Der VfB hat mit Augsburgs Kapitän Ermedin Demirović einen Nachfolger für den vor einem Wechsel zu Borussia Dortmnd stehenden Rekordstürmer Serhou Guirassy verpflichtet. Aber kann er ihn auch ersetzen? Wir haben uns Demirovic näher angeschaut.
Eigentlich bahnte sich der Transfer ja schon kurz vor Ende des vergangenen Jahres an, als der VfB sich kurz vor Weihnachen mit einer fast tadellosen Leistung gegen den FC Augsburg beschenkte und dessen Kapitän Ermedin Demirović vor den Kameras zu Protokoll gab, er sei noch nie so hergespielt worden, nicht mal von den Bayern. So viel Lob für die eigene Mannschaft ist man als VfB-Fan eigentlich nur von Gegnern gewohnt, die uns zuvor trotz guter Leistung der Brustringträger geschlagen haben. Nun also kann Demirović künftig im Brustring Gegner herspielen und gleichzeitig wird dieses Weihnachtsmärchen zur bislang größten Transferinvestition der Vereinsgeschichte. Nur logisch nach der statistisch besten Saison der Vereinsgeschichte, sagen die einen, im Verbund mit einer möglichen Verpflichtung von Deniz Undav zu ähnlichen Kondtionen sehen die anderen schon wieder die gefürchtete Champions League-Falle zuschnappen. Dass beim VfB so viel Geld in einem Sommer bewegt wird, ist auf jeden Fall neu und bedarf deshalb der genaueren Betrachtung — und vielleicht gibt es ja auch etwas zwischen blindem Vertrauen in die Verantwortlichen und der Furcht vor einer weiteren Dekade Scheiße nach der Reise.
Wenig Perspektive in Hamburg, Leipzig und Alavés
Zunächst wollen wir uns aber erstmal dem Spieler Ermedin Demirović widmen, der heute einen Vierjahresvertrag beim VfB unterschrieben hat und dem Vernehmen nach ähnlich viel verdienen wird wie Guirassy zuletzt. Demirović wurde am 25. März 1998 in Hamburg geboren, ist also 26 Jahre alt. Mit sechs Jahren kam er zum HSV, dort traut man ihm mit 16 allerdings auch aus physischen Gründen eine Profikarriere nicht zu, wie er einmal dem Schweizer Tagblatt verriet. Demirović arbeitete eigenständig an seiner Fitness und machte damit Red Bull Leipzig auf sich aufmerksam, die ihn in ihr NLZ holten. 2014/2015 lief er sowohl für die B‑, als auch für die A‑Junioren auf und erzielte in insgesamt 33 Spielen 18 Tore, scheiterte aber mit beiden Mannschaften in der Meisterschaftsendrunde. Nach neun Treffern in der Folge-Saison für die U19 debütierte 2016/2017 für die zweite Mannschaft in der Regionalliga Nordost, traf dort direkt bei seinem einzigen Einsatz und war mit 14 Toren erneut in der A‑Jugend-Bundesliga Nord-/Nordost ziemlich erfolgreich.
2017 endete seine Zeit in der Salzburger Getränkemarkt-Filiale, aus zwei Gründen. Laut Lokalpresse fehlte es dem “RB-Talent” an Geschwindigkeit für die Bundesliga, hinzu kam, dass er nicht weiter für die zweite Mannschaft auflaufen konnte, weil diese abgemeldet wurde. So zog es ihn ins Baskenland zu Deportivo Alavés, die ihn bei einem Nachwuchsländerspiel entdeckten. Die Saison lief allerdings alles andere als optimal für Demirović: Wie er Stefan Rommel in einem Interview auf Spox erzählt, hatte er im ersten halben Jahr keine Spielberechtigung, weil man im Verein davon ausging, als gebürtiger Hamburger habe er einen deutschen Pass — was aber nicht der Fall war. So debütiere er erst im Januar 2018 in La Liga und dann gleich im Camp Nou gegen den FC Barcelona mit Lionel Messi. Zu der einen Minute dort kamen nur noch zwei Einsätze über die volle Distanz und immerhin ein Tor und eine Vorlage kurz vor Saisonende hinzu. Wie im sehr lesenswerten Interview mit Max Dinkelaker auf 11Freunde.de nachzulesen ist, auch emotional bei seinem ersten Auslandseinsatz kein leichtes Jahr für Demirović.
Durchbruch bei St. Gallen
In der Folgesaison 2018/2019 wurde er dann in der Hinrunde an den franzöischen Zweitligisten FC Sochaux ausgeliehen, in der zweiten Saisonhälfte an UD Almería in die zweite spanische Liga. Während er in Frankreich immerhn vier Tore erzielte blieb er bei seinem zweiten Leihverein erfolglos, kehrte nach Alaves zurück und wurde zur nächsten Saison erneut verliehen, diesmal an den FC St. Gallen unter Trainer Peter Zeidler, der ihn schon aus dem Red-Bull-Geflecht kannte. Wie immer, wenn es um den grünweißen Verein südlich des Bodensees geht, konnte uns Marco vom Fanzine SENF mehr erzählen, so auch bei Demirovićs Saison beim FCSG. Man könnte diese durchaus als Durchbruch bezeichnen: Demirović traf erstmals seit der A‑Jugend wieder zweistellig — nämlich 14 Mal und bereitete weitere sieben Treffer vor. St. Gallen lag zeitweise auf Platz 1 und wurde am Ende hinter den Young Boys Bern unter Trainer Gerardo Seoane Vizemeister. Demirovic entschied beispielweise das Spiel bei Servette Genf mit zwei Treffern alleine:
Auch gegen den FC Sion gelang ihm ein Doppelpack. Man habe angesichts der erfolglosen Leihen und weil er bis dahin noch weitgehend unbekannt war, keine große Erwartung an ihn gehabt, so Marco, und ihn nicht direkt als Soforthilfe angesehen. Demirović habe sich jedoch direkt gut ins Team eingefunden und neben seinen Toren auch Führungsqualitäten in die Mannschaft eingebracht. Auf und neben dem Feld sei die Mannschaft — zu der übrigens auch schon Leonidas Stergiou gehörte — “ein richtig geiler Haufen” gewesen, mit seinen Sturmpartnern Cedric Itten (20 Treffer) und Boris Babic (sieben Tore) habe Demirović auch auf dem Feld sehr gut harmoniert. Nach einem Jahr endete jedoch die Zeit in St. Gallen für Demirovic wieder und er kehrte zurück nach Deutschland, zum SC Freiburg. Die Ablösesumme von angeblich knapp vier Millionen Euro ging selbstverständlich an seinen Leihveren Alavés und nicht an St. Gallen, was Demirović im Interview mit 11Freunde durchaus bedauert.
Erst Schwung, dann Tragik

In Freiburg habe man sich schon vor dem Wechsel im August während der Corona-Pause sehr um ihn bemüht, ist in Interviews zu lesen. Wie Patrick vom Spodcast Freiburg erklärt, sei Demirović als perspektivischer Nachfolger von Nils Petersen im Sturm eingeplant gewesen. Durch das Jahr in St. Gallen hatte er sich also durchaus einen Namen gemacht. Die Saison 2020/2021 schloss der SCF auf Platz 10 ab, punktgleich mit Aufsteiger VfB. Demirović erzielte dabei fünf Treffer und bereitete zehn vor, beides gelang ihm im Januar 2021 im Heimspiel gegen den VfB, als er die Führung von Silas in der 14. Minute egalisierte und dann, ja richtig, das Tor von Jeong Woo-yeong auflegte — eines der enttäuschenderen Spiele der aus heutiger Sicht immer noch guten VfB-Saison. Der Anfang sei holprig für ihn gewesen, so Patrick — so saß er beim 3:2‑Auswärtssieg im Hinspiel noch 90 Minuten auf der Bank — zum Jahreswechsel 2020/2021 hin kam Demirović jedoch in Schwung und sammelte im Dezember und im Januar zehn Scorerpunkte.
In der darauffolgenden Saison lief es für die Freiburger wesentlich besser, sie qualifizierten sich als Sechstplatzierter für Europa und stießen bis ins Pokalfinale, wo sie jedoch im Elfmeterschießen an Demirovićs Ex-Verein scheiterten — letztendlich, wenn auch nicht ursächlich, weil er seinen Elfmeter an die Latte setzte (Trigger-Warnung: jubelnde Salzburger):
Und auch abgesehen von diesem Schlussakkord der Saison konnte Demirović nicht zufrieden sein: Er traf in der Bundesliga nur zwei Mal (in Leipzig und in Dortmund) und lieferte drei Assists (eins zu Kevin Schades Treffer gegen den VfB. Hinzu kamen nur zwei Scorer beim 4:1 im Pokal in Hoffenheim. Patrick erklärt sich diesen Leistungsabfall bei Demirovic vor allem durch “fehlenden Flow”. Höler und Jeong hätten sich in einer erfolgreichen Saison vorne festgespielt und als Joker kam meist Nils Petersen in Frage und machte seine Sache gut. Bei den kurzen Einsätzen — Demirovićs Spielzeit halbierte sich im Vergleich zur Vorsaison — habe er dann sehr verkrampft gewirkt, als wolle er es allen zeigen, so Patrick. Während er sich in der ersten Saison im Breisgau also sehr schnell weiterentwickelt hatte, wirkte die Saison 2021/2022 wie ein Rückschritt für viele Fans.
Das Tauschgeschäft
Im Sommer 2022 kam es dann zu einem Transfer, wie man ihn nur noch selten in der Bundesliga sieht: Der SC Freiburg und der FC Augsburg tauschten ihre Stürmer. Ermedin Demirović ging nach Bayrisch Schwaben, dafür wechselte Michael Gregoritsch nach Südbaden. Beide hatten recht ähnliche Zahlen vorzuweisen — Demirović mit sieben Treffern und 13 Assists in 61 Spielen für Freiburg, Gregoritsch mit zehn Tore und zwei Assist in 49 Spielen für Augsburg — die Bewertung dieses Tauschhandels fiel allerdings durchaus unterschiedlich aus. So erzählt Patrick, dass Demirovic nach dem verschossenen Elfmeter und der enttäuschenden Saison in Freiburg in einer schwierigen Situation gewesen sein und Gregoritsch ein spielerisches Element mitbrachte, welches dem SC fehlte. Gleichzeitig gab es auch Fans, die nicht auf Demirovićs Stärken verzichten wollten. In Augsburg sei man Gregoritsch zwar dafür dankbar gewesen, dass er den Verein in der Vorsaison durch starke Leistungen in der Liga gehalten habe, erklärt uns FCA-Fan Amir, man habe aber auch in Demirović viel Entwicklungspotenzial gesehen, gerade weil er über beide Spielzeiten im Verhältnis zu seinen Einsatzzeiten viele Scorerpunkte gesammelt habe.
Mit zwei Jahren Abstand fällt die Bilanz aber auf beiden Seiten eindeutig aus. Patrick bezeichnet das Tauschgeschäft für alle vier Seiten (Spieler und Vereine) als Gewinn, was ebenso selten vorkommt wie so ein Tauschgeschäft an sich. Natürlich blicke man in Freiburg etwas wehmütig auf Demirovićs Entwicklung — dazu gleich mehr — Gregoritsch habe sich aber mit 17 Toren und zehn Vorlagen in den letzten beiden Jahren sportlich und darüber hinaus auch menschlich gut eingefügt in Freiburg und identifizierte sich mit dem Verein. Amir sieht Demirović als den besseren Spieler an, auch wenn er Gregoritsch sehr sympathisch findet. Allein durch den Weiterkauf an den VfB und die Ablösesumme, die auch für den FCA einen Rekord darstellt, habe sich der Tausch damals gelohnt. Und auch sportlich sei Demirović mit 23 Toren und 16 Assists “ein absoluter Volltreffer” gewesen.
Nah am Abstieg

Als Demirović nach Augsburg kam, hatte dort gerade Enrico Maaßen Ex-VfB-Trainer Markus Weinzierl als Übungsleiter abgelöst. Amir erzählt, dass Maaßen dafür war, bereits im Vorfeld von Transfers aktiv auf Spieler zuzugehen, um diese von einem Wechsel zu überzeugen. Bei Demirović scheint das gefruchtet zu haben, Amir gibt auch zu bedenken, dass es mit einem Trainer Weinzierl wahrscheinlich nicht zu diesem Transfer gekommen sei, weil Demirović nicht in dessen System gepasst hätte, während Gregoritsch für ihn ein Schlüsselspieler gewesen sein. Es kam aber wie wir wissen anders und Demirovic verhalf der Mannschaft mit acht Toren und sechs Vorlagen — immerhin keine davon gegen uns — zum hauchdünnen Klassenerhalt. Der kam aber vor allem dadurch zustande, dass wir gegen Hoffenheim nicht über ein 1:1 hinauskamen, so dass sich der FCA eine 0:2‑Niederlage in Gladbach erlauben konnte.
So nah am Abstieg, erklärt Amir, sei man seit knapp zehn Jahren nicht mehr gewesen. Auch als VfB-Fan erinnert man sich ja durchaus daran, dass man sich fragte, wie dieser FCA die Klasse halten konnte. Amir sah zwar gute Ansätze und führt auch einige Verletzte als Grund an, die Saison habe aber auch viele Tiefen gehabt und viele der Neuzugänge im Winter hätten den Verein längst wieder verlassen. Demirović und sein Sturmpartner Mergim Berisha hätten jedoch einen großen Anteil an den wenigen Siegen gehabt und seien mit Leistung und Mentalität vorangegangen. Sein Urteil: “Ohne die beiden wären wir sicherlich abgestiegen.” Demirović habe zudem die Fans im Abstiegskampf mitgerissen. Die vergangene Saison war dann am Ende wieder eine ruhigeren Sorte für die Nachbarn hinter der bayrischen Landesgrenze. Nach nur einem Sieg aus sieben Spielen tauschte der Verein zwar Maaßen gegen Jess Thorup aus, mit diesem erreichte die Mannschaft aber einen komfortablen elften Tabellenplatz. Demirović steuerte dazu nicht nur 15 Tore und zehn Assists bei, sondern führte die Mannschaft zudem als Kapitän aufs Feld.
Wichtige Rolle als Kapitän
Für Amir eine nachvollziehbare Entscheidung. Demirović sei bereits im Abstiegskampf mit seiner Mentalität vorangegangen und habe diese Rolle auch mit der Binde am Arm ausgefüllt. Auch sportlich sei er ein absoluter Schlüsselspieler gewesen, der auch mal aus dem Nichts traf und dem FCA damit wichtige Punkte sicherte und zugleich seinem Sturmpartner Philip Tietz die Möglichkeit gab, sich weiterzuentwickeln. Die Saison sei am Ende eine der besten seit Jahren gewesen, Thorup habe seit Amtsantritt viel bewegt. Auch wenn am Ende mit sechs Niederlagen aus den letzten sieben Spielen etwas die Luft raus gewesen sei, könne man auf den guten Leistungen während der Saison aufbauen, so dass er optimistisch in die näheren Zukunft seines Vereins blickt — auch wegen der Transfereinnahmen durch den Wechsel.
Demirovićs Zukunft liegt jetzt in Stuttgart, ein Wechsel den ihm in Augsburg trotz seiner Rolle als Kapitän die wenigsten übel nehmen, auch weil er sich im Vorhinein stets einwandfrei verhalten habe, so Amir. Können sich andere Ex-Kapitäne durchaus eine Scheibe von abschneiden. Auch wenn er beim VfB als Neuzugang sicherlich nicht direkt die Binde übernehmen wird, sind sich alle drei Experten einig, dass er auch im Brustring nicht viel Anlaufzeit brauchen und direkt eine Führungsrolle einnehmen wird — zumal er auch Kapitän der bosnischen Nationalmannschaft ist, für die er mittlerweile 26 Spiele absolviert hat und, wie Marco bemerkt, im perfekten Alter für eine Führungsrolle in einer Mannschaft ist.
Der fallende Stürmer
Was das angeht, scheint er also durchaus gut zum VfB zu passen und kann nach dem Abgang von Anton auch eine Lücke in der Mannschaftshierarchie füllen. Aber was bringt er abseits der bereits bekannten Zahlen mit? Alle vier Trainer bei seinen letzten drei Vereinen ließen ihre Mannschaften meistens im 4–4‑2 mit unterschiedlichen Mittelfeld-Formationen auflaufen, also mal mit Doppelsechs oder auch mit Raute. In St. Gallen bildete Demirović einen Doppelsturm mit Cedric Itten, in Freiburg agierte er in einem 3–4‑3 oder einem 4–4‑2 vor allem als Wandstürmer mit zwei Halbstürmern oder einem weiteren Sturmpartner um sich herum in Augsburg wich er unter Maaßen zwar auch mal auf den linken Flügel außs und zog dann mit Wucht nach innen, wie Amir erklärt, als zentraler Stürmer unter Thorup habe er jedoch noch besser gespielt.
Was auffällt: Demirović ist nicht der klassische Strafraumstürmer, der vorne auf die Bälle wartet. Im Gegenteil, in Augsburg ließ er sich zuletzt häufiger hinter Tietz fallen und verschaffte sich damit viel Platz, in Freiburg konnte er auch mal auf die Flügel ausweichen und auch Marco hebt seine Fähigkeiten hervor, seine Mitspieler in Szene zu setzen und sieht ihn eher als Zehner oder hängende Spitze. Sollte Undav beim VfB bleiben, sieht Amir ihn eher im Zentrum, da beide Spieler ein ähnliches Spielverständnis hätten und die Gefahr bestünde, dass sich beide fallen ließen. Auf jeden Fall profitiert Demirovićs Spiel davon, einen Spieler als Zulieferer und Anspielstation um sich herum zu haben. Hier kommen unseren Experten zufolge auch seine Stärken zum Tragen.
Hohe Spielintelligenz, wechselhafte Effizienz
Diese sind neben den bereits erwähnten mentalen und Führungsfähigkeiten seine gute Technik, sein Spielverständnis und sein Zug zum Tor. Amir erklärt, Demirović könne Räume sehr gut nutzen und lesen, eine Fähigkeit, die ihm in Sebastian Hoeneß von präzisem Passpiel getriebenen System durchaus nützlich ist. Zudem bringe Demirović ein gutes Tempo mit. Der Spielstil sei zwar ein anderer als in Augsburg, er bringe dafür aber alle Fähigkeiten mit. Mit dem Ball am Fuß sei er nicht leicht davon zu trennen, ergänzt Patrick. Auch er lobt seine Spielintelligenz, seine Zweikampfstärke und seine Fähigkeiten mit beiden Füßen. In St. Gallen sei sein schwächerer Fuß noch eine der wenigen Schwächen gewesen, ebenso das Kopfballspiel, sowohl Patrick, also auch Amir beschreiben zudem seine noch wechselhafte Effizienz vor dem Tor. Patrick bringt das auch mit dem Selbstvertrauen in Verbindung während Amir erzählt, dass er “das ein oder andere Mal schon große Chancen leichtsinnig vergeben hat, während er schwierige Chancen genutzt hat”. Patrick ist zudem gespannt, wie sich seine Fähigkeiten am Ball in engen Räumen durchsetzen.
Mit dem VfB spielt Demirović erstmals europäisch und dann direkt in der Champions League. Auch dort seine Leistung zu zeigen, trauen ihm alle drei Experten gerade nach der Entwicklung der letzen Jahre definitiv zu, natürlich im Verbund mit der restlichen Mannschaft. Amir verweist auf seine körperliche Spielweise und die guten Leistungen gegen die deutschen Champions League-Teilnehmer der vergangenen Saison. Aber kann er auch, wie eingangs gefragt, Serhou Guirassy ersetzen oder, falls dieser doch nicht nach Stuttgart zurückkehrt, Deniz Undav — dann natürlich im Verbund mit einem weiteren Stürmer?
Ein anderer Spieler
Nun muss man natürlich erst einmal festhalten, dass es sowieso schwer ist, den Stürmer mit der besten Saisonleistung der Vereinsgeschichte zu ersetzen und auch die 28 Scorerpunkte von Undav sind so fantastisch, dass man da nicht mal so eben herankommt. Amir traut Demirović aber deshalb durchaus zu, sich in Stuttgart erneut zu steigern, weil er bei uns bessere Mitspieler hat als beim FCA — was ja für einen Spieler, der nicht als Einzelkämpfer agiert, durchaus ein Faktor ist. Eine Fabelsaison wie die von Guirassy, was die Tore angeht, traut ihm deshalb auch niemand unbedingt zu, diesen Vergleich kann man aber wie gesagt auch eigentlich nur verlieren.
Schaut man sich die Zahlen von Demirović im Vergleich zu anderen Offensivspielern an, wirken diese zunächst ernüchternd. Hier Demirović im Vergleich zu anderen Stürmern:
und im Vergleich zu offensiven Mittelfeldspielern:
Vor allem, wenn man sich die Grafiken für Guirassy (im Vergleich mit Stürmern) und Undav (im Vergleich mit Stürmern und offensiven Mittelfeldspielern) anschaut:
Man sollte hier allerdings zum einen natürlich, wie Amir sagt, die Qualität der Mitspieler und den Mannschaftserfolg nicht vernachlässigen und außerdem nicht vergessen, dass Serhou Guirassy bei aller Flexibilität, die er mitunter zeigte, doch noch vor allem ein klassischer Strafraumstürmer ist, dessen primäres Ziel es ist, den Ball im Strafraum an den Fuß und ins Tor unterzubringen. Demirović ist da noch variabler unterwegs, kommt aber trotzdem nicht an Undavs Zahlen — im Vergleich zu anderen Spielern auf der gleichen Position — heran. Demirović zeigt seine Stärken eher im Umschaltverhalten nach hinten und bei den Assists. Zum VfB-Sturmduo der vergangenen Saison fehlt ihm also noch etwas. Gleichzeitig ließ er mit 0,38 Toren pro Schuss aufs Tor Deniz Undav (0,35) hinter sich, und auch die 14 goal creating actions (der Schuss der zum Tor führt und die zwei Ballaktionen vorher laut fbref.com) sind im Bundesligavergleich durchaus respektabel, vor allem wenn vor ihm in dieser Statistik vor allem Spieler von Spitzenmannschaften stehen.
Der Königstransfer?
Demirović, in Augsburg und Freiburg mit dem Spitznamen “Demi” versehen und mit einem Instagram-Profil ausgestattet, in dem er durchaus extrovertiert auftritt, macht also mit dem Wechsel zum VfB den nächsten Schritt auf der Karriereleiter und stellt sich einer neuen Herausforderung. Auch wenn er anders als andere Neuzugänge von einem anderen Level zum VfB kommt. Man kann ihn also durchaus als Königstransfer der bisherigen Wechselperiode bezeichnen. Der VfB, der bei einem Abstieg in die zweite Liga vor einem Jahr mit einem gerade umgebauten Stadion finanziell ziemlich angeschlagen gewesen wäre, pulverisiert nur eine Vizemeisterschaft und einen Investoreneinstieg später also seinen bisherigen Transferrekord, der bei 11 Millionen für Nico Gonzalez lag. War die vergangene Saison die große Zäsur, müssen wir in Stuttgart jetzt, wenn wir drei Spieler für mindestens 60 Millionen Euro verkaufen und uns nächste Saison mit den Besten des Kontinents messen, einfach in größeren Dimensionen denken? Oder kriegt da manch einer in den oberen Etagen den Hals nicht voll?
Ich muss zugeben, ich weiß nicht, wie viel zusätzliche Liqudität uns die Peep Show am Spielertunnel und das fertig umgebaute Stadion einbringt. Die Millionen von Porsche sollen ja vornehmlich in die Stärkung des Eigenkapitals fließen, was den VfB natürlich vor allem finanziell auf eine breitere Basis stellt und Verhandlungen aller Arten erleichtert. Es war aber eben auch jenes Eigenkapital, welches durch zwei Abstiege und den vorhergehenden sportlichen Misserfolg im letzten Jahrzehnt dahinschmolz wie Eis in der Sonne. Eben weil man nach den Champions League-Teilnahmen 2007/2008 und 2009/2010 Geld in Spieler wie Ciprian Marica, Yildiray Bastürk, Mauro Camoranesi oder Pavel Pogrebnyak versenkte, befand man sich in der Situation, die uns Serdar Tasçi im Podcast-Interview schilderte, nämlich dass er den VfB verließ, um mit seiner Ablöse dem Verein finanziell zu helfen. Sportlich konnten wir ihn erst vier Jahre und einen Abstieg später durch Benjamin Pavard ersetzen.
Was ist das Saisonziel?
Alexander Wehrle sagte kurz nach Saisonende den durchaus sinnvollen Satz, dass man einen Kader zusammenstellen wolle, den sich der Verein auch leisten könne, wenn er 2025/2026 nicht international spiele. Die Rede ist davon, dass man bei europäischen Einnahmen entsprechende Gehälter zahle und wenn diese wegfallen eben nicht. Das klingt zunächst vielversprechend auf lange Sicht und die bisherige Entwicklung von Demirović oder auch Undav spricht nicht notwendigerweise dafür dass es mit ihren Karrieren bergab geht. Dennoch würden beide Wechsel zusammen ein Gesamtvolumen in für uns schwindelerregenden Höhen bedeuteten, selbst wenn die einzelnen Jahresgehälter sich der sportlichen Situation anpassen. Schon allein durch die Ablösesummen und weil der VfB nach wie vor finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, ergibt sich ein gewisses Risiko.
Nicht unbedingt weil man Demirović oder Undav nicht zutraut, an die bisherigen Leistungen anzuknüpfen. Sondern weil auch der Rest der Mannschaft weiterhin performen muss, um erneut dieses Level zu erreichen. Das ist nach einer sehr guten Saison keineswegs selbstverständlich. Vor kurzem schrieb ich an dieser Stelle, der VfB müsse diese außergewöhnliche Situation nutzen, um sich finanziell und sportlich in der Bundesliga zu konsolidieren. Aktuell ist für mich angesichts von (potenziellen) Transfers in dieser Größenordnung nicht ganz klar, mit welcher Haltung man in die neue Saison geht. Kann man bei diesem Transfervolumen ernsthaft die 40-Punkte-Marke als Saisonziel ausgeben, also quasi wie in Augsburg? Oder muss man, um die Spieler wie Undav oder Demirović halten zu können und womöglich nicht mangels sportlicher Perspektive unter Einkaufswert verkaufen zu müssen, auch in der übernächsten Saison europäisch spielen?
Alles anders
Nicht falsch verstehen: Ich freue mich aus sportlicher Sicht auf den Transfer von Demirović, weil ich mir vorstellen kann, dass er menschlisch und sportlich gut in die Mannschaft passt. Mit seiner Verpflichtung schafft Fabian Wohlgemuth aber intern und extern auch eine Erwartungshaltung, wie es sie vielleicht zuletzt bei der Rückholaktion von Alex Hleb oder dem Wechsel von Jon Dahl Tomasson gab und die es bei Stürmen mit weniger Erfahrung und ähnlichem Potenzial ein Regal weiter unten vielleicht nicht gegeben hätte. 2024 ist jedenfalls alles etwas anders als wir es kennen beim VfB. Hoffen wir, dass das auch in der kommenden Saison — im positiven Sinne — der Fall ist und “Demi” Serhou Guirassy so schnell vergessen macht wie Angelo Stiller Wataru Endo.
Das sehr nette Schlußwort möchte ich Marco von SENF überlassen, mit lieben Grüßen nach St. Gallen:
Der VfB hat sich da einen tollen Spieler geholt, fussballerisch und so weit ich das beurteilen kann auch menschlich. Wir haben hier in St. Gallen seine Karriere immer noch mitverfolgt und einige überlegen sich das Stuttgart-Trikot mit seinem Namen drauf für die neue Saison zu holen. Allein das zeigt, dass er bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat und das als Leihspieler. Hoffe sehr, dass er bei euch performt und freue mich, seinen Namen dann bei einem Tor für Stuttgart zu skandieren 😉
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass hat zur Verpflichtung ein schönes Pro und Contra verfasst und fragt, ob das jetzt ein Statement-Transfer oder ein Risiko-Transfer ist.
Titelbild: Leonhard Simon/Getty Images