Der VfB schafft es effektiv, die Erwartungen seiner Anhänger wieder unter Normalmaß runterzufahren. Die 0:5‑Klatsche bei Aufsteiger Dynamo Dresden ist auf so vielen Ebenen unfassbar und peinlich, dass man als Fan ob der konstanten Inkonstanz der VfB-Mannschaften verzweifeln möchte.
Hannes Wolf hatte gewarnt. Jan Schindelmeiser hatte gewarnt. Das 4:0 gegen Fürth ja nicht überbewerten. Die Fans hatten trotzdem gefeiert. Ich hatte den ersten Schritt einer Entwicklung in die richtige Richtung gesehen:
Mit dem Auftritt am Montag hat die Mannschaft sowohl bei sich, als auch bei den Fans ein Feuer entfacht. Nun gilt es, dieses am brennen zu halten und zu einem Flächenbrand werden zu lassen, der den VfB durch den Rest der Saison und zurück in die erste Liga trägt.
Alles für die Katz. Der VfB verliert nicht nur beim Aufsteiger aus Sachsen, nein, er lässt sich komplett auseinandernehmen. Und das nicht etwa, weil die Dresdner, wie eine Firma aus dem benachbarten Leipzig, irgendwo einen Geldspeicher haben und den VfB damit qua Scheckkarte dominieren könnten. Nein, sie dominierten nicht einmal, die Gastgeber. Sie waren nur intelligenter und bissiger und geiler auf den Sieg. Eigenschaften die der VfB schon wieder vermissen ließ. Mal wieder nach einem guten Spiel. Während der Rollback nach dem 2:0 gegen Braunschweig mit einem 1:1 in Bochum noch überschaubar war, waren in den letzten beiden Partien die Ausschläge wesentlich größer.
Es ist aber nicht damit getan, das Debakel vom Samstag einfach als unvermeidbare Bestätigung des Bekannten oder gar als Ausrutscher abzutun. Nochmal für alle im Brustring zum Mitschreiben: Eine 5:0‑Niederlage bei einem Aufsteiger ist inakzeptabel. Eine Schande für den Brustring. Wir dachten ja alle schon, der Tiefpunkt der Saison sei mit der Heimniederlage gegen Heidenheim erreicht gewesen. Aber auch die VfB-Mannschaft 2016/2017 steht ihren Vorgängern in nichts nach, wenn es darum geht, sich völlig zu blamieren. War es in der vergangenen Saison neben vielen knappen Niederlagen vor allem das 2:6 in Bremen, welches einen am Verstand der Spieler zweifeln ließ, ist es dieses Jahr eine Blamage gegen einen zuvor strauchelnden Aufsteiger.
Vorsicht. Selbstzufriedene Mannschaft. Bitte nicht loben!
Woran lag es also diesmal? Da gibt es zwei, leider bereits bestens bekannte Faktoren. Zunächst mal: Das Lob, welches die Mannschaft für das Spiel in Fürth bekommen hat. Erst am Montagabend im Neckarstadion, dann nochmal am Sonntagmittag in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Wolfgang Dietrich verglich sich gar mit Christian Gentner. Ob eine Mitgliederversammlung am kommenden Wochenende wohl genauso verlaufen wäre? Nicht zu vergessen das Lob in den Medien und den sozialen Netzwerken. Diese Mannschaft kann damit und mit Erfolg scheinbar noch genauso wenig umgehen, wie die der letzten Saison. Kaum läuft es mal, warum auch immer, steigt keiner mehr in den Ring, um mal den Marketing-Spruch des VfB zu zitieren. Stattdessen lehnt man sich in die Seile und geht davon aus, dass der
Gegner von alleine k.o. geht. Und dann wundert man sich, dass man von diesem nach Strich und Faden verprügelt wird. Mannschaften wie Dresden wollten die drei Punkte gegen den VfB unbedingt holen, sie waren bereit, alles dafür reinzuwerfen. Beim VfB hat man trotz des Abstiegs offensichtlich immer noch nicht kapiert, dass man auch in dieser Liga nichts geschenkt kriegt.
Ja, immer noch nicht. Denn trotz des zigsten Umbruchs gibt es ja doch noch eine gewisse Anzahl an Spielern, die mal für eine Erstliga-Mannschaft verpflichtet wurden, die in ihren nicht ganz so schlechten Nationalmannschaften Stammspieler sind, die eigentlich über genug Erfahrung auf diesem und höheren Ebenen verfügen. Bringt leider nichts. Denn wenn es gut läuft, schwimmen sie mit nach oben und schießen sogar Tore. Und wenn es nicht läuft, saufen sie einfach mit ab. Es darf einer Mannschaft wie der des VfB nicht passieren, dass man in so kurzer Zeit so viele Tore kassiert und damit das Spiel wegschmeißt. Spätestens nach dem zweiten Tor innerhalb weniger Minuten muss da mal einer dazwischenhauen und wieder Ruhe in den Laden bringen. Kriegt aber beim VfB keiner hin, weil es immer noch bequemer ist, mitzuschwimmen und zu gucken, wohin einen die Strömung so treibt. Selbst in der zweiten Liga scheint der Leidensdruck bei EM-Teilnehmern, Weltmeistern und Bindenträgern noch nicht groß genug zu sein, mal aus der Komfortzone rauszukommen und nach einem 2:0‑Rückstand versuchen, den Schaden soweit zu begrenzen, dass man eventuell noch eine Chance hat, zurück ins Spiel zu kommen.
Verantwortung für das Projekt Aufstieg übernehmen
Ich habe überhaupt keine Lust auf irgendwelche Ausreden und Erklärungsversuche. Auch nicht auf Relativierungen, die darauf hinweisen, dass wir ja noch in der Hinrunde seien und die Saison lang sei, dass Hannover ja auch verloren habe und dass der Rückstand auf die Aufstiegsplätze ja noch gar nicht so groß sei. Beim VfB muss man jetzt endlich mal die Aufgabe annehmen, vor der der man steht und alles für den Aufstieg tun. Erneut muss man konstatieren: Die Voraussetzungen sind eigentlich da, wie man gegen Fürth gesehen hat. Diese Mannschaft kann hinten einigermaßen sicher stehen und vorne torgefährlich sein. Diese Mannschaft muss nicht auseinanderfallen wie eine Verbandsliga-Truppe in der ersten Pokalrunde. Genau wie letztes Jahr: Die Mannschaft konnte die Klasse halten. Sie hatte es fast geschafft. Die Mannschaft musste nicht absteigen. Voraussetzung ist aber, dass auf dem Feld (und nicht hinter in der Mixed Zone) jemand endlich mal Verantwortung für das Projekt Wiederaufstieg übernimmt. Der VfB ist drei Jahre lang führungs- und kopflos in die zweite Liga getrudelt. Kurze Aufwärtsentwicklungen waren entweder von der bereits beschriebenen, zum Mitschwimmen einladenden Euphorie getragen oder kamen, weil irgendwann die kollektive Schmerzgrenze erreicht war und der Arsch auf Grundeis ging.
Aber wer beim VfB spielt, der denkt anscheinend, wenn man zweimal dem Abstieg von der Schippe gesprungen ist, wird das ein drittes Mal sicher auch klappen. Und wenn man einen Zweitligisten 4:0 wegledert, dann klappt das mit dem nächsten bestimmt ganz genauso. Also ihr alle, die ihr in dieser Mannschaft irgendeine Art von Standing habt: Reißt Euch jetzt endlich mal zusammen, bevor beim VfB die nächste Generation von Spielern heranwächst, die glaubt, es ginge alles von alleine. Schmeißt Euch jedes Spiel über 90 Minuten in die Zweikämpfe, lasst Euch keine einfachen Tore einschenken und wenn ihr doch mal eins kassiert, schüttelt Euch kurz, behaltet die Ruhe und dreht das Spiel. Andere kriegen das auch hin.
Und liebe Mannschaft: Ja, Ich feuere Euch auch beim nächsten Spiel wieder an. Aber was für einen Teil der Mannschaft in Bezug auf Bremen und den Abstieg gilt, steht auch in Eurem Fall fest: Das Dresden-Spiel verzeihe ich Euch nicht. Ihr habt eine Menge wieder gut zu machen. Keine Ausreden, keine Erklärungen. Einfach den Kopf klarkriegen und aufsteigen wollen.