, als Lau­te­rer frei vor Mitch Lan­ge­rak auf­tauch­ten. Ange­sichts die­ser Sze­nen hät­te man sich auch über ein Remis nicht beschwe­ren dür­fen.

Was bleibt also nach die­sen ereig­nis­rei­chen Tagen? Der VfB hat drei Punk­te mehr auf dem Kon­to und geht als Tabel­len­vier­ter ins Spiel gegen Spit­zen­rei­ter Braun­schweig am Diens­tag. Der VfB geht nicht unter, nur weil der Trai­ner zurück­tritt, aber ein biß­chen weni­ger Tur­bu­len­zen hät­ten uns allen auch nicht gescha­det. Der VfB kann sich auch in die­ser Sai­son auf sei­ne Fans ver­las­sen. Und: Der VfB muss sich gegen Braun­schweig erneut stei­gern, wenn aus dem lau­fen Lüft­chen, das über den Bet­zen­berg weh­te, ein Auf­wind wer­den soll.

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