So sind wir, so isch dr VfB

Der VfB gerät in Ber­lin früh in Rück­stand und fin­det kein Mit­tel, um die­sen auf­zu­ho­len. Nicht zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son zeigt sich die Mann­schaft erschre­ckend lern­re­sis­tent.

Die ers­ten 20 bis 30 Minu­ten, sag­te Sport­di­rek­tor Sven Mislin­tat am Sonn­tag­abend, “das sind nicht wir”. Und ich weiß natür­lich, was er meint — so soll­ten wir nicht spie­len — muss ihm aber lei­der wider­spre­chen: Was der VfB in der ers­ten Halb­zeit dar­bot, hat man in die­ser Spiel­zeit lei­der schon zu oft gese­hen: Man­geln­de Durch­set­zungs­fä­hig­keit in Zwei­kämp­fen, unbe­dräng­te Fehl­päs­se und Pro­ble­me in der Rück­wärts­ver­tei­di­gung. Dazu ein teil­wei­se frap­pie­ren­der Man­gel an Spiel­in­tel­li­genz. So darf es dir nicht pas­sie­ren, dass Dein ehe­ma­li­ger Mit­spie­ler nach einem Eck­ball qua­si unge­deckt zum Kopf­ball anset­zen darf und damit fast ein Tor erzielt, dass er in der Hin­run­de noch mit dir gemein­sam gefei­ert hat. Du musst wis­sen, was ein Kempf bei Ecken macht, ohne dass es Dir der Trai­ner erklärt.

Aber viel sinn­bild­li­cher für die Pro­ble­me, vor denen der VfB steht, war das letzt­lich spiel­ent­schei­den­de 1:0. Denn der Fehl­pass von Hiro­ki Ito war nicht der ers­te die­ser Sor­te in den ver­gan­ge­nen Wochen und auch in die­sem Spiel nicht der letz­te. Egal ob es als Spiel­eröff­nung oder als Befrei­ungs­schlag gedacht war: Es gibt bes­se­re Lösun­gen als die­se Fehl­päs­se ohne wirk­li­chen Geg­ner­druck und sie berau­ben dich gleich­zei­tig Dei­ner gro­ßen Stär­ke, auf die auch Dein Kader aus­ge­rich­tet ist: Ball­be­sitz. Nicht nur in die­ser Situa­ti­on, son­dern viel zu häu­fig schlägt der VfB lan­ge Bäl­le, ohne das wei­te­re Spiel an die­ses Stil­mit­tel anzu­pas­sen. Ent­we­der ist nie­mand auf­ge­rückt, um Kalajd­zics Able­ger auf­zu­neh­men oder der VfB kommt nicht in die Zwei­kämp­fe und ver­liert damit nicht nur den ers­ten Ball, son­dern auch den zwei­ten.

Worst case: Auswärts in Rückstand

Der nächs­te Punkt in der Feh­ler­ket­te ist das Lauf- und Stel­lungs­spiel. Zunächst sind sich Anton und Endo nicht einig, wer ins Pres­sing geht und las­sen der Her­tha so die Zeit und den Raum, das Spiel auf links zu ver­la­gern, wo Tia­go Tomás sich von Mar­vin Plat­ten­hardt ver­na­schen lässt, dabei aber auch kei­ne Unter­stüt­zung von Pas­cal Sten­zel erhält, der eher halb­her­zig den mit­ge­lau­fe­nen Boat­eng deckt und somit bei der Halb­feld­flan­ke irgend­wo im Nie­mands­land steht. Was aus­sieht wie Geleit­schutz ist eine Ket­te von Fehl­ent­schei­dun­gen oder Unent­schlos­sen­hei­ten gegen eine Mann­schaft, die genau weiß, was sie will.

Dass am Ende Davie Sel­ke in Bor­na Sosas Rücken das 1:0 macht, ent­behrt nicht einer gewis­sen Komik — sind schar­fe Flan­ken in den Rücken der Abwehr doch Sosas Para­de­dis­zi­plin. Aber hier zeigt sich — neben der schwa­chen Ver­tei­di­gung auf den Außen — auch eine wei­te­re Schwä­che: Der VfB ist in der Rück­wärts­be­we­gung zu unsor­tiert, Sosa und Endo schei­nen von Sel­kes Anwe­sen­heit gera­de­zu über­rascht zu sein. Eine Ket­te von Unzu­läng­lich­kei­ten und schwupps stehst Du genau da, wo Du in die­sem Spiel nie ste­hen woll­test: Du musst aus­wärts bei einem zwei­kampf­star­ken Geg­ner einem Rück­stand hin­ter­her­lau­fen. Was lei­der in die­ser Sai­son nie gut aus­ging.

Spielerische und mentale Verweigerung

Was erschre­ckend ist: VfB-Vize­meis­ter-Trai­ner Felix Maga­th muss­te das Rad bei der Her­tha nicht neu erfin­den, um den zwei­ten Drei­er in Fol­ge ein­zu­fah­ren und den VfB damit in eine äußerst pre­kä­re Tabel­len­si­tua­ti­on zu brin­gen. Es reich­te schon, hin­ten kon­zen­triert zu ver­tei­di­gen und im Mit­tel­feld die Zwei­kämp­fe zu gewin­nen. So ent­schei­dest Du ein Spiel zwi­schen zwei spie­le­risch limi­tier­ten Mann­schaf­ten, gemein­hin auch als Abstiegs­kampf bekannt. Und obwohl dem VfB die­se Fehl­päs­se und nicht mit letz­ter Kon­se­quenz geführ­ten Zwei­kämp­fen bereits mehr­fach auf die Füße fie­len, hat die Mann­schaft dar­aus nichts gelernt.

Der VfB 2021/2022 ist und bleibt ein labi­les Gebil­de und droht jetzt, dra­ma­tisch Schiff­bruch zu erlei­den. Der Mann­schaft gelingt es weder men­tal, noch spie­le­risch sich an die Vor­ga­ben des Trai­ners zu hal­ten, die sich seit letz­ter Sai­son nicht geän­dert haben dürf­ten: Ball­be­sitz­fuß­ball, aber mit muti­gen, ver­ti­ka­len Ele­men­ten und Bereit­schaft zum Risi­ko, aber auch zum Gegen­pres­sing. Statt­des­sen ver­fällt die Mann­schaft ent­we­der in Wal­ter­ball oder gibt die Kon­trol­le über Ball und Spiel frei­wil­lig her. Viel­leicht sind auch die Vor­ga­ben das Pro­blem. Nicht zum ers­ten Mal war Sasa Kalajd­zic völ­lig abge­mel­det und Sosa auf dem Flü­gel harm­los. Aber mit der Umstel­lung auf ein 4–3‑3 hast Du eigent­lich genü­gend ande­re Optio­nen gewon­nen.

Konzentration und Zweikampfstärke

Die Du aber nicht nut­zen kannst, wenn Dei­ne Außen­stür­mer zwar viel ren­nen, wie Thom­my und Tomás, aber wenig errei­chen und Dir zen­tral außer Distanz­schüs­sen genau auf den Tor­wart nicht viel ein­fällt. Es reicht ein­fach vor­ne und hin­ten nicht — wie schon so häu­fig. Was unglaub­lich frus­trie­rend ist, denn es fehlt eigent­lich nicht viel, wie schon gegen Mainz und Bie­le­feld wo man die Chan­ce ver­strei­chen ließ, sich unten abzu­set­zen. Bis es kei­ne Chan­ce mehr gab, denn das war die letz­te Mög­lich­keit, den Klas­sen­er­halt aus eige­ner Kraft zu sichern.

Statt­des­sen müs­sen wir uns wohl, wenn nicht noch ein Wun­der geschieht, wie vor drei Jah­ren auf die Rele­ga­ti­on ein­stel­len, wenn wir jetzt nicht gleich kom­plett in Pes­si­mis­mus ver­fal­len wol­len. In der Mann­schaft muss jetzt schleu­nigst ein Lern­pro­zess grei­fen, egal ob der Anreiz dazu von außen oder von innen kommt. Wenn es Her­tha gelingt, sich mit ein­fachs­ten Mit­teln da unten raus­zu­ar­bei­ten, muss uns das auch gelin­gen. Kon­zen­tra­ti­on und Zwei­kampf­stär­ke. Mehr erwar­te ich gar nicht. Über alles ande­re müs­sen wir dann nach der Sai­son reden.

Titel­bild: © Maja Hitij/Getty Images

5 Gedanken zu „So sind wir, so isch dr VfB“

    • Es ist ein Trau­er­spiel. Woche für Woche der­sel­be Kick! Mehr als Ansät­ze sind lei­der, eigent­lich seit Beginn der Rück­run­de, nicht zu sehen.
      Was mit dem 0:0 gegen auf­op­fe­rungs­voll auf­spie­len­de Für­ther begann nimmt mit einer wild zusam­men­ge­wür­fel­ten Söld­ner­trup­pe aus Ber­lin, die von einem Space Cow­boy Coach sowas wie das letz­te Gebet ein­ge­bläut bekom­men hat, ein wei­te­res Kapi­tel.
      Es ist abso­lut unsäg­lich dar­über zu spre­chen oder gar dar­über zu schrei­ben, aller­dings habe ich die Hoff­nung das es was hilft. Ob mir als treu­em Beglei­ter oder dem ein oder ande­ren kicken­den Ange­stell­ten beim VfB.
      Tat­säch­lich bedarf es kei­ner höhe­ren Mathe­ma­tik um zu erken­nen, dass wir mit unse­rer eige­nen Dumm­heit nur noch von grö­ße­rer Unfä­hig­keit, zu über­tref­fen sind. Wenn uns nicht die Bie­le­fel­der die­sen Gefal­len tun, dann viel­leicht erst in der Rele­ga­ti­on, fre­ne­tisch kämp­fen­de St. Pau­lia­ner oder ein bis zum umfal­len lau­fen­des Darm­stadt oder gar zu allem Über­fluss der seit Jah­ren noch däm­li­che­re HSV? Wer weiß das schon…?
      Eins ist sicher, wenn wir kei­ne Tore schie­ßen, nicht dage­gen hal­ten wie rich­ti­ge Fuß­bal­ler, wei­ter so stüm­per­haft spie­len wie klei­ne Schul­bu­ben und uns von dem kleins­ten Furz jedes Mal aufs Neue ein­schüch­tern las­sen, dann gehen im Mai mal wie­der die Lich­ter aus. Egal ob gegen Darm­stadt, Pau­li, Ham­burg oder wen auch immer.
      Ich kann mir eine solch phleg­ma­ti­sche Leis­tung wie vom Sonn­tag nicht erklä­ren. Es geht um fast Alles und ich habe eine sel­ten gute Chan­ce mich aus dem gan­zen Schla­mas­sel etwas zu befrei­en. Doch die­se Chan­ce wur­de wohl im Mann­schafts­bus ein­ge­sperrt zurück gelas­sen.
      Es fehlt nicht viel…, und doch fehl­te so ziem­lich alles was einem Mut macht, nicht wie­der abzu­stei­gen.
      Die nächs­ten Spie­le wer­den wir sehen wie viel Cha­rak­ter die Trup­pe hat, bevor sich eini­ge, egal wel­cher Liga wir nach die­ser Sai­son ange­hö­ren, „wohl­ver­dient“ aus dem Staub machen.
      Es bleibt zu hof­fen, dass wir uns dar­an ver­su­chen dür­fen, die­se Ansät­ze kom­men­de Run­de wei­ter­hin in Liga 1 ver­fei­nern zu dür­fen. Mit altem oder neu­em Per­so­nal. Wer weiß das schon…

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  1. Zur Rele­ga­ti­on müs­sen wir gar nicht antre­ten. Gegen einen bis in die Haar­spit­zen moti­vier­ten Zweit­li­gis­ten wer­den wir nie und nim­mer bestehen kön­nen. Das pas­siert wenn Du alle erfah­re­nen Spie­ler abgibst und dich mit einer Nach­wuchs­trup­pe in den Abstiegs­kampf begibst. Viel Erfolg beim Wei­ter­ent­wi­ckeln jun­ger Spie­ler in der Müh­le 2.Liga. Dort muß mit noch weni­ger Geld viel mehr geleis­tet wer­den. Was haben wir frü­her die Fahr­stuhl­mann­schaf­ten belä­chelt, jetzt sind wir sel­ber das Para­de­bei­spiel dafür.

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    • Hi,

      ja, wir ste­hen schon mit einem Fuß im Fahr­stuhl. Ich sehe weni­ger das Pro­blem in der Erfah­rung an sich — in Ber­lin war mit Tomás nur ein Spie­ler unter 22 — son­dern die Kader­tie­fe. Aber ja: Spie­ler ent­wi­ckeln sich bes­ser, wenn es nicht um alles oder nichts geht.

      Vie­le Grü­ße

      Lenn­art

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