Der VfB spielt zum ersten Mal in dieser Bundesliga-Saison zu Null — ausgerechnet beim Doublesieger aus Leverkusen. Anders als in München bricht die Mannschaft aber nach der Pause nicht unter dem gegnerischen Offensivdruck zusammen.
In der vergangenen Saison boten die Duelle des späteren Meisters gegen den späteren Vizemeister nach einhelliger Meinung das Beste, was der deutsche Fußball derzeit zu bieten hatte. Beide Mannschaften begegneten sich auf Augenhöhe, meist führte der VfB — wie neulich jemand errechnet hat in allen außer acht Spielminuten — einen Sieger nach 90 Minuten gab es aber nur im Pokal. Viele dieser Serien hatten auch nach dem Freitagabend-Spiel Bestand. Außer der, dass beide Mannschaften auf Augenhöhe agierten.
Denn die Spieler mit dem Brustring waren mit dem Leverkusener Angriffspressing zumindest vor der Pause komplett überfordert. Vorne gelang ihnen nicht ein Schuss Richtung Tor und hinten reihten sich haarsträubende Fehlpässe an verlorene Zweikämpfe und Sprints zur eigenen Grundlinie, um das vermeintlich unvermeidliche, nämlich die Leverkusener Führung, zu verhindern. Das schaffte letztlich vor allem einer, nämlich der glänzend aufgelegte Alexander Nübel, der einmal mehr bewies, warum er bei Julian Nagelsmann auf dem Zettel und bei den Bayern in der Kaderplanung steht.
Aus München gelernt
Schnell wurden in diesem Spiel Erinnerungen wach an das 0:4 in München Mitte Oktober, als der VfB auch kaum ein Bein auf den Boden bekam und sich irgendwann der Offensivstärke des Gegners nicht mehr erwehren konnte. Nicht so in diesem Spiel. Auch ohne Abwehrchef Chabot biss sich die Mannschaft nach der Pause immer mehr in das Spiel hinein, steigerte sich Chabots Vertretung Chase, den ich zur Halbzeit schon per Auswechslung erlösen wollte, so dass der Punkt zwar unterm Strich etwas glücklich, aber auch hart erkämpft war.
Denn der Mannschaft und ihrem Trainer gelang es, sich in der Pause neu zu sortieren und den Leverkusenern Stück für Stück ihres Schneids abzukaufen. Zwar war der erste Sieg gegen Leverkusen seit 2018 in weiterer Ferne als in jedem der letzten Duelle. Mit fortschreitender Spieldauer erstritt sich der VfB aber mehr Spielanteile und mehr Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte. Vielleicht, weil Leverkusen seinen Sturmlauf abbrach, um uns aus der Reserve zu locken, vielleicht auch, weil Leverkusen in dieser Saison nicht Bayern München ist.
Kontrollverlust überstanden
Wie auch immer: Der VfB erwischte nach zuletzt kontrollierten Auftritten einen schlechten Tag, an dem es der Mannschaft nicht gelang, an ihr Leistungslimit zu kommen. Das gab es in der vergangenen Saison und wird auch in dieser, viel schwierigeren, Saison noch das eine oder andere Mal passieren. Umso wichtiger, dass der VfB den Sturm überstand und das Spielfeld unbeschadet verließ. Wie schon die Pflichtsiege gegen Kiel und Kaiserslautern kann das nur das Selbstvertrauen der Mannschaft stärken, auch wenn man natürlich weiterhin daran arbeiten muss, auch gegen aggressiv-spielstarke Mannschaften einen Fuß auf den Boden zu bekommen.
Zum Abschluss dieser Serie an Spielen zwischen den Länderspielpausen kommen jetzt noch Bergamo und Frankfurt ins Neckarstadion — ein schwerer Test für die seit über einem Jahr ohne Niederlage bestehende Heimbilanz. Danach folgen sowohl in der Champions League als auch in der Liga etwas kleinere Kaliber. Dann kann vielleicht auch der VfB selber wieder etwas mehr Sturm entfachen.
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Titelbild: © Dean Mouhtaropoulos/Getty Images