Die Summe der Kleinigkeiten

Auch gegen den Auf­stei­ger aus Gel­sen­kir­chen miss­lingt dem VfB der Ver­such, end­lich den ers­ten Sai­son­sieg ein­zu­fah­ren. Erneut steht sich die Mann­schaft dabei sel­ber im Wege, auch weil die Leis­tung zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son schlicht nicht für einen Sieg reich­te.

Ein schwe­rer Geg­ner zum Auf­takt, ein Lap­sus in letz­ter Sekun­de, absur­des Abschlusspech, Platz­ver­wei­se — irgend­was ist immer. So fühlt man sich aktu­ell als VfB-Fan und ‑Spie­ler und es ist belei­be kein neu­es Gefühl. Waren es in der letz­ten Sai­son eher die gro­ßen The­men wie Coro­na, lang­wie­ri­ge Ver­let­zun­gen und der Kopf, der irgend­wann nicht mehr mit­spiel­te, sind es in die­ser Sai­son bis­her die Klei­nig­kei­ten, die aus einem mach­ba­ren Auf­takt­pro­gramm mit zwei Auf­stei­gern und einem erschöpf­ten Euro­pa­po­kal­teil­neh­mer einen Sai­son­start machen, dem man viel­leicht in ein paar Wochen das Attri­but “Fehl-” vor­an­stel­len muss, soll­ten gegen den Deut­schen Meis­ter, gegen den UEFA-Pokal-Sie­ger, gegen den Vize­meis­ter und gegen Angst­geg­ner Uni­on nicht über­ra­schend ein paar Punk­te hin­zu­kom­men. Aber das ist eben das schwie­ri­ge an der Situa­ti­on, auch in der Bewer­tung: Sie ist unschön und poten­zi­ell bedroh­lich (weil irgend­wann wie­der der Kopf mit­spielt), aber nicht aus­sichts­los.

Denn der VfB spielt größ­ten­teils sehens­wer­ten Fuß­ball. Aber, wie ich schon in der Vor­wo­che geschrie­ben habe, er belohnt sich nicht. Nicht gegen Bre­men, als man fünf Sekun­den zu früh das Spiel been­de­te. Nicht gegen Frei­burg, als man lan­ge erfolg­los einem Rück­stand hin­ter­her rann­te. Nicht gegen Köln, denen in den ers­ten 20 Minu­ten des Spiels gefühlt jeder Ball ver­sprang. Und wenn Du dich dann für eine medio­kre Leis­tung belohnst, so wie mit dem abge­fälsch­ten Tref­fer von Chris Füh­rich, dann reißt du wenig spä­ter alles wie­der ein, weil die Mann­schaft von plötz­li­chen Rich­tungs­wech­seln in Rich­tung eige­nes Tor immer wie­der über­rascht wird. Es sind die Klei­nig­kei­ten wie der völ­lig unnö­ti­ge Hacken­pass an der Mit­tel­li­nie, oder dass drei Spie­ler zu spät kom­men und den Pass in den Straf­raum nicht ver­hin­dern kön­nen. Dass dann aus­ge­rech­net Simon Terod­de eines sei­ner weni­gen Bun­des­li­ga­to­re gegen uns schießt, ist sym­pto­ma­tisch.

In der Summe zu wenig

Ein Platz­ver­weis, der sich irgend­wo zwi­schen Dumm­heit und völ­lig über­for­der­tem Schieds­rich­ter bewegt, reisst es dann kom­plett rein und begräbt jede Hoff­nung, in einem klas­si­schen Abstiegs­kampf-Spiel doch noch irgend­wie als der Sie­ger her­vor­zu­ge­hen. Denn bei­de Mann­schaf­ten wie­sen eine Pass­quo­te unter 70 Pro­zent aus, beim VfB war der sichers­te Pass­ge­ber gar Tor­wart Flo­ri­an Mül­ler, der eine tadel­lo­se Leis­tung ablie­fer­te, sieht man mal von der Slap­stick­ak­ti­on ab, die er gemein­sam mit Dinos Mavro­pa­nos fabri­zier­te. Schal­ke hat­te unterm Strich die bes­se­ren Chan­cen, was auch der xG-Wert von 2,1 unter­streicht, stell­te sich dabei aber in Sum­me nicht bes­ser an als der VfB, der gegen den bekann­ter­ma­ßen tief­stehen­den und aggres­siv pres­sen­den Auf­stei­ger — Schal­ke ließ nur sechs Päs­se pro Defen­siv­ak­ti­on zu, der VfB elf — kaum ein Mit­tel fand, gefähr­lich in den Straf­raum zu kom­men. Eigent­lich wären Sei­ten­wech­sel und Dia­go­nal­bäl­le das rich­ti­ge Mit­tel gewe­sen, um die Defen­si­ve der Gäs­te aus­ein­an­der zu zie­hen, nur lei­der fehl­te im Anschluss an sol­che Päs­se die Dyna­mik.

Gehen wir also mal davon aus, dass wir gegen die Bay­ern, die Ein­tracht, Uni­on und Dort­mund nicht plötz­lich rei­hen­wei­se die nöti­gen Sie­ge holen — gegen Wolfs­bur­gund Bochum traue ich uns schon was zu, aber das habe ich gegen Bre­men und Schal­ke auch — dann muss man sich die Fra­ge stel­len, war­um der VfB nicht so aus den Start­lö­chern gekom­men ist, wie wir uns das erhofft haben und der bevor­ste­hen­de Spiel­plan es wahr­schein­lich erfor­dert. Ein The­ma ist das Umschalt­ver­hal­ten nach eige­nen Ball­ver­lus­ten, wel­ches in fast jedem Spiel der Grund für den Gegen­tref­fer war. Ein­satz kann man der Mann­schaft nicht abspre­chen, das ist defi­ni­tiv kein The­ma mehr. Höchs­tens fehlt das Bewusst­sein, dass man in jedem Spiel von An- bis Abpfiff an sein Limit gehen muss, um erfolg­reich zu sein. und sich kei­ne Aus­zei­ten neh­men kann wie gegen Bre­men. An der Qua­li­tät der Mann­schaft hapert es grund­sätz­lich auch nicht, aber es fällt schon auf, dass ein Wata­ru Endo gera­de nicht in Höchst­form ist, dass unse­re Drei­er­ket­te zwar durch­aus soli­de ist, in der Sum­me aber für die auf schnel­le, über­fall­ar­ti­ge Gegen­an­grif­fe aus­ge­leg­te Spiel­wei­se zu durch­schnitt­lich, um die schlech­te Rest­ver­tei­di­gung der Vor­der­leu­te jeder­zeit kaschie­ren zu kön­nen. Alles für sich genom­men nicht dra­ma­tisch, sonst wür­den wir mit null Punk­ten da ste­hen. Aber in der Sum­me zu wenig, um zufrie­den zu sein.

Nicht auf den Wandel warten

Ob eine Rück­kehr zur Vie­rer­ket­te sinn­voll ist, weiß ich nicht. Rein sport­lich betrach­tet braucht es einen Ata­kan Kara­zor im Mit­tel­feld, der Wata­ru Endo ent­las­tet und einem enga­gier­ten, aber teil­wei­se noch unsau­ber spie­len­dem Aha­ma­da den Rücken frei­zu­hal­ten. Aber opferst Du dann die Posi­ti­on von Li Egloff und Chris Füh­rich? Schwie­rig. Es sind wei­ter­hin mei­ner Mei­nung nach nur klei­ne Stell­schrau­ben, die jus­tiert wer­den müs­sen, wie die Rück­wärts­be­we­gung oder das Her­aus­spie­len von Chan­cen, die man nicht nicht ver­wer­ten kann. Aber Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zo muss sie fin­den, denn wir kön­nen nicht wie letz­te Sai­son ein­fach dar­auf ver­trau­en, dass ein Ereig­nis ein­tritt, wel­ches plötz­lich alles ver­än­dert. Ich wüss­te auch nicht, weil­ches das sein soll.

Titel­fo­to: © Chris­ti­an Kas­par-Bart­ke/­Get­ty Images

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