Wie ist die Lage beim französischen Meister aus Paris vor dem Showdowk heute Abend? Darüber sprachen wir mit Journalist und PSG-Experte Arthur Verdelet.
Rund um den Brustring: Hallo und Danke, dass Du Dir die Zeit für unsere Fragen nimmst. PSG hat die Ligue 1 die letzten drei Jahre gewonnen und ist aktuell Double-Sieger in Frankreich. Aktuell hat die Mannschaft wieder einen großen Vorsprung auf Marseille. Wie siehst Du die Chancen auf die Titelverteidigung?
Arthur: PSG ist tatsächlich sehr gut auf Kurs, seinen Titel in der Ligue 1 zu verteidigen, angesichts der 10 Punkte Vorsprung auf OM. Dieser PSG gewinnt vielleicht nicht immer, aber verliert nie in Frankreich, während die Konkurrenten (Marseille, Monaco oder Lille) nicht in der Lage sind, konstante Leistungen zu zeigen. Es ist also unmöglich, mit dem Tempo mitzuhalten.
In der Champions League hingegen kämpft man am Mittwoch um den Verbleib im Wettbewerb. Warum kann PSG international nicht an die Leistungen der Liga anknüpfen?
Paris hat unter einem großen Mangel an Effizienz gelitten und zahlt wahrscheinlich den Preis für die Jugend und Unerfahrenheit seines Teams in großen Spielen. Das war gegen Girona sichtbar (1:0 in der Schlussphase), aber auch gegen PSV Eindhoven (1:1) oder RB Salzburg (3:0), die Paris durchaus hätte schlagen können. Dieser Mangel an Präzision im Abschluss, kombiniert mit defensiven Fehlern oder Patzern des Torhüters, hat dazu geführt, dass Paris mit dem Rücken zur Wand steht. Gegen Arsenal (0:2) oder Bayern (0:1) konnte Paris nicht bestehen. Der Sieg gegen Manchester City (3:2) gibt jedoch einen Funken Hoffnung.
Am Wochenende konnten beide Vereine nicht gewinnen. Der VfB verlor in Mainz, Paris spielte nur 1:1 gegen Reims. Hat das Deiner Meinung nach eine Bedeutung für das Spiel am Mittwoch?
Nein, nicht besonders. Gegen Reims hat Luis Enrique einige Stammspieler geschont, die für Mittwoch eingeplant sind. Paris fehlte erneut dieser Funke, dieses gewisse Etwas im Angriff oder Mittelfeld, um zu gewinnen. Dennoch war das Spiel meiner Meinung nach kohärent und beruhigend.
Was würde ein Aus am Mittwoch für den Verein bedeuten?
Es wäre natürlich eine riesige Enttäuschung für PSG und seine Führung. Doch das Projekt scheint heute anders und langfristiger angelegt zu sein. Präsident Nasser Al-Khelaifi hat mehrfach betont, dass die Zukunft von Luis Enrique davon nicht abhängt. Ich bin gespannt.
Wie blickt man in Paris auf Stuttgart?
Es ist ein junges, ziemlich aufregendes Team, das scheinbar attraktiven Fußball spielt. Mir gefällt die Philosophie eures Trainers. In Frankreich behalten wir auch Anthony Rouault, Enzo Millot und den ehemaligen Spieler von Rennes, Fabian Rieder, im Auge, der in dieser Saison endlich aufblüht. Der PSG wirkt jedoch überhaupt nicht besorgt und sehr selbstbewusst.
Siehst Du die Gefahr, dass sich beide Mannschaften im Laufe des Spiels auf ein Unentschieden einigen, mit dem beide eine Runde weiterkommen würden?
Nein. Ich hoffe es zumindest nicht. Enrique betont immer wieder, dass er überall und jederzeit gewinnen will.
Zum Trainer von Paris: Wie ist deine Meinung zu Luis Enrique und wie lässt er die Mannschaft spielen, was Formation und Taktik angeht?
Er ist ein Trainer mit einem klaren Spielkonzept, der von seinen Spielern 100%ige Unterstützung verlangt, auch wenn er dabei einen Teil der Mannschaft verärgert. Im November und Anfang Dezember hatte er eine schwierigere Phase, aber er hat es geschafft, die Egos zu managen und auf seine Spieler zu hören. Er möchte den Ball so oft wie möglich besitzen und ihn schnell zurückerobern, wenn er verloren geht. Paris spielt fast immer in einem 4–3‑3, mit einem Aufbau über drei Verteidiger am Ball. Hakimi hat dabei viele Freiheiten. Mendes hat im Laufe der Wochen ebenfalls mehr Freiheiten erhalten, ist aber für das kommende Spiel gesperrt und wird durch einen defensiveren Spieler ersetzt.
Wo siehst Du die Stärken und Schwächen von PSG?
Ich würde sagen, PSG ist ein spannendes Team, das sich noch entwickelt, aber immer noch an Konstanz mangelt. Luis Enrique möchte konstanten Ballbesitz und totale Spielkontrolle über 90 Minuten entwickeln, doch Paris hat in seinen Spielen immer wieder Konzentrationslücken. Das Pressing verbessert sich in dieser Saison deutlich, und alle machen mit – anders als in der vergangenen Saison. Wer nicht mitzieht, spielt nicht. Die Stärke von PSG ist seine Unberechenbarkeit und das Überzahlspiel, das seine Außenverteidiger, besonders Achraf Hakimi, schaffen, wenn sie sich ins Spiel und in die Offensive einschalten. Ich finde außerdem, dass PSG am besten und sichersten ist, wenn es die Geschwindigkeit seiner Angreifer in Konterangriffen oder bei schnellen Vorstößen ausnutzt. Das steht zwar teilweise im Widerspruch zum Spielkonzept, ist aber notwendig.
Bei den Schwächen fällt der Mangel an Effizienz auf, der in dieser Saison ziemlich konstant ist, sowie vermeidbare Torwartfehler (Donnarumma gegen Arsenal, Safonov gegen München). Auch wenn der Torwart insgesamt stark spielt, können solche Fehler ein Spiel kosten. Defensiv muss das Team aufmerksam bleiben, und das Mittelfeld – das oft physisch in den Zweikämpfen unterlegen ist – muss sich durchsetzen können.
Paris hat eine Mannschaft voller Stars. Welcher könnte am Mittwoch den Unterschied machen?
Ich schwanke zwischen Bradley Barcola, der in den letzten Tagen wieder in Form gekommen ist und gegen City nach einer schwierigen Phase entscheidend war, und Ousmane Dembélé, der seit Dezember regelmäßig trifft (13 Tore in dieser Saison). Sie sind die beiden Hauptgefahren und Spielmacher von PSG. Ich würde mich jedoch für Barcola entscheiden, der vielleicht den erhofften Durchbruch erlebt hat.
Zum Abschluss: Dein Tipp für die Startelf und das Ergebnis?
4–3‑3: Donnarumma – Hakimi, Marquinhos (Kapitän), Pacho, Hernandez – Vitinha, Zaïre-Emery (oder Ruiz), Neves – Barcola, Dembélé, Doué
Ich tippe auf ein 2:1 für PSG, das meiner Meinung nach definitiv ein Tor schießen wird, aber es fällt ihnen schwer, in dieser Saison kein Gegentor zu kassieren.
Titelbild: © Matthias Hangst/Getty Images