Kurz vor Saisonende knackt der VfB auch die 70-Punkte-Grenze und spielt am kommenden Wochenende noch um die Vizemeisterschaft. Schade, dass es schon bald vorbei ist.
Wann ging es für uns eigentlich in den letzten Jahren am letzten Spieltag um überhaupt gar nichts mehr, weil die Abstände nach oben und unten so groß waren, dass sie selbst mit drei Punkten im letzten Spiel nicht zu überbrücken gewesen wären? Selbst 2021, als wir am Ende auf einem entspannten neunten Platz landeten, hätten wir uns mit einem Sieg gegen Bielefeld bei Niederlagen von Union und Gladbach für Europa qualifizieren können. Es ist ziemlich genau 10 Jahre her, dass wir trotz einer Niederlage gegen Wolfsburg den Klassenerhalt “feierten” und uns am letzten Spieltag eine Pleite in München erlauben konnten. Und auch dieses Jahr steht noch etwas auf dem Spiel: Die Entscheidung, ob der VfB Dritter wird oder Vizemeister.
Und genauso gut wie sich das anhört, fühlte es sich auch am Freitagabend im Gästeblock in Augsburg an. Natürlich, der VfB tat sich in der Umsetzung des nächsten Auswärtssiegs — des zehnten in dieser Saison! — etwas schwerer als im Hinspiel, weil die Augsburger nicht gewillt waren, sich noch einmal so, Zitat Ermedin Demirovic, “herspielen” zu lassen wie im Dezember. Und trotzdem schlug irgendwann Serhou Guirassy nach einem Traumpass von Enzo Millot mit einer Unvermeidlichkeit zu, über die nur wenige Mannschaften in dieser Liga verfügen. Man hat sich schon fast dran gewöhnt, dass der VfB in dieser Saison immer irgendein Mittel findet, um zum Erfolg zu kommen — und da ist die Spielzeit schon fast vorbei, war das Gastspiel in Augsburg das letzte für die nächsten Monate.
Ein bisschen Wehmut
Bevor am Samstag gegen Mönchengladbach der finale Vorhang fällt, kann man fast ein wenig wehmütig werden. Oder man genießt einfach wie ich die letzten zwei Mal 90 Minuten dieser phänomenalen zehn Monate. Auch wenn es immer noch um Platz 2 geht, ein bisschen Geld und die Aussicht, am Pokalwochenende gegen Leverkusen zu spielen und irgendwann unter der Woche bei einem Amateurverein: So entspannt wie den Kick in Augsburg habe ich lange nicht mehr Fußball geschaut. Die Stimmung im Gästeblock war prächtig, der VfB ließ den Ball laufen und ich das in Augsburg ausgeschenkte Kaltgetränk, welches Deniz Undav, siehe oben, scheinbar weniger schmeckte. Diese Szene verdeutlicht auch, welche Welle der VfB da gerade in die Sommerpause reitet. Es läuft und läuft und läuft, wir stellen einen Rekord nach dem anderen auf und ebenjener Undav macht es uns mit seiner Liebeserklärung schwer, einem Leihspieler nicht komplett zu verfallen.
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— Lennart Sauerwald (@l_sauerwald) May 11, 2024
Egal wie die Abschlusstabelle aussieht: Uns steht ein richtig schöner Saisonausklang bevor. Ich weiß, dass die Mannschaft noch einmal alles geben wird um ein letztes Mal in der Tabelle nach oben zu klettern, alles andere liegt nicht in unserer Hand. Ein letztes Mal können wir uns im Neckarstadion an diesem ansehnlichen Fußball laben, von dem wir nicht wissen, ob er und die Zusammensetzung der Mannschaft über die Saison hinaus Bestand haben wird. Ich habe großes Vertrauen in Sebastian Hoeneß und Fabian Wohlgemuth, dass sie auch in den kommenden Wochen und Monaten klug agieren werden, eine Spielzeit wie diese werden wir aber vermutlich nicht mehr erleben.
Ein letztes Mal
Zunächst stehen uns dann lange drei Monate bevor, in denen noch niemand weiß, wie der Kader bei Transferschluss am 1. September aussieht. Ganz zu schweigen davon, dass man in den Vereinsgremien trotz anhaltender Unmutsbekundungen in jedem Spiel weiterhin auf Tauchstation geht, der Aufsichtsratsvorsitz immer noch nicht mehr beim e.V. liegt und wir weiterhin nicht wissen, wer was wann zugesagt und unterschrieben hat. Es wird spannend, wer bis zum 28. Juli noch aus welchem Loch gekrochen kommt und plötzlich wieder auf der Bildfläche erscheint. Anders als im Kader ist hier ein personeller Neuanfang dringend geboten — wir sollten nur aufpassen, wer zur Drehtür reinkommt, durch die andere gerade gegangen sind.
Aber eines nach dem anderen. Jetzt möchte ich erstmal, zum letzten Mal vor dem Sommer, diese großartige Mannschaft den großartigen Fußball ihres großartigen Trainers zelebrieren sehen, in einem vollen, mit der Sonne um die Wette freudestrahlenden Neckarstadion, im Hinterkopf ein Potpourri aus “Stuttgart kommt”, der Hymne der Champions Leage und:
NACH ALL DER SCHEIßE GEHT’S AUF DIE REISE, STUTTGART INTERNATIONAL!
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass sah in Augsburg einen VfB ohne Grenzen, Stuttgart.International stellt fest: “Trotz des überraschenden Erfolgs muss allen bewusst sein, dass dem Klub und der Mannschaft noch viele Entwicklungsschritte bevorstehen. Wenn man mindestens acht Mal unter der Woche auf internationaler Bühne auftritt, kann nicht jedes Spiel ein Feuerwerk sein. Ein Auswärtssieg von der Stange wie am Freitag in Augsburg wird dann umso wertvoller.”
Titelfoto: © Alexander Hassenstein/Getty Images