Nach der Niederlage gegen Atalanta steht gegen Eintracht Frankfurt das nächste Top-Spiel für den VfB Stuttgart. Wie es bei der SGE so aussieht erzählt uns Frankfurt-Fan Cettina.
Rund um den Brustring: Nach Atalanta BC kommt jetzt Eintracht Frankfurt nach Stuttgart, die mit dem Europa League Sieger eine Fan-Freundschaft verbindet. Wie ist diese entstanden?
Cettina: Die Freundschaft zu Atalanta Bergamo besteht schon seit 24 Jahren und hat ihren Ursprung eigentlich in einer anderen Freundschaft, nämlich der zu den „Verrückten Köpfe“ vom FC Wacker Innsbruck. Ich bezweifle, dass ich da die geeignetste Ansprechpartnerin bin, da ich mir nicht anmaßen möchte über ultra-interne Dinge zu sprechen. Was allerdings bekannt ist, ist dass die Frankfurter durch private Freundschaften über Innsbruck nach Bergamo gelangten – zur NOMADI. Eine unserer Ultra-Gruppen, die Droogs 99, sprechen auf ihrer Homepage über einen „glücklichen Zufall“, da die Verrückten Köpfe selbst keinen Kontakt zu den NOMADI pflegten, sondern zur mittlerweile aufgelösten BNA.
Die offizielle Version aus dem Buch von Atalanta Bergamo beschreibt das Ganze so, dass die Geschichte auf 1999 zurückgeht. Beim vorletzten Spieltag in der Serie B trafen die Bergamaschi auf ein paar Frankfurter, die auf dem Weg ins Veneto waren, um dort Material zu besorgen. Damals gab es ja viele Sachen nur in Italien und wie das unter Fußballfans eben nun mal so üblich ist, waren dann auch ein paar Frankfurter auf den Tribünen, die dann den Kontakt via Brief aufrechterhalten haben. Seitdem ist viel Zeit vergangen und eine sehenswerte Freundschaft entstanden. Die letzte freundschaftliche Begegnung war im Dezember 2022, als auch ich mich auf den Weg nach Bergamo gemacht habe, um beim Trofeo Bortolli Pokal dabei zu sein. Aber die Freundschaft geht natürlich weit über das Geschehen auf dem Platz hinaus, man denke nur an 2020, wo Bergamo von Corona überrollt wurde — auch da standen die Frankfurter ihren Freunden zur Seite.
Wie zufrieden ist man in Frankfurt mit der aktuellen Saison?
Das kommt drauf an, wen man fragt 😀 Die Anti-Toppmöller-Fraktion wird bestimmt nicht zufrieden sein, aber ein Großteil ist es jedoch sehr. Besonders im Hinblick auf die letzten Jahre, in denen der Saisonstart von einschläfernden 1:1 geprägt war, kann man die aktuellen Auftritte in der Bundesliga und im DFB-Pokal nur genießen. Die Eintracht steht nicht umsonst auf dem dritten Tabellenplatz und es macht einfach Spaß, zu sehen mit welcher Freude die Mannschaft über den Platz rennt. Natürlich kann man auch noch das Haar in der Suppe suchen und beispielsweise über das verlorene Spiel gegen Dortmund sprechen, aber das überlasse ich lieber Anderen. Natürlich ist es schwer, den über Jahre antrainierten Zwangspessimismus einfach abzulegen, aber momentan gibt es nicht viel, über das man sich beschweren kann. In der Europa League sieht das ganze etwas anders aus, man ist zwar weiterhin ungeschlagen und bis auf das Spiel gegen Viktoria Pilsen konnte man immer als Gewinner vom Feld gehen, aber spielerisch sieht es da nicht ganz so rosig aus – aber auch das ist Meckern auf hohem Niveau.
Frankfurt hat sich oben in der Tabelle festgebissen, wie wahrscheinlich ist es, dass sie auch am Ende der Saison dort oben steht?
Wenn man ein Spiel der Frankfurter Eintracht schaut, wird man früher oder später den Gesang „Deutscher Meister wird nur die SGE“ hören, also sollte die Frage ja geklärt sein. Spaß beiseite, ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht die ganze Saison so laufen wird, lasse mich aber natürlich gerne vom Gegenteil überzeugen. Jedoch bin ich lange genug Fan von Eintracht Frankfurt, um zu wissen, dass keine Saison ohne kleinere Krisen abläuft. Das Wichtigste ist jedoch, dass die Mannschaft weiterhin so auftritt und man das Gefühl bekommt, dass jeder sein Bestes gibt.
Ich bin durchaus zufrieden, wenn man am Ende das internationale Geschäft erreicht — ob das dann die Champions League oder die Europa League ist, spielt für mich keine Rolle. Was man aber sagen kann, ist, dass das momentan die beste Eintracht seit Langem ist. Die letzte Saison war etwas einschläfernd und in den Jahren davor hat man oft ohne richtigen Stürmer gespielt, was auch nicht gerade förderlich war. Jetzt hat man mit Marmoush und Ekitiké zwei Spieler da vorne, die einfach unfassbar viel Freude machen und ich würde es den Jungs von Herzen gönnen, wenn sie sich diese Saison ordentlich dafür belohnen – gerne auch mit dem historisch besten Tabellenplatz der Vereinsgeschichte, welcher bisher bei Platz 5 liegt.
Mit Dahoud, Marmoush, Grahl und Onguene haben gleich vier Frankfurt VfB Vergangenheit. Wie läuft es bei diesen Spielern in Frankfurt?
Über Jérôme Onguéné lässt sich nicht viel sagen, da er bei unseren Profis noch nicht zum Einsatz kam, aber die anderen Spieler haben alle super Qualitäten, die auch sehr gut zu unserem Spiel passen. Omar Marmoush ist gerade gefühlt das Thema Nummer Eins im deutschen Fußball und das hat er sich auch wirklich verdient. Als er 2023 von Wolfsburg an den Main gewechselt ist, hätte ich nie damit gerechnet, dass er in dieser Rolle so aufgehen wird. Damals war ja auch noch Kolo Muani in Frankfurt, aber als der nach Frankreich gewechselt ist, bekam Omar (gezwungenermaßen) das Vertrauen von Dino Toppmöller und heute kann man sagen, dass das die absolut richtige Entscheidung war. Ein bisschen erinnert mich das auch an Filip Kostic, der ja genau so bei uns eingeschlagen ist, obwohl er vorher nicht richtig glänzen konnte.
Aber auch Mo Dahoud ist eine unfassbare Stärkung unseres Mittelfeldes. Wenn man beim Training hinschaut und auch zuhört, merkt man sofort, dass er der heimliche Mittelpunkt werden kann. Besonders in der Zeit, in der Ellyes Shkiri nicht so performen konnte, war Mo einfach sofort da und gibt der Eintracht ein Element, was bisher in der Form nicht vorhanden war. Das, was mit Donny van de Beek nicht geklappt hat, funktioniert nun mit Mo Dahoud – auch wenn ich manchmal kurz vorm Herzinfarkt stehe, da er hinten oftmals auf Risiko geht. Mit Jens Grahl haben wir einen dritten Torwart, der all das mitbringt, was ein dritter Torwart braucht. Auch wenn er bisher nur zweimal zwischen den Pfosten stand, hat er in den Spielen wirklich gut gehalten und man weiß, dass man sich auf ihn verlassen kann. Auch unser junger Torwart Kaua Santos berichtet nur Gutes über Grahl und erwähnt immer wieder, dass er ein fantastischer Teamplayer ist, der sein Wissen und seine Erfahrung gern weitergibt.
Wie würdest du den Fußball von Frankfurt beschreiben? Was sind die Stärken und schwächen?
Eine offensichtliche Stärke von Eintracht Frankfurt ist selbstverständlich der Sturm. Mit Marmoush und Ekitiké hat man da vorne zwei Spieler, die einen irren Drang zum Tor haben und sofort aufdrehen, sobald der Ball auch nur in ihre Nähe kommt. In dem Moment, in dem sie im Halbraum angespielt werden, hat man als Gegner eine Eins gegen Eins Situation die oft zugunsten der Eintracht ausgeht, weil die beiden auch superschwer zu verteidigen sind. Wenn man sich auch allein die Pässe anschaut, die unsere Tore einleiten, verfällt man ins Schwärmen. Desweiteren konnten wir unseren Kader endlich mal so breit verstärken, dass man eigentlich auf jeder Position einen guten Ersatz hat. Natürlich muss man besonders den jungen Spielern da auch Zeit lassen und darf sie nicht nach ein, zwei Spielen abschreiben wenn es mal nicht laufen sollte, aber allein dass Talente endlich mal Spielzeit bekommen und ihre Aufgabe auch meist solide erledigen, ist ein unfassbarer Gewinn.
Auch die Defensive der SGE kann sich durchaus sehen lassen. Mit Arthur Theate und Rasmus Kristensen hat man im Sommer zwei enorm starke und physische Spieler an den Main geholt, die sofort für Stabilität gesorgt haben. Auch ein Ausfall von Kristensen hat uns überraschenderweise nicht zurückgeworfen, da eben Spieler wie Brown oder auch Collins super in die Defensive integriert wurden und dort bisher echt optimal abliefern. Aber selbstverständlich wären wir nicht Eintracht Frankfurt, wenn alles glatt laufen würde. Auch diese Saison merkt man wieder, dass es durchaus noch Probleme mit tiefstehenden Gegnern gibt. Sobald uns eine gegnerische Mannschaft den Ball zu sehr überlässt, fehlen teilweise die Ideen. Desweiteren ist auch die Spielbelastung enorm hoch und ich bin mir sicher, dass der November einige Anfälligkeiten hervorbringt. Das Spiel gegen den VfB mal ausgenommen, aber Bremen, Midtjylland und Heidenheim werden wahrscheinlich nicht den schönsten waghalsigen Offensivfußball auf den Platz bringen und da wird die Eintracht auf jeden Fall vor einigen Herausforderungen stehen.
Wer ist dein Frankfurt Spieler der bisherigen Saison und warum ist es Omar Marmoush?
Ich bin eigentlich nicht dafür bekannt mein Herz schnell an Einzelakteure zu verschenken, aber Omar Marmoush hat dafür nicht sonderlich lange gebraucht. Der letzte Spieler, der bei mir solche Gefühle ausgelöst hat war Ante Rebic und ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Marmoush ähnliches erreichen kann. Als Rodrigo Zalazar 2021 an St. Pauli ausgeliehen wurde habe ich ihn viel beobachtet und schon damals ist mir auch Omar Marmoush direkt ins Auge gesprungen, allerdings hatte sich das nach seinem Wechsel nach Stuttgart relativ schnell wieder erledigt. Über seine Zeit bei Wolfsburg müssen wir glaube gar nicht erst reden, aber umso sehr hat es mich gefreut, als er zu uns kam. Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass es zwischen Spieler und Verein einfach passt und dass er das Vertrauen von Trainer und Fans mindestens doppelt zurückgibt. Die letzte Saison lief anfangs ja auch nicht so rosig, nachdem Kolo gegangen ist, stand Omar gemeinsam mit Jessic Ngankam auf dem Platz und wirkte noch etwas fremd. Auch wenn er am Ende der Saison 23/24 insgesamt 17 Tore und 6 Vorlagen in 41 Spielen nachweisen konnte, hätte ich nicht damit gerechnet, dass er diese Saison so irre loslegt.
Mit seinem Torriecher hat er jetzt schon Eintracht-Ikone Anthony Yeboah abgelöst. Nie zuvor hat ein Spieler der SGE in der Bundesliga nach neun Spielen zehn Tore erzielt. Aber der Ägypter passt nicht nur spielerisch super nach Frankfurt, sondern auch charakterlich ist er genau das, was die Fans lieben. Sein Jubel vor der Kurve, dieses breite Grinsen und die dennoch leicht bescheidene Art machen ihn einfach zum absoluten Sympathieträger. Die Frage ist jedoch, wie lang man ihn noch am Main halten kann. Es ist nichts Neues, dass so ein Auftreten Aufmerksamkeit erregt und auch Marmoush macht kein Geheimnis daraus, dass er gerne in der Premiere League spielen würde. Wenn er aber bis zum Sommer so weiter macht, würde man ihm bestimmt keine Steine in den Weg legen – besonders weil sein Vertrag ja auch noch bis 2027 läuft und er keine Ausstiegsklausel besitzt, von daher kann man davon ausgehen, dass er uns auch noch eine nette Summe einbringen wird.
Stuttgart gegen Frankfurt ist einer der noch wenigen verbliebenen Duelle zweier großer Traditionsmannschaften. Wie schauen die Frankfurter auf die Begegnung? Ist das Duell für sie was besonderes oder ein Spiel wie jedes andere?
Da kann ich zwar nur für mich und mein Umfeld sprechen, aber ich würde schon sagen, dass es immer etwas Besonderes ist, wenn man gegen Traditionsvereine spielt. Es gibt doch nichts Schöneres, als im Gästeblock zu stehen und zu merken, dass auch Gegenwehr kommt. Das Neckarstadion ist mittlerweile wieder zu einer Art Festung geworden, die sowohl auf dem Platz als auch daneben schwer zu erobern ist und natürlich macht das wesentlich mehr Spaß als im tristen Wolfsburg zu stehen. Natürlich wünschen wir uns alle, dass Vereine wie Schalke, Hamburg oder Köln wieder hochkommen und dafür Hoffenheim, Wolfsburg und selbstverständlich das Konstrukt aus Leipzig endlich in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, aber bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als die letzten großen Begegnungen auch gebührend zu zelebrieren.
Zum Schluss: Dein Tipp und Gefühl für das Spiel?
Ich finde es unfassbar schwer eine Prognose für das Spiel auszusprechen. Eigentlich sollte man meinen, dass die Eintracht da durchaus gute Chancen hat, aber ich lehne mich ungern zu weit aus dem Fenster. Die aktuelle Tabellenkonstellation fällt natürlich zugunsten der SGE aus, aber ich würde mich davon nicht täuschen lassen und gehe erneut auf ein klassisches Unentschieden – diesmal wird das wirklich ein 2:2.
Vielen Dank!
Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images