Kurz vor der nächsten Länderspielphase erwartet der VfB noch die Mannschaft der Stunde, die Frankfurter Eintracht im Neckarstadion. Die SGE hat scheinbar wieder zu alter Stärke zurückgefunden, auch wegen eines ehemaligen Stuttgarters. Für die Spieler mit dem Brustring der nächste richtige Härtetest.
Früher waren Spiele gegen Frankfurt, egal ob im Neckar- oder im Waldstadion, ja die reinste Qual. Nach dem Abstieg 2016 und dem gleichzeitigen Erfolg der Eintracht in der Relegation entwickelten sich beide Vereine in komplett gegensätzliche Richtungen: Während der VfB insgesamt zwei Jahre in der zweiten Liga rumkrebste und weitere zwei Jahre ums sportliche Überleben in der Bundesliga kämpfte, eilte die Eintracht von Erfolg zu Erfolg, feierte rauschende Europapokalnächte und krönte sich schließlich mit dem ersten internationalen Titel seit über vierzig Jahren. Im direkten Duell zog der VfB meist den kürzeren, courtesy of Filip Kostic, der uns ein ums andere Mal einen Ball von der linken Außenbahn aus ins Tor nagelte.
Das Pokalhalbfinale 2023, bei dem schon Sebastian Hoeneß an der Seitenlinie stand, war hingegen ein erster Fingerzeig, dass diese Zeiten vorerst vorbei sind: Das Neckarstadion vibrierte, als der VfB und die Eintracht lange um den Finaleinsieg rangen und auch wenn die Frankfurter am Ende die Oberhand behielten, erinnerte die Partie eher an das legendäre 5:4 im Waldstadion denn an die sonstigen enttäuschenden Auftritte gegen die Südhessen. In der vergangenen Saison wendete sich dann das Blatt vorübergehend: In Frankfurt setzte sich der VfB in einem von einem undurchsichtigen Polizeieinsatz überschatteten Spiel knapp durch, das Rückspiel im Neckarstadion war recht eindeutig. Die Eintracht zog am Ende erneut in die Europa League ein, der VfB in die Champions League, wo wir uns am Mittwoch den Frankfurter Freunden aus Bergamo geschlagen geben mussten — zum ersten Mal seit über einem Jahr in unserem Wohnzimmer.
Wozu die lange Vorgeschichte? Zum einen freue ich mich auf das Duell zweier spielstarker Mannschaften auf Augenhöhe mit zwei Fanlagern, die mit Sicherheit erneut für eine herausragende Stimmung sorgen werden. Andererseits besorgt mich die starke Form von Omar Marmoush und der Aberglaube, dass Ex-Spieler immer gegen uns treffen. Ist der VfB stark genug, binnen einer Woche den dritten starken Gegner zu bespielen und am Ende zu besiegen und dabei anders als in Leverkusen und gegen Bergamo ein Tor zu schießen?
Was uns zur
Personalsituation
bringt. Deniz Undav hatte sich am Mittwoch eine Zerrung im hinteren Oberschenkel zugezogen, laut Hoeneß ist ein Startelfeinsatz am heutigen Nachmittag eine “Punktlandung”. Jeff Chabot hingegen, der erst im Pokal verletzt und dann beim Meister gesperrt fehlte, war auch in der Champions League noch nicht fit für die Startelf. Hoffen wir, dass er es heute ist, auch wenn ich Anthony Rouault und Anrie Chase nur wenig Vorwürfe machen will. Leo Stergiou stand schon am Mittwoch wieder im Kader, das dürfte auch gegen Frankfurt der Fall sein. Zagadou und Leweling fallen weiterhin aus.
Mögliche Aufstellung
Gehen wir mal davon aus, dass Undav zunächst geschont wird und Chabot fit ist für die Startelf. Wenig überraschend ergeben sich dann vor allem vorne Änderungen. El Bilal würde dann allerdings zum vierten Mal in den letzten vier Spielen in der Startelf stehen und ist nächste Woche auch wieder mit Mali unterwegs. Möglich, dass Hoeneß ihm doch eine Halbzeit oder 60 Minuten auf der Bank gönnt.
Statistik
Es ist die 103. Bundesliga-Begegnung beider Mannschaften, aktuell hat der VfB mit 44 zu 35 Siegen die Nase vorn. In den letzten Jahren gelangen dem VfB leider nur erschreckend wenig Heimsiege gegen die SGE: 2024, 2018, 2015 und 2012. Kommen wir zum Gegner: Frankfurt hat nach den Bayern die zweitmeisten Tore der Liga geschossen, woran natürlich auch das eindrucksvolle 7:2 gegen Bochum seinen Anteil hatte. Aber auch unabhängig davon haben sie eine Stärke, die sie leider mit unserem letzten Gast teilen: Sie sind sehr effektiv. Von den 46 Schüssen die sie aufs Tor bringen, gingen schon 23 auch rein, also jeder zweite, das ist Bundesliga-Spitze. Außerdem haben sie bereits knapp vier Tore mehr erzielt als erwartet, das bedeutet ligaweit Platz 2 hinter den Bayern. Genauso sieht es bei den goal creating actions aus, also den zwei bis drei Aktionen vor einem Tor. Auf der anderen Seite hat die SGE nur zwei Tore weniger kassiert als der VfB und lässt nach Bochum zusammen mit Kiel die meisten Schüsse aufs eigene Tor zu. Mit vier Gegentoren nach Ecken stehen sie auch hier an der Ligaspitze, auch wenn ihnen das weniger passen dürfte.
Omar Marmoush ist natürlich der große Fixpunkt aktuell. 10 Tore und sechs Vorlagen sammelte er in neun Liga-Spielen, da ist nur Harry Kane aktuell besser. Nur bei den Toren (ohne Elfmeter) pro 90 Minuten liegt Ermedin Demirovic noch hauchdünn vor ihm.
Fazit
Dass der VfB und die Eintracht mittlerweile auf Augenhöhe agieren, ist offensichtlich, denn in keiner der genannten Statistiken hängen die Frankfurter uns wirklich ab. Und auch wenn die Stimmung nach der Niederlage am Mittwoch wieder etwas schlechter sein sollte: Der VfB hat von den ersten neun Ligaspielen immer noch nur zwei verloren, über die letzten 43 Spiele seit Anfang letzter Saison sind es gerade mal neun Niederlagen. Gegen Bergamo und auch gegen Kaiserslautern und Kiel zeigte sich der VfB gut organisiert, gegen Leverkusen hielt die Mannschaft über 90 Minuten dem Sturm der Hausherren stand. wenn sie heute beides auf den Platz bringt, könnten wir uns mit einem Sieg in die Länderspielphase verabschieden und auch tabellarisch wieder etwas weiter oben andocken — was am zehnten Spiel noch nicht viel, aber nach einem knappen Drittel der Saison schon ein bisschen Aussagekraft hat.
Titelbild: © Leonhard Simon/Getty Images