Bei der Mitgliederversammlung am Samstag wird auch des Präsidium des e.V. neu besetzt. Wir haben mit Bernadette Martini über ihre Kandidatur und ihre Ziele gesprochen.
Rund um den Brustring: Wie ist der Entschluss entstanden, für das Präsidium des VfB zu kandidieren?
Bernadette Martini: In meiner Zeit als Vereinsbeirat in der Säule Mitglieder und Fans musste ich schnell feststellen, dass ich meinen Erwartungen an mich nicht gerecht werden konnte. Ich bin immer wieder an Grenzen gestoßen und konnte mich, auch aufgrund der satzungsgemäßen Vorgaben, nur sehr begrenzt einbringen. Ich habe in meiner Amtszeit festgestellt, dass ich sowohl die Sprache der Mitglieder als auch die Sprache der AG-Vertreter sprechen und verstehen kann. Dies möchte ich nutzen, um den Verein zu einen und zwischen den Vertretern unterschiedlicher Positionen zu vermitteln, um den VfB gemeinsam weiterzuentwickeln. Daher ist für mich der Entschluss gereift, mich für das Präsidium zu bewerben.
Was wollen Sie anders und/oder besser machen als Ihre Vorgänger im Präsidium?
Ich werde die e.V.- und Mitgliederbelange immer über mein Handeln stellen und die Mitglieder mit strategischer Härte und geschickter Diplomatie vertreten. Der Dialog zwischen Mitgliedern und Fans und dem Präsidium ist für mich essenziell, deshalb werde ich bei den Spielen in der Cannstatter Kurve bleiben und auch wie gewohnt mit meinem Fanclub zu den Auswärtsspielen fahren, um den Austausch aufrechtzuerhalten und nahbar zu sein. Ich werde daran arbeiten, dass alle handelnden Personen ein angemessenes Rollenverständnis haben und entsprechend ihrer Rolle handeln. Eine transparente Kommunikation mit den Mitgliedern ist für mich selbstverständlich. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Mitbestimmung durch uns Mitglieder u.a. durch Satzungsänderungen ausgebaut wird.
75+1 muss in allen Gremien abgebildet sein, hier müssen wir im Präsidialausschuss eine Korrektur vornehmen.
Wo sehen Sie die wichtigsten Handlungsfelder im VfB e.V. in den nächsten Jahren?
- Weiterentwicklung und Stärkung der Abteilungen / neue Abteilungen über Kooperationen
- Vertretung des e.V. in der AG / Strategische Neubesetzung der e.V.-Sitze im Aufsichtsrat
- Mitgliederentwicklung
Und was sind Ihre Ziele für Ihre Amtszeit?
- Den Verein einen und nahbarer machen
- Verankerung des Ausgliederungsversprechens in der AG-Satzung im Rahmen einer moralisch verbindlichen Soll-Formulierung
- Mitbestimmung der Mitglieder ausbauen, z.B. durch die Wahl eines legitimierten Fanvertreters, der durch das Präsidium in den Aufsichtsrat berufen wird
- Museum als gemeinsames Projekt aller Gremien, Gruppierungen und Abteilungen
- Strahlkraft der Abteilungen erhöhen, Vereinsleben fördern
- Satzungsänderungen u.a. zum Aufgabenbereich des Vereinsbeirats als das Präsidium beratendes und kontrollierendes Gremium anstoßen
Mit welchen Maßnahmen wollen sie die Abteilungen des VfB e.V. — abgesehen vom Jugendfußball — weiter stärken?
- Einforderung der im Grundlagenvertrag vereinbarten Leistungen bei der AG
Wir müssen die Bedürfnisse und Erwartungen der Abteilungen betreffend Kommunikation, Finanzen sowie Marketing & Sponsoring klar kommunizieren und die Leistungserbringung im Sinne der Abteilungen einfordern.
- Strahlkraft der Abteilungen ausbauen
Die Abteilungen müssen sichtbarer gemacht werden. Dies können wir u.a. dadurch erreichen, dass wir einen wöchentlichen Newsletter mit allen Terminen der anstehenden Spiele und Wettkämpfe anbieten, indem wir Spiele/Wettkämpfe mit Spieltagen verknüpfen und den Eintritt in der Eintrittskarte für das Bundesligaspiel inkludieren oder indem wir an einem „Tag des Vereins“ allen Abteilungen die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren. Auch Kooperationen mit Schulen sollten ausgebaut werden, um den Nachwuchs zu sichern. Wenn die Abteilungen mehr ins Rampenlicht gerückt werden, steigert dies auch automatisch die Attraktivität für Sponsoren.
- Verbesserung der Infrastruktur
Alle Abteilungen sollten langfristig rund um den Neckarpark eine Heimat haben.
- Reaktivierung des Clubrestaurants als Vereinsheim für alle Abteilungen und Mitglieder oder Schaffung eines neuen Begegnungsraums.
- Vereinsleben ermöglichen und fördern
- Erweiterung des Angebots durch neue Abteilungen über Kooperationen mit bestehenden Vereinen, denn der Breitensport ist das Herzstück des Vereins
Halten Sie die Einrichtung eines festen Vereinsmuseums für sinnvoll und umsetzbar?
Ich halte die Einrichtung eines Vereinsmuseums nicht nur für sinnvoll, sondern für zwingend erforderlich, um die Tradition zu wahren und sie an die nächsten Generationen weiterzugeben. Für mich ist die Entwicklung eines Vereinsmuseums aber noch viel mehr, es ist für mich das verbindende Projekt, an dem alle gemeinsam arbeiten können, Mitglieder, Abteilungen, Vereinsbeirat, Präsidium und Vorstand.
Der VfB hat über 120.000 Mitglieder. Wie wollen Sie diese in das Vereinsleben einbinden?
Die Mitgliedsbeiträge stellen die Haupteinnahmequelle des e.V. dar. Man muss leider feststellen, dass der größte Teil Mitglied ist, weil die Mitgliedschaft Vorteile bezüglich Vorkaufsrecht auf Tickets oder Rabatte im Shop beinhaltet. Somit ist die Mitgliederzahl stark abhängig vom Erfolg der Profimannschaft. Wir müssen daran arbeiten, dass mehr Mitglieder Mitglied bleiben oder werden, weil sie sich mit dem Verein identifizieren, Teil der Gemeinschaft sein und mitbestimmen und mitgestalten wollen. Durch folgende Maßnahmen können wir dieses Ziel erreichen:
- Durch Integrität und Transparenz das Vertrauen in die Gremien stärken
- Vereinsleben ausbauen z.B. durch ein Sommerfest oder ein Fußballturnier nur für Mitglieder
- Mehr Beteiligung z.B. über Projektgruppen und mehr Mitbestimmung ermöglichen, um die emotionale Verbundenheit zu stärken
Wie stehen Sie zur Möglichkeit einer hybriden Mitgliederversammlung?
Ich als Mitglied kann eine hybride Mitgliederversammlung aus folgenden Gründen derzeit nicht befürworten:
- Die Mitgliederversammlung wäre dann öffentlich, der Einwahllink könnte weitergegeben werden, bzw. der Live-Stream könnte mitgeschnitten werden. Zudem sieht unsere Satzung keine Stimmrechtsübertragung vor. Faktisch käme eine hybride Mitgliederversammlung aber einer Stimmrechtsübertragung gleich, da die Zugangsdaten an Dritte weitergegeben werden könnten, die sich in der Folge stellvertretend an Abstimmungen beteiligen könnten. Um dies auszuschließen wäre eine Legitimierung, die mit hohen Kosten verbunden wäre, nötig.
- Viele Mitglieder haben unterjährig nicht die Zeit oder das Interesse, sich mit der Vereinspolitik und eventuell anstehenden Satzungsänderungen zu beschäftigen. Deshalb halte ich die Aussprache im Rahmen der Mitgliederversammlung für essenziell, die Vergangenheit hat gezeigt, wie wichtig diese für die Meinungsbildung der anwesenden Mitglieder sein kann. Meine Sorge ist, dass sich Mitglieder von zu Hause aus einwählen, aber die Mitgliederversammlung nicht verfolgen, sondern nur an Abstimmungen teilnehmen.
- Hybride Mitgliederversammlungen bedeuten für den e.V. erhebliche Mehrkosten. Bei anderen Vereinen hat sich gezeigt, dass sich die Teilnahmequote durch eine hybride Mitgliederversammlung nur geringfügig erhöht hat, wäre dies bei uns auch der Fall, so stünden die Mehrkosten für mich in keinem Verhältnis.
Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass ich trotz der Gesetzesänderung das Präsidium nicht befugt sehe, die Entscheidung über eine hybride Mitgliederversammlung zu treffen. Diese weitreichende Entscheidung muss die Mitgliederversammlung treffen.
Welches Verbesserungspotenzial sehen Sie noch bei der Satzung des e.V.?
- Es sollte über die Satzung geregelt werden, dass automatisch alle 3 Präsidiumsmitglieder einen Aufsichtsratssitz innehaben.
- Der Vereinsbeirat sollte über die Satzung als beratendes und kontrollierendes Gremium für das Präsidium etabliert werden. Es könnte unter anderem festgelegt werden, dass die Änderung des Grundlagenvertrages und die Kapitalerhöhung zustimmungspflichtig durch den Vereinsbeirat ist. Außerdem könnten wir das Präsidium dazu verpflichten, die Aufsichtsratsbesetzung mit dem Vereinsbeirat zu erörtern.
- Festlegen des Handlungsrahmens innerhalb dessen das Präsidium befugt ist, Aufgaben zu delegieren.
Würden Sie im Falle einer Wahl und der gleichzeitigen Wahl von Dietmar Allgaier zum Präsidenten die Einführung eines/r leitenden Angestellten im Verein, der dem Präsidenten die operative Arbeit abnimmt, begrüßen und unterstützen?
Ich sehe die Notwendigkeit den e.V. weiter zu professionalisieren, aber einen Geschäftsführer kann ich aus folgenden Gründen nicht befürworten:
- Wir haben sehr motivierte Mitarbeiter im Vereinsmanagement, die sehr gute Arbeit leisten und sich weit über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus für den Verein einsetzen. Ich halte es nicht für sinnvoll, sondern eher demotivierend, wenn man ihnen einen Geschäftsführer überstellen würde.
- Die Geschäftsführung des e.V. muss das Präsidium innehaben, denn diese sind hierfür von den Mitgliedern gewählt. Ein allein durch das Präsidium eingesetzter Geschäftsführer birgt die Gefahr, dass Entscheidungen an den Mitgliedern vorbei getroffen werden, die Mitglieder hätten keinen Zugriff auf diese Person.
Ich bin davon überzeugt, dass wir den Unterbau erweitern sollten und einem bestehenden Mitarbeiter über eine Unterschriftenregelung mehr Kompetenzen zukommen lassen sollten. Der Handlungsrahmen, innerhalb dessen das Präsidium Aufgaben delegieren kann, könnte durch die Mitgliederversammlung im Rahmen einer durch die Satzungskommission erarbeiteten Satzungsänderung festgelegt werden. Ich möchte dem neuen Präsidium hier nicht vorgreifen, aber dennoch ein Beispiel nennen, ich könnte mir unter anderem eine zusätzliche Stelle kombiniert für Finanzen und Fördermittel vorstellen. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, daher haben wir Zugriff auf vielfältige Fördermittel für unsere Abteilungen, ich gehe davon aus, dass das Potenzial diesbezüglich noch nicht ausgeschöpft ist.
Die Ressorts Recht, Finanzen, Mitgliederwesen, Marketing & Sponsoring und Kommunikation werden derzeit, wie im Grundlagenvertrag geregelt, durch die AG als Dienstleister für den e.V. erbracht. Ich halte nichts davon, wenn wir uns in diesen Ressorts eine Parallelwelt im e.V. aufbauen. Vielmehr müssen wir die über den Grundlagenvertrag vereinbarten Leistungen einfordern, wir müssen klar kommunizieren, was wir erwarten und was wir benötigen. Sollte sich in der Folge herausstellen, dass einzelne Leistungen nicht zufriedenstellend erbracht werden oder sich die AG als Dienstleister zum Nachteil für den e.V. herausstellen, dann müssen einzelne Leistungen aus dem Grundlagenvertrag herausgenommen werden, sodass der e.V. diese nicht mehr über den Grundlagenvertrag vergüten muss. In der Folge müssen die entsprechenden Stellen im e.V. geschaffen oder Aufträge extern vergeben werden.
Wie ist Ihre Haltung zum Aufsichtsratsvorsitz der VfB AG: Sollte dieser nur vom Präsidenten des e.V. gestellt werden oder kann es auch ein Präsidiums-Mitglied sein? Oder muss es überhaupt ein/e Vertreter/in des Vereins sein?
Den Aufsichtsratsvorsitz muss zwingend ein gewähltes Gremienmitglied innehaben. Wir Mitglieder haben durch die Ausgliederung jeglichen Zugriff auf den Profifußball und die AG verloren, einzig über den Aufsichtsratsvorsitzenden können wir noch bedingt Einfluss nehmen, wenn es sich um ein gewähltes Gremienmitglied handelt.
Auch, wenn bei der damaligen Mitgliederversammlung das Versprechen, dass der Präsident immer Aufsichtsratsvorsitzender sein wird, tatsächlich nicht geäußert wurde, so gilt es für mich dennoch, da es uns Mitgliedern im Vorfeld und im Nachgang mehrmals genau so versprochen wurde. Ich plädiere aber dafür, die anderen Präsidiumsmitglieder aus folgendem Grund nicht gänzlich auszuschließen:
Derzeit sind die beiden Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden die beiden Investorenvertreter. Sollte unser Präsident z.B. krankheitsbedingt für längere Zeit ausfallen, so hätte dies zur Folge, dass der Aufsichtsrat von den beiden Investorenvertretern geleitet wird, diese würden u.a. die Tagesordnung festlegen. Für einen solchen Fall sollte das Präsidium die Möglichkeit haben, ein anderes Präsidiumsmitglied zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden vorzuschlagen. Wichtig ist aber, dass nicht der Aufsichtsrat sich ein Präsidiumsmitglied aussucht, sondern wenn, dann beschließt das Präsidium, ein anderes Präsidiumsmitglied vorzuschlagen.
Diesen Passus möchte ich als moralisch verbindliche Soll-Formulierung in der AG-Satzung verankern, wobei ich die genaue Ausformulierung der Satzungskommission überlassen möchte und die Mitgliederversammlung über die Aufnahme abstimmen lassen möchte.
Aktuell ist der Aufsichtsrat der VfB AG mit 10 Personen besetzt, wovon fünf den VfB e.V. vertreten (Dietmar Allgaier, Andreas Grupp, Beate Beck-Deharde, Tanja Gönner und Alexander Kläger) je zwei den Investor Mercedes (Peter Schymon und Franz Reiner), je zwei den Investor Porsche (Lutz Meschke und Albrecht Reimold) sowie mit Tobias Röschl ein Vertreter des Investors JAKO. Ein weiterer Platz ist noch frei. Wie ist Ihre Haltung zur Sitz-Verteilung im Aufsichtsrat? Sollte dieser dem Verhältnis der Anteile an der VfB AG entsprechen (78,2 Prozent VfB e.V., 10,4 Prozent Porsche, 10,4 Prozent Mercedes, 1 Prozent JAKO) oder reicht eine einfache Mehrheit des e.V.?
Die Mehrheitsverhältnisse müssen in allen Gremien, also Aufsichtsrat und Präsidialausschuss abgebildet sein. Vier Sitze sind an je zwei Investorenvertreter vergeben. Für mich ist selbstverständlich, dass alle drei Präsidiumsmitglieder den e.V. im Aufsichtsrat vertreten. Auch dies sollten wir so in der e.V.-Satzung verankern. Die weiteren fünf e.V.-Sitze müssen durch das Präsidium an kompetente e.V‑Vertreter vergeben werden. Das Präsidium muss einen transparenten Prozess erarbeiten, wie die Aufsichtsratssitze zukünftig vergeben werden sollen. Wenn die nötigen Kompetenzfelder festgelegt sind, können die passenden Persönlichkeiten gesucht und gefunden werden. Es ist darauf zu achten, dass die Aufsichtsräte unabhängig von Vorständen, Investoren und weiteren handelnden Personen sind und sie müssen sensibilisiert werden, was es bedeutet, einen e.V.-Sitz im Aufsichtsrat innezuhaben.
Somit hätte der e.V. eine 2/3 Mehrheit, was die Anteilsverhältnisse annähernd abbilden würde.
Daran anschließend: Sollte der Aufsichtsrat in seiner jetzigen Größe beibehalten, vergrößert oder verkleinert werden?
Der Aufsichtsrat muss in seiner jetzigen Größe beibehalten werden, da bei einer Reduzierung auf 9 Sitze die Anteilsverhältnisse nicht mehr abbildbar wären. Eine Erweiterung auf 15 Sitze halte ich nicht für sinnvoll.
Sollte der Präsidialausschuss die Mehrheitsverhältnisse ebenso widerspiegeln oder sind Sie mit der derzeitigen Besetzung (zwei e.V.-Vertreter, je ein Investoren-Vertreter, Mehrheit des e.V. ist durch doppeltes Stimmrecht des Präsidenten gewahrt) zufrieden?
Auch im Präsidialausschuss müssen die Mehrheitsverhältnisse abgebildet sein. Ich hätte mir gewünscht, dass die Investorenvertreter sich einen Sitz im Präsidialausschuss teilen, dann hätte man den Präsidialausschuss bei drei Personen belassen können. Wenn der Präsidialausschuss, wie nun geschehen, auf vier Personen erweitert wird, hätte ich es für sinnvoll erachtet, wenn der vierte Sitz durch den e.V.-Vertreter mit Fußballkompetenz eingenommen würde.
Um 50+1 gerade noch so zu wahren, verfügt der Präsident im Falle einer Pattsituation über die Doppelstimme und es müssen nun immer beide Präsidiumsmitglieder anwesend sein, um beschlussfähig zu sein. Dies halte ich für die „schnelle Eingreiftruppe“ nicht für sinnvoll, da es die Handlungsfähigkeit dieses Gremiums einschränkt.
Ich kann derzeit nicht beurteilen, ob der Präsidialausschuss dauerhaft nötig ist oder ob der Aufsichtsrat diese Entscheidungen ebenfalls treffen könnte. Voraussetzung hierfür wäre mehr Vorlaufzeit für die Beschlussfassung.
Sehen Sie die Notwendigkeit, den Aufsichtsrat vor Ablauf der Amtszeit 2027 neu zu besetzen, was die Vertretung des VfB e.V. angeht?
Ja, diese Notwendigkeit sehe ich, dass wir den Aufsichtsrat vor 2027 strategisch neu aufstellen müssen.
Ich hatte nie den Eindruck, dass die Aufsichtsräte, die einen e.V.-Sitz innehaben, bewusst Entscheidungen gegen den e.V. getroffen haben, sondern mein Eindruck war und ist, dass ihnen zu keinem Zeitpunkt ihre Rolle erklärt wurde. Dennoch ist viel Vertrauen verloren gegangen und es muss bei jedem Vertreter hinterfragt werden, welcher Mehrwert für den VfB geboten wird.
In diesem Zusammenhang wünsche ich mir einen legitimierten Fanvertreter im Aufsichtsrat, da es wichtig ist, dass auch diese Sichtweise im Aufsichtsrat eingebracht wird. Für die Legitimierung gibt es für mich zwei Möglichkeiten:
Wir gründen eine Fanabteilung und wählen den Fanvertreter aus deren Mitte
oder
die Mitgliederversammlung wählt den Fanvertreter nachdem der Wahlausschuss die Kandidaten nominiert hat.
In beiden Fällen würde dem Präsidium empfohlen, den gewählten Fanvertreter in den Aufsichtsrat zu berufen.
Sehen Sie die Notwendigkeit, die Mitglieder über einen Verkauf von Anteilen über die 2017 beschlossenen 24,9 Prozent abstimmen zu lassen? Warum oder warum nicht?
Nein, diese Notwendigkeit sehe ich nicht und ich würde die Abstimmung in der Mitgliederversammlung auch nicht befürworten. Deutschlandweit ist 50+1 nicht verhandelbar, beim VfB ist für mich 75+1 nicht verhandelbar. Der Verein und insbesondere der Fußball gehört uns allen! Wenn wir weitere Anteile abgeben würden, so würde das die Identifikation mit dem Verein weiter schmälern und den Einfluss des e.V. in der AG erneut reduzieren.
Abgesehen davon sehe ich nicht die Notwendigkeit zusätzliche finanzielle Mittel für die AG über einen erneuten Anteilsverkauf zu generieren und wir müssen generell hinterfragen, ob der Verkauf von Anteilen während einer Phase, in der der Marktwert steigt, überhaupt Sinn macht. Wir müssen innerhalb der AG ein Gesamtkonzept entwickeln und den VfB durch erfolgreiche Arbeit und eine weitsichtige Finanzplanung auf solide Beine stellen.
Welche Themen, die Fans abseits des sportlichen Erfolgs bewegen, halten Sie für am wichtigsten?
Die Entfremdung von Vereinen und Verbänden von der Basis schreitet immer weiter voran. Die Fans haben den deutschen Fußball zu dem gemacht, was er heute ist. Deshalb müssen wir uns für den Erhalt der Fankultur in Deutschland einsetzen. Hierzu zähle ich folgende Aspekte:
- Bezahlbare Tickets
- Fangerechte Anstoßzeiten
- Einsatz gegen Kollektivstrafen und Stadt- und Stadionverbote ohne rechtskräftige Verurteilung
- Videobeweis abschaffen, damit der Fußball, der von Emotionen lebt, erhalten bleibt
- Verpflichtende Stadionallianzen
- Angemessene Behandlung von Gästefans bei Auswärtsspielen
- Kommission Fans und Fankulturen mehr Gehör verschaffen
Ich möchte diesbezüglich aber keine falschen Erwartungen wecken. Der Einsatz für den Erhalt der Fankultur in Deutschland ist dem Präsidium nur möglich, wenn der Aufsichtsrat und vor allem der Vorstand davon überzeugt werden können, diesen Weg zu gehen. Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, indem wir den daraus resultierenden Mehrwert für den VfB herausstellen.
Welche Lösungen sehen Sie für eine nachvollziehbare Verteilung von Eintrittskarten?
Die Verteilung der Eintrittskarten bzw. die begrenzte Anzahl an Tickets wird immer ein Streitthema bleiben. Wir verkaufen immer noch dasselbe Produkt, die Nachfrage ist aber massiv gestiegen.
Ich möchte mit klaren Handlungsempfehlungen daran mitwirken, den Mitgliederverkauf über den Ticketshop zu optimieren, hier sehe ich großen Handlungsbedarf.
Außerdem müssen wir ehrlich und transparent kommunizieren, wie wenige Tickets überhaupt für den Mitgliederverkauf zur Verfügung stehen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Wir haben 60.000 Plätze, davon sind 36.000 an Dauerkarteninhaber vergeben, 6.000 stehen den Gästen zu, zudem verfügen wir über ca. 3.500 Businessplätze und weitere Tickets gehen an Sponsoren. So kann sich jeder ausrechnen, wie wenige Tickets überhaupt an Mitglieder verkauft werden können.
Welche Rolle können Sie als Präsidiumsmitglied des e.V. im Spannungsfeld zwischen organisierten Fans, der Polizei und der Liga spielen?
Zunächst möchte ich meine Haltung zu diesem Spannungsfeld darlegen.
Grundsätzlich haben alle dieselben Pflichten und es gelten für alle in Deutschland dieselben einzuhaltenden Gesetze. In diesem Zusammenhang muss man aber im Gegenzug die Frage stellen, ob alle Fußballfans auch dieselben Rechte haben. Diese Frage muss ich aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus mit Nein beantworten.
Ich bin davon überzeugt, dass ich zwischen den einzelnen Interessensgruppen vermitteln kann, da ich die unterschiedlichen Haltungen verstehen kann. Da ich immer wieder mit der Fanszene reise und auch ich bereits zur falschen Zeit am falschen Ort war und die Übermacht der Polizei zu spüren bekommen habe, positioniere ich mich klar für die organisierten Fans. Die Frage wird sein, ob die Polizei und die Liga mich als Gesprächspartner akzeptieren. Dies wäre Voraussetzung für konfliktlösende Gespräche auf Augenhöhe. Fankultur braucht gewisse Freiräume, wenn hierfür eine Akzeptanz geschaffen werden könnte, würden alle Seiten davon profitieren.
Derzeit sehe ich aufgrund der Geschehnisse der letzten Jahre keine Möglichkeit alle Vertreter an einen Tisch zu bekommen, daher würde ich gerne zwischen den unterschiedlichen Vertretern vermitteln.
Sehen Sie sich durch Ihre Arbeit im Vereinsbeirat auf die Aufgaben im Präsidium vorbereitet und wenn ja, wie?
Ja, ich sehe mich durch die Arbeit im Vereinsbeirat sehr gut auf die Aufgaben im Präsidium vorbereitet. Ich kenne die internen Strukturen in e.V. und AG im Detail, ich kenne die handelnden Personen und weiß, wie ich mit wem sprechen muss, um bestimmte Ziele zu erreichen. Durch meine offene und ehrliche Art und die Art und Weise wie ich bisher mit Konflikten umgegangen bin, konnte ich mir allseits Respekt und Anerkennung verschaffen. Dies wird mir bei der Arbeit im Präsidium helfen.
Durch meine bisherige Arbeit kenne ich die Problemfelder sowie die Potenziale und kann sofort nach meiner Wahl in den Arbeitsmodus umschalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Titelbild: © Bernadette Martini