So geht es nicht

Die 0:5‑Klatsche im Neckar­sta­di­on gegen die Bay­ern ist einer­seits his­to­risch — die höchs­te Nie­der­la­ge unter Sebas­ti­an Hoe­neß, eine der höchs­ten Heim­plei­ten der Ver­eins­ge­schich­te — und bestä­tigt ande­rer­seits einen kurz­fris­ti­gen Trend. Sie soll­te aber vor allem als War­nung die­nen.

Das war er also wie­der, der Zahn­arzt­be­such, vor dem man jetzt erst­mal bis Mit­te April Ruhe hat. Dass der 3:1‑Heimsieg auf dem Weg zur Vize­meis­ter­schaft der eine Sieg gegen die Bay­ern war, den wir pro Jahr­zehnt fei­ern dür­fen, war ja schon rela­tiv offen­sicht­lich. Dass der VfB aber beim Auf­stieg zum Süd­gip­fel der­art unter einer Lawi­ne von Münch­ner Toren begra­ben wer­den wür­de, war nicht unbe­dingt abzu­se­hen — und passt auch nicht mehr zum aktu­el­len Selbst­ver­ständ­nis der Mann­schaft aus Bad Cannstatt unter Sebas­ti­an Hoe­neß. Fünf Gegen­to­re in einem Spiel, ohne sel­ber etwas dage­gen set­zen zu kön­nen — das wirkt wie ein Relikt des alten VfB. Ja, das 0:4 im Hin­spiel letz­te Sai­son, ja die Packung in Bel­grad und natür­lich das 1:5 in Salz­burg-Nord zwi­schen den Schüt­zen­fes­ten gegen Bochum und Frei­burg. Es gab schon ein paar Spie­le, die aus dem Ruder lie­fen. Aber im eige­nen Neckar­sta­di­on, in dem wir bis dato über­haupt erst vier Gegen­to­re kas­siert haben? Das erin­nert mehr an die schwe­re Zeit im Abstiegs­kampf vor ziem­lich genau vier Jah­ren: Drei mal Gna­b­ry, zwei Mal Lewan­dow­ski, inner­halb von fünf Minu­ten in der zwei­ten Halb­zeit war aus einer nor­ma­len Nie­der­la­ge eine Tracht Prü­gel gewor­den.

Aber der neue VfB: Der lässt sich eigent­lich nicht mehr im eige­nen Wohn­zim­mer von den gro­ßen Bay­ern ver­prü­geln. Sicher, irgend­wie gewin­nen die immer. Aber so? Das ent­täu­schen­de an der Nie­der­la­ge am Sams­tag­nach­mit­tag ist wie so häu­fig nicht das ob, son­dern das wie. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Mann­schaft im Brust­ring bis zur etwa 60. Minu­te eine eher harm­lo­se, aber kei­ne kom­plett chan­cen­lo­se Par­tie ablie­fer­te. Dabei bestä­tig­te sie den Trend der letz­ten bei­den Aus­wärts­spie­le in Pokal und Liga: Die Spie­ler wir­ken müde, unin­spi­riert, es fehlt die viel­zi­tier­te Gier nach dem Sieg. In Ham­burg ver­sucht man fast eine Halb­zeit lang die wider­spens­ti­gen Han­sea­ten zu zäh­men und ver­gisst dar­über die Grund­re­geln der Kon­ter­ab­si­che­rung. In Bochum hin­ge­gen traf man auf einen spie­le­risch stär­ke­ren Geg­ner, der sich in Per­son sei­nes Ver­tei­di­gers qua­si sel­ber schlug. Mit der glei­chen Geis­tes­hal­tung ging man in die­ses Spiel gegen die Bay­ern: Mal schau­en, was wird (was wird).

Aufgegeben wird in Stuttgart nur die Post

Anders lässt es sich nicht erklä­ren, war­um zum Bei­spiel Jamie Lewe­ling beim 0:1 das Ver­tei­di­gen ein­stellt, war­um beim 2:0 erst Che­ma den Sech­ser­raum ohne Not auf­macht und dann die Vie­rer­ket­te ver­sucht, Har­ry Kane mit Syn­chron-Rück­wärts­lau­fen zu beein­dru­cken. War­um Sta­ni­sic über­haupt zum Schuss kommt, den Nübel zum ungüns­tigs­ten Zeit­punkt für ihn und uns durch­rut­schen lässt. War­um man beim Stand von 0:3 nicht end­lich den Abwehr-Jeff ein­wech­selt und ver­sucht Scha­dens­be­gren­zung zu betrei­ben und sich statt­des­sen aus­kon­tern lässt. Und war­um man selbst dann den Laden nicht sau­ber hal­ten kann und sich noch ein fünf­tes ein­schen­ken lässt. Wie schon im Super­cup hat­te man sich für die­ses Spiel mehr vor­ge­nom­men, als man auf den Platz brin­gen konn­te.

Ja, es hät­te viel­leicht anders lau­fen kön­nen, wenn Niko­las Nar­tey nach vier Minu­ten VAR-Wich­tel­su­che nicht im Abseits gestan­den hät­te und sei­ne star­ke Leis­tung mit einem Tor hät­te krö­nen kön­nen. Viel­leicht wäre es am Ende nur eine nor­ma­le Nie­der­la­ge gewor­den. Viel­leicht kann man ein 0:5 in einem Heim­spiel auch als Anoma­lie der Natur abtun, wäre da nicht die­ses Zitat von Deniz Undav: “Wir haben sie ein­fach machen las­sen, wir haben uns gefühlt irgend­wann erge­ben. Hat­ten selbst nicht mehr den Glau­ben dar­an und das macht es umso schlim­mer.” Hier soll­te nicht nur Sebas­ti­an Hoe­neß auf­hor­chen, denn dass sich eine VfB-Mann­schaft in ihr Schick­sal ergibt, erklärt zum einen das letz­te, teil­wei­se aber auch das vor­letz­te Gegen­tor und das hat es so in den letz­ten Jah­ren eigent­lich nicht gege­ben.

Von der Spitze verabschiedet

Dabei ist in der Tabel­le eigent­lich nicht viel pas­siert. Mit Punk­ten aus die­sem Spiel konn­te man sowie­so nicht pla­nen, dass es in Ham­burg kei­ne gab, schmerzt viel eher. Die Mann­schaft kann es sich sich aber nicht erlau­ben, sich auf­zu­ge­ben, sich frei­wil­lig davon zu ver­ab­schie­den an die eige­ne Leis­tungs­gren­ze zu gehen. Wenn sich das wie­der­holt, kann Sebas­ti­an Hoe­neß, wie von man­chem vor­ab gefor­dert, in sol­chen Spie­len wirk­lich die hin­te­ren Kader­plät­ze ins Ren­nen und die Punk­te mit der Post schi­cken. Eine sol­che Hal­tung ist inak­zep­ta­bel und führt auch mit Sicher­heit nicht dazu, dass man sei­ne Sai­son­ziel erreicht — weder die per­sön­li­chen, noch die als Mann­schaft.

Bevor man zum Jah­res­ab­schluss zu Hau­se auf Tel-Aviv und die über­ra­schend star­ken Hof­fen­hei­mer trifft und aus­wärts an die Weser, wo wir uns tra­di­tio­nell schwer­tun, muss die­ses Den­ken schnellst­mög­lich aus den Köp­fen ver­bannt wer­den. Denn sonst droht man wirk­lich die wei­ter­hin gute Aus­gangs­po­si­ti­on aufs Spiel zu set­zen. Die Dis­kus­si­on um die Taug­lich­keit zur Spit­zen­mann­schaft ist nach der zwei­ten Halb­zeit ohne­hin erst­mal been­det, auch wenn schon ande­re ver­meint­li­che direk­te Kon­kur­ren­ten ähn­lich vie­le Tore von den Bay­ern ein­ge­schenkt beka­men. Jetzt geht es erst­mal um die Plät­ze fünf und sechs — und dar­um, end­lich die vie­len indi­vi­du­el­len Pat­zer in den Griff zu krie­gen, die uns bei Mann­schaf­ten einer gewis­sen Klas­se um die Ohren flie­gen und bei beson­ders schwe­ren Geg­nern sogar die Punk­te kos­ten. Und vor allem dar­um, das Auf­ge­ben wie­der zu ver­ler­nen.

Titel­bild: © Alex Grimm/Getty Images

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