Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Gladbach-Blogger Michael

Zum Sai­son­ab­schluss reist die Borus­sia aus Mön­chen­glad­bach an den Neckar. Glad­bach-Blog­ger Micha­el erzählt uns, wie die Sai­son bei den Foh­len lief.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Micha­el! Die Spiel­zeit neigt sich dem Ende zu, wie bewer­test du die Sai­son der Glad­ba­cher

Micha­el: Borus­si­as Sai­son ist eine Ent­täu­schung, da lässt sich nichts schön­re­den. Wir alle wuss­ten, dass die Abgän­ge von Thuram, Ben­se­bai­ni, Hof­mann und Stindl kaum gleich­wer­tig zu erset­zen sein wür­den. Doch was als Umbruch­jahr aus­ge­ru­fen war, ende­te letzt­lich nur dank der unfrei­wil­li­gen Hil­fe ande­rer Teams nicht auf dem Rele­ga­ti­ons­platz (oder noch tie­fer), was in der der­zeit besorg­nis­er­re­gen­den Ver­fas­sung einen Abstieg durch­aus wahr­schein­lich gemacht hät­te. Und das trotz eines wett­be­werbs­fä­hi­gen Kaders. Die Fans haben der Mann­schaft den­noch immer wie­der die Stan­ge gehal­ten, weil ihr das Bemü­hen grund­sätz­lich nicht abzu­spre­chen war und sie (lei­der nur) pha­sen­wei­se immer wie­der gezeigt hat, dass sie es bes­ser kann. Erst in den Wochen rund um das pein­li­che Pokalaus in Saar­brü­cken im März kipp­te die Stim­mung merk­lich, weil das Team dort — ein­mal mehr — die Rie­sen­chan­ce auf ein Fina­le oder gar einen Titel leicht­fer­tigst ver­spiel­te, und letzt­lich auch in der Liga kom­plett den Anschluss an die ers­te Tabel­len­hälf­te ver­lor. Die Sta­tis­ti­ken sind fast durch­weg die schwächs­ten seit der letz­ten Abstiegs­sai­son, auch das spricht für sich. Es gibt also viel auf­zu­ar­bei­ten aus die­sem Jahr, das aber auch nur Teil eines ste­ti­gen Rück­schritts seit dem Rose-Abgang war.

Dein Glad­bach-Spie­ler der Sai­son?

Das ist schwie­rig, weil kei­ner über die gesam­te Sai­son glän­zen konn­te. Mann der Rück­run­de und einer der weni­gen Licht­bli­cke im Jahr 2024 ist Robin Hack, der mit ins­ge­samt 13 Toren (3 Vor­la­gen) sehr stark auf­trump­fen konn­te und vor allem vor dem Tor eis­kalt wirkt. In der Vor­run­de war es vor allem Eigen­ge­wächs Roc­co Reitz, der sich mit sei­nem Ein­satz in den Vor­der­grund spiel­te und Glad­bach auch mit eini­gen Toren halb­wegs in der Spur hielt. Doch auch er kam in den ver­gan­ge­nen Mona­ten an sei­ne Gren­zen, was im ers­ten Bun­des­li­ga­jahr ver­ständ­lich ist. Gro­ßen Respekt muss man auch Tor­wart Moritz Nico­las zol­len, der Omlin sehr gut ver­trat und Borus­sia in vie­len Situa­tio­nen mit tol­len Para­den im Spiel hielt. Über das Sai­son hin­weg am kon­stan­tes­ten lie­fer­te wohl Franck Hono­rat ab, mit 5 Toren und 13 Vor­la­gen. Im Glad­ba­cher Sys­tem wur­de er lei­der zu oft als Schie­nen­spie­ler ein­ge­setzt, der er vor allem defen­siv nicht ist. Das ging am Ende auch auf sei­ne Kos­ten und die sei­ner Effi­zi­enz.

Seo­ane ist nicht unum­strit­ten, wird er nächs­tes Jahr noch bei euch Trai­ner sein?

Die Erwar­tun­gen an Gerar­do Seo­ane waren groß, vor allem nach den letz­ten Erfah­run­gen mit den Kurz­zeit­trai­nern Hüt­ter und Far­ke. Unter dem Strich hat er die Mann­schaft bis­her nicht wei­ter­ge­bracht, im Gegen­teil, sie wirkt fah­ri­ger als je zuvor. Die guten Ansät­ze zu Beginn der Sai­son ver­puff­ten, zuletzt wirk­ten die Ver­su­che, die Mann­schaft wie­der in die Spur zu brin­gen, auch vom Trai­ner­team immer will­kür­li­cher. Auch wenn vie­le Fans das anders sehen, scheint der Ver­ein mit Seo­ane wei­ter­ma­chen zu wol­len, so zumin­dest die öffent­li­chen Bekennt­nis­se. Eine Ent­las­sung wäre auch eine Nie­der­la­ge für Sport­ge­schäfts­füh­rer Roland Vir­kus, der dann schon zwei­mal in zwei Jah­ren mit Trai­nern dane­ben­ge­le­gen hät­te. Ande­rer­seits war im ver­gan­ge­nen Jahr bei der für das Sai­son­ende ange­kün­dig­ten Sai­son­ana­ly­se auch schnell die Tren­nung von Far­ke beschlos­sen. Ich wür­de kei­ne Wet­ten drauf abschlie­ßen, aber es ist gut mög­lich, dass Seo­ane bleibt und bei Miss­erfol­gen zu Sai­son­be­ginn dann doch die Reiß­lei­ne gezo­gen wür­de. Das aller­dings wäre die wohl schlech­tes­te Vari­an­te, weil sie auch einem Nach­fol­ger eine wei­te­re Hypo­thek mit auf den Weg gäbe.

Seit 2022 ist Vir­kus Euer Sport­di­rek­tor, wie bewer­test du sei­ne Arbeit?

Roland Vir­kus hat erst­mal viel Kre­dit bei den Fans bekom­men — und inzwi­schen den meis­ten Teil davon ein­ge­büßt. Die Trai­ner­ver­pflich­tun­gen waren auf dem Papier in Ord­nung, auch die meis­ten Spie­ler­trans­fers sind nach­voll­zieh­bar und eini­ge haben die Erwar­tun­gen auch erfüllt. Das Pro­blem ist, dass es wei­ter­hin einen unaus­ge­wo­ge­nen Kader gibt. Weder Hüt­ter (was noch in der Ver­ant­wor­tung von Max Eberl lag) noch Far­ke und Seo­ane haben gezielt Spie­ler für ihre bevor­zug­te Spiel­wei­se bekom­men. Da spielt sicher auch eine eher knap­pe Trans­fer­kas­se eine Rol­le, ande­rer­seits muss man auf dem Niveau auch abver­lan­gen kön­nen, dass krea­ti­ve und güns­ti­ge Lösun­gen gefun­den wer­den, wie es Glad­bach über vie­le Jah­re — mit fast iden­ti­schem Scou­ting­team — gelun­gen ist. Natür­lich muss man ihm zugu­te­hal­ten, dass er für die letz­ten Eberl-Jah­re mit ver­pass­ten Trans­fer­ein­nah­men und Coro­na nicht viel kann. Er muss mit Feh­lern der Ver­gan­gen­heit leben. Schwe­rer wiegt aber sei­ne eher unge­schick­te Außen­kom­mu­ni­ka­ti­on. Vir­kus selbst spricht seit eini­gen Mona­ten kaum noch öffent­lich und wenn, dann meist über Ver­eins­me­di­en und er bleibt dabei meist recht unkon­kret. So bleibt vie­les offen, es wird zum Bei­spiel der­zeit nicht klar aus­ge­spro­chen, für wel­chen Fuß­ball Borus­sia Mön­chen­glad­bach künf­tig ste­hen soll und wo man sich hin­ent­wi­ckeln will. Genau­so spielt die Mann­schaft der­zeit auch, und die­se feh­len­de Visi­on ver­hin­dert auch, dass man sich als Fan mit die­sem Borus­sia-Weg anfreun­den und iden­ti­fi­zie­ren kann. Das alles hat eine deut­li­che Eigen­dy­na­mik ent­wi­ckelt, von den anfangs begeis­ter­ten “Rollo”-Memes bei Twit­ter zur der­zeit sehr nega­ti­ven Betrach­tungs­wei­se von heu­te. Kurz gesagt: Schei­tert Seo­ane, dann ist das auch ein Schei­tern von Vir­kus. Es sieht aller­dings nicht danach aus, als ob die Ver­eins­gre­mi­en die­sen Zusam­men­hang eben­so ein­schät­zen wür­den.

Die Borus­sen war­ten seit dem 28. Spiel­tag auf einen Drei­er. Wie erklärst du dir die Durch­stre­cke?

Es scheint eine Men­ge mit der men­ta­len Ver­fas­sung zu tun zu haben. Borus­sia zeigt durch­aus gute Ansät­ze im Spiel nach vorn, zeigt sich auch vor dem Tor immer wie­der mit rich­ti­gen guten Angrif­fen, ist auch aus Stan­dards oft erfolg­reich. Sie kann auch Rück­stän­de auf­ho­len, wenn es sein muss. Doch inner­halb weni­ger Sekun­den kann aus die­ser Mann­schaft auch ein Hau­fen ver­stör­ter Fuß­ball­pro­fis wer­den, die ein­fachs­te Abläu­fe ver­nach­läs­si­gen und den Geg­ner zum Tore­schie­ßen förm­lich ein­la­den. Die geis­ti­ge und kör­per­li­che Fri­sche fehlt immer wie­der in ent­schei­den­den Situa­tio­nen, so sieht es zumin­dest von außen aus. Und mit jeder ver­spiel­ten Füh­rung, mit jedem Feh­ler scheint sich die Angst in den Köp­fen fest­zu­set­zen. Es feh­len zudem die Anfüh­rer oder Typen im Kader, die eine sol­che Nega­tiv­spi­ra­le posi­tiv durch­bre­chen kön­nen. Nicht umsonst haben sich sehr vie­le Fans vor der Sai­son eine Rück­kehr von Gra­nit Xha­ka gewünscht, so unrea­lis­tisch das auch war.

Für Glad­bach geht es um nichts mehr, für den VfB geht es noch um die Vize­meis­ter­schaft. Denkst du die Mann­schaft nimmt das Spiel noch ernst oder wird das ein Lau­er Som­mer­kick für sie?

Ich erwar­te nicht, dass Borus­sia gegen einen wahr­schein­lich eupho­ri­sier­ten Geg­ner gro­ße Gegen­wehr leis­tet, wenn sie in Rück­stand gerät. Dazu waren die letz­ten Auf­trit­te zu schwach. Hin­ter dem Ein­satz eini­ger Spie­ler steht zudem noch ein Fra­ge­zei­chen (Hack, Hono­rat, Wöber), es ist also auch nicht klar, wen es mög­li­cher­wei­se in die Start­elf spült. Im Jahr 2024 hat Borus­sia zwei Sie­ge aus 16 Bun­des­li­ga­spie­len geholt, gegen Bochum und Wolfs­burg. Ich glau­be nicht, dass aus­ge­rech­net in Stutt­gart noch ein drit­ter dazu­kommt.

Im Hin­spiel konn­te sich Glad­bach zuhau­se durch­set­zen. Was muss pas­sie­ren, dass sich das für den VfB nicht wie­der­holt?

Borus­sia in Füh­rung gehen las­sen und das Spiel dre­hen. Im Ernst: Im Moment soll­te es rei­chen, in der eige­nen Hälf­te defen­siv gut zu ver­schie­ben und auf Glad­ba­cher Feh­ler zu war­ten. Dass die Seo­ane-Elf fuß­bal­le­risch zu mehr in der Lage ist, als sie der­zeit zeigt, das konn­te man unter ande­rem im Hin­spiel sehen. Unter­schät­zen soll­te man die Offen­si­ve also nicht. Aber die Mann­schaft hat es auch in kei­nem Spiel geschafft, eine gute Leis­tung län­ger als 45, 50 Minu­ten abzu­ru­fen. Vie­le Füh­run­gen wur­den her­ge­schenkt, weil man danach pas­si­ver wur­de und sich tie­fer in die eige­ne Hälf­te zurück­drän­gen ließ oder wenn man auf tak­ti­sche Ver­än­de­run­gen nicht schnell oder gut genug reagier­te. Nach Rück­stän­den und mit fri­schen Kräf­ten ist das Team aber immer wie­der in der Lage gewe­sen, Druck auf das geg­ne­ri­sche Tor zu ent­wi­ckeln. Es wird also viel davon abhän­gen, wie fokus­siert der VfB das Spiel angeht.

Stutt­gart hat sich bekann­ter­wei­se vom Rele­ga­ti­ons­teil­neh­mer zum Cham­pi­ons-League-Teil­neh­mer ver­wan­delt. Dies gelang zuletzt den Foh­len 2012. Seit­dem konn­te sich die Borus­sia im obe­ren Tabel­len­hälf­te fest­set­zen. Was war das Erfolgs­ge­heim­nis und was kann der VfB davon ler­nen?

Das Erfolgs­ge­heim­nis ist wahr­schein­lich das Glei­che, denn die Wege ähneln sich doch sehr. Die Grenz­erfah­rung des Fast­ab­stiegs kann ein Team zusam­men­schwei­ßen und zu beson­de­ren Leis­tun­gen antrei­ben, umso mehr, wenn auch der Trai­ner mit sei­ner Arbeit und sei­ner Phi­lo­so­phie dazu passt. Im Moment müss­ten also eher alle Bli­cke aus Glad­bach nach Stutt­gart gehen, um zu ler­nen. Doch der nächs­te gro­ße Schritt für den VfB ist, die­ses Leis­tungs­ni­veau auch hal­ten zu kön­nen, wenn es Abgän­ge von Leis­tungs­trä­gern geben soll­te (wie bei Glad­bach damals Reus und Dan­te) und trotz­dem den Kader immer wie­der cle­ver zu ergän­zen. Rück­schlä­ge wären da nor­mal, und dann kommt es auch auf die Fans an. Sie müs­sen auf­pas­sen, dass sie nicht zu schnell unru­hig wer­den, wenn es mal nicht so läuft wie erhofft.

Wie wür­dest du den Glad­ba­cher Fuß­ball beschrei­ben? Was sind die Stär­ken und Schwä­chen?

Stär­ken und Schwä­chen zei­gen sich in der Tor­dif­fe­renz von 56:63 am bes­ten. Defen­siv ist es Seo­ane über eine gan­ze Sai­son nicht gelun­gen, die Gegen­tor­quo­te merk­lich zu ver­rin­gern. Das allein hat Borus­sia schon eine Chan­ce auf eine durch­aus mög­li­che euro­pa­po­kal­na­he Plat­zie­rung gekos­tet. Es waren vor allem vie­le gro­be indi­vi­du­el­le Feh­ler und schwa­ches Abwehr­ver­hal­ten in der Rück­wärts­be­we­gung, die immer wie­der zu den Punkt­ver­lus­ten geführt haben. Zu den Stär­ken gehört eine recht gute Effi­zi­enz vor dem Tor, nicht nur bei Stan­dards — und durch die indi­vi­du­el­len Fähig­kei­ten von Schlüs­sel­spie­lern wie Plea und Hono­rat auch eine Varia­bi­li­tät und Unbe­re­chen­bar­keit in den Angrif­fen sowohl über Außen als auch durch die Mit­te.

Zu guter Letzt, was ist dein Tipp und Gefühl für das Spiel?

In den letz­ten Jah­ren war es so: Die Aus­sich­ten auf einen Sieg konn­ten auf dem Papier noch so schlecht sein, doch Borus­sia war selbst mit einer Not­elf oft noch in der Lage, gegen favo­ri­sier­te Geg­ner posi­tiv zu über­ra­schen. Dies ist in die­ser Sai­son anders. Füh­run­gen wer­den von den Fans eher zur Kennt­nis genom­men als gefei­ert, weil man weiß, dass sie in aller Regel kei­nen Bestand haben wer­den. Inso­fern erwar­te ich auch hier einen Sieg des VfB.

Vie­len Dank!

Titel­bild: © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

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