Das Phantom

Dass Japa­ner schweig­sam und zurück­hal­tend sind, ist ein schreck­li­ches Kli­schee. Jetzt, wo Hiro­ki Ito den VfB nach drei Jah­ren als einer der teu­ers­ten Abgän­ge der Ver­eins­ge­schich­te wie­der ver­lässt, kommt es einem so vor, als hät­te man ihn nicht lang genug im Brust­ring gese­hen.

Ich habe ja hier in den letz­ten Jah­ren vie­le Neu­zu­gän­ge vor­ge­stellt und mich dazu mit Exper­ten und Fans ihrer ehe­ma­li­gen Ver­ei­ne unter­hal­ten. Mit einer Aus­nah­me: Als Hiro­ki Ito 2021 leih­wei­se aus der zwei­ten japa­ni­schen Liga nach Stutt­gart kam und dem Ver­neh­men nach zunächst für die zwei­te Mann­schaft ein­ge­plant war, schrieb ich Alan Gib­son von JSoccer.com zwar an, weil ich mit ihm schon über Wata­ru Endo gespro­chen hat­te, es ent­stand aber kein Arti­kel dar­aus. Alan hielt ihn für einen viel­ver­spre­chen­den jun­gen Spie­ler, der offen­sicht­lich zu gut sei für die zwei­te japa­ni­sche Liga und des­we­gen auch zum VfB wech­se­le. “Ich hof­fe, er wächst gedul­dig”, beschloss er den kur­zen Aus­tausch und ich ging davon aus, Ito in Zukunft in der zwei­ten Mann­schaft zu sehen.

Ecke ins Glück verlängert

Nun­ja. Für die Ama­teu­re lief Ito nie auf, bestritt in drei Spiel­zei­ten ins­ge­samt 97 Spie­len im Brust­ring, in der Bun­des­li­ga, im DFB-Pokal und in der Rele­ga­ti­on. Und war mit der Zeit immer weni­ger aus einer Mann­schaft weg­zu­den­ken, die zwei schwe­re und ein über­ra­gen­des Jahr durch­mach­te. In dem schließ­lich auch sei­ne Stär­ken voll­ends zum Tra­gen kamen. Sei­ne Über­sicht, sei­ne Spiel­eröff­nung, sein für Ver­tei­di­ger eher sel­te­ne fei­ne lin­ke Fuß. In Erin­ne­rung blei­ben natür­lich aber von Ito nicht nur sei­ne Grät­schen oder sei­ne bei­den ziem­lich wil­den Tref­fer son­dern eine ver­län­ger­te Ecke am 14. Mai 2022.

In den gan­zen drei Jah­ren las und hör­te man vom Innen­ver­tei­di­ger rela­tiv wenig, auch online fin­det sich kaum ein Inter­view mit ihm — was sich mit dem Wech­sel zum Rekord­meis­ter wohl ändern dürf­te. Fast scheint es, als wäre er schon wie­der weg, bevor wir ihn beim VfB rich­tig bemerkt haben. Bei all den Gerüch­ten um Füh­rich, Gui­ras­sy oder den Ver­hand­lun­gen um Undav ging zuletzt etwas unter, dass sich hier ein Innen­ver­tei­di­ger lang­sam aber sicher ins Blick­feld grö­ße­rer Ver­ei­ne gespielt hat. Inso­fern kommt der Wech­sel nach Mün­chen nicht ganz über­ra­schend, vor allem wenn er mit sei­nem Ver­eins­wech­sel nicht auf die Cham­pi­ons League ver­zich­ten möch­te.

Das Kreuz mit der Klausel

Es wird noch ein lan­ger Trans­fer­som­mer und Hiro­ki Ito mit Sicher­heit in die­sem nicht die letz­te Per­so­na­lie sein, die unse­re Gemü­ter bewegt. Nach den Erfah­run­gen des Som­mers 2022 stün­de uns allen und auch den berich­ten­den Jour­na­lis­ten etwas mehr Gelas­sen­heit gut zu Gesicht — es sei denn, man kann qua Arbeit­ge­ber nicht anders. Ich möch­te Euch kein Wehr­le­sches “Ent­spannt Euch maln biss­chen” ent­ge­gen schleu­dern, aber die Viel­zahl der Gerüch­te sind eben genau­so ein Preis des Erfolgs wie die kur­sie­ren­den Aus­stiegs­klau­seln mit fes­ten Ablö­se­sum­men. Wer Spie­ler nicht ablö­se­frei ver­lie­ren oder ein Jahr vor Ver­trags­en­de unter Druck und unter Wert ver­kau­fen möch­te, muss die Arbeits­pa­pie­re ent­spre­chend ver­län­gern und der ande­ren Par­tei ent­we­der mehr Geld oder eine attrak­ti­ve Aus­stiegs­mög­lich­keit bie­ten. Da der VfB immer noch kein Geld im aus­rei­chen­den Maße hat, bleibt nur die Klau­sel.

Oder man ver­län­gert die Ver­trä­ge zu einem Zeit­punkt, an dem der Spie­ler kei­ne Ansprü­che stel­len kann, so wie damals, als vie­le der jet­zi­gen Akteu­re ihre ers­ten Ver­trä­ge in Bad Cannstatt unter­schrie­ben. Dafür braucht man dann aber viel Ver­trau­en in deren Ent­wick­lung. Und schließ­lich heißt eine Aus­stiegs­klau­sel und ein inter­es­sier­ter Ver­ein noch nicht, dass ein Wech­sel auch zustan­de kommt. Die Klau­sel zieht näm­lich immer noch der Spie­ler, da sie in sei­nem Ver­trag ver­an­kert ist. Nicht der Ver­ein. Bei Hiro­ki Ito war das der Fall, viel­leicht wird es auch bei Ser­hou Gui­ras­sy und Chris Füh­rich der Fall sein. Natür­lich gibt es kei­ne Garan­tie, dass wir den Abgang drei­er Leis­tungs­trä­ger genau­so gut kom­pen­sie­ren kön­nen wie in der ver­gan­ge­nen Sai­son. Aber anders als vor zwölf Mona­ten haben wir jetzt auch etwas zu bie­ten.

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

Schreibe einen Kommentar