…aber das einzige VfB-Tor ist ein Elfmeter-Nachschuss in letzter Minute. Auch im dritten Spiel in dieser englischen Woche blieb die Mannschaft unter ihren Möglichkeiten, diesmal stand sie sich aber vor allem selbst im Weg.
Klar, gegen Wolfsburg hätte ein bisschen mehr Reaktionsschnelligkeit bei den Turbokontern der VW-Angestellten nicht geschadet oder eine konsequentere Chancenverwertung. Gegen Prag traf man auf eine toporganisierte Abwehr eines Gegners der internationalen Mittelklasse, an der man sich die Zähne ausbiss. Die TSG Hoffenheim jedoch hatte bis dato schon 15 Gegentore kassiert, vier davon nach einer 3:0‑Führung im eigenen Stadion gegen Werder Bremen am vergangenen Wochenende. Kurz: Es sprach eigentlich nichts dagegen, dass der VfB mit einem Sieg in die Länderspielpause gehen würde. Und damit will ich den Hoffenheimern nicht grundsätzlich die Qualität ab‑, sondern sie vielmehr unserer Mannschaft zusprechen: Denn zuletzt war der VfB sehr gut darin, offensichtliche Schwächen des Gegners auszunutzen. Leider bieten wir aktuell selber dem Gegner zu viel an.
Dabei war die verstolperte Abwehraktion von Maxi Mittelstädt eigentlich gar nicht so dramatisch. Kann passieren, muss man drauf reagieren. Leider reiht sie sich aber auch ein in eine Serie von Stockfehlern, die uns schon gegen Mönchengladbach, aber auch in der Anfangsphase gegen Prag unterliefen. Mir ist noch nicht ganz klar, ob man sich seiner Sache zu sicher oder nicht sicher genug ist und ob aus diesem Zögern diese Fehler entstehen. Es ist vor allem der flache Spielaufbau hinten, in dem es die Mannschaft hinten etwas zu gemächlich angehen lässt und in dem Moment des Pressings nicht schnell genug den Schalter findet, um diese präzise zu überspielen. Gegen Hoffenheim kamen vor allem in der ersten Halbzeit noch zahlreiche verlorene Duell im Mittelfeld hinzu oder einfach zu zurückhaltende Zweikampfführung. Zum Beispiel in der vierten Minute, als Bülter sich mit einer einfachen Finte zu viel Platz im Mittelfeld verschaffte und Chabot im Strafraum seine Liebe Mühe hatte, Hlozek am Torschuss zu hindern. Am Ende klärte dann Maxi Mittelstädt auf der Linie.
Ärgerlich, aber keine Hypothek
Diese Trägheit verbaute dem VfB auch viele Offensivoptionen. Wie schon gegen Prag trafen die Brustringträger zu häufig die falsche Entscheidung, schleppten den Ball zu lang durch die Hoffenheimer Hälfte. anstatt mit schnellen Pässen die immer kleiner werdenden Räume zu nutzen, die einem die sich immer mehr aufs Verteidigen und Zeitschinden verlegenden Gäste boten. Am Ende blieb dann nur doch die Option, den Ball in den Strafraum zu flanken, was die Mannschaft ganze 39 Mal versuchte — mit überschaubarem Erfolg. Dass der VfB nach dem glasklaren Handelfmeter in der eigentlich schon abgelaufenen Nachspielzeit doch noch zum Ausgleich kam, war nach einer Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte teilweise verdient, zeitgleich belohnte sich die Mannschaft dafür, bis zuletzt um den einen Punkt zu kämpfen. Der erneute Torerfolg in der letzten Minute könnte auch durchaus weiter das Vertrauen der Mannschaft in die eigene Qualität stärken — noch hilfreicher wäre es allerdings, diese Qualität direkt auf den Platz zu bringen.
Nun geht es also mit neun Punkten auch sechs Spielen in die Länderspielpause, “zu wenig Punkte, um wirklich glücklich zu sein”, wie Sebastian Hoeneß es nach dem Spiel formulierte. Nicht etwa, weil man der vergangenen Saison nacheifert, sondern weil die Punkte — Hoeneß bezieht sich auf Mainz, Wolfsburg und Prag — eigentlich zu holen waren, der VfB aber nicht zugriff. Das ist ärgerlich, für die kommenden Wochen aber auch keine Hypothek. Positiv stimmt, dass man sich beim VfB nicht mehr unter Verweis auf Gegner, Schiedsrichter, Wetter, Stimmung und Horoskop damit zufrieden gibt, sondern die Probleme konkret anspricht. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass die Mannschaft sich weiterhin in einem Prozess befindet, in dem sie sich nach einer rauschhaften Saison an die neuen Gegebenheiten anpassen muss.
Ein Prozess
Das heißt nicht, dass man schlechte oder wie zuletzt schlicht für einen Sieg unzureichende Leistungen nicht thematisieren sollte. Aber offenbar gelingt der Mannschaft noch nicht der überraschende Spielaufbau, der in der letzten Saison — und in dieser Spielzeit Dortmund — so überrumpelte. Natürlich fehlt in Guirassy auch ein Zielstürmer, der vielleicht mal aus wenig mehr macht. Und schließlich spielen die Gegner jetzt nicht mehr gegen den Fastabsteiger, sondern gegen den Vizemeister und begnügen sich dann damit, uns mit Nadelstichen zu nerven und dann das eigene Tor zu verrammeln. Der Schlüssel dagegen sind funktionierende Abläufe und das kleine Quäntchen Extra-Bereitschaft, ohne die auch letzte Saison schon nichts ging. Mit Ameen Al-Dakhil stößt nach der Länderspielpause voraussichtlich ein Spieler dazu, der schon ein paar Trainingseinheiten unter Hoeneß in den Beinen hat und für genau dieses überraschende Moment im Spielaufbau sorgen kann. Aber auch das alleine wird nicht reichen. Die Mannschaft muss gemeinsam den nächsten Schritt zu konstanteren Leistungen machen.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images
Ich denke, Hoeneß sieht es ganz gut. Den Vergleich zur Vorsaison darf man nicht ziehen, sonst kann man fast nur enttäuscht werden. Auch wenn es nicht unbedingt realistisch ist, dass der Vizemeistertitel verteidigt wird, so kann am Ende jeder “verschenkte” Punkt schmerzen. Und gerade jetzt am Anfang wäre wirklich mehr drin gewesen. Wer weiß denn schon, wie die restliche Saison verlaufen wird… Trotzdem habe ich die Hoffnung, dass Hoeneß die Truppe wieder zu besseren Leistungen bringen kann und bin sehr froh über ihn als Trainer.