Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Hoffenheim-Experte Nikolas Beck

Zum letz­ten Heim­spiel der regu­lä­ren Sai­son emp­fängt der VfB am Sams­tag Hof­fen­heim. Vor dem wich­ti­gen Spiel gegen die bereits geret­te­ten Gäs­te spra­chen wir mit Hof­fen­heim-Exper­te Niko­las Beck, stell­ver­tre­ten­der Res­sort­lei­ter Sport bei der Rhein-Neckar-Zei­tung.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Niko und vie­len Dank, dass Du Dir für den letz­ten Bun­des­li­ga-Spiel­tag Zeit für unse­re Fra­gen genom­men hast. Die TSG hat am Sams­tag mit einem 4:2 gegen Uni­on den Klas­sen­er­halt klar gemacht. Wie groß war die Erleich­te­rung im Club und wel­che Kon­se­quen­zen hät­te ein Abstieg gehabt?

Niko­las: Hi Lenn­art, sehr ger­ne. Die Erleich­te­rung war natur­ge­mäß rie­sen­groß. Wenn ein Klub, der eigent­lich um den Euro­pa­po­kal mit­spie­len woll­te, plötz­lich in Abstiegs­not gerät, ist die Angst im Tabel­len­kel­ler immer ungleich grö­ßer. Die TSG konn­te im Sai­son­fi­na­le nichts gewin­nen, aber ganz viel ver­lie­ren. Das ist bei Klubs, deren Ziel von Beginn an nur der Liga­ver­bleib war, ganz anders. Dem­entspre­chend sind allen Betei­lig­ten rie­si­ge Stei­ne vom Her­zen gefal­len. Bezüg­lich der Kon­se­quen­zen bin ich mir gar nicht so sicher, ob der Abstieg viel geän­dert hät­te. Denn auf den Prüf­stand kommt sowie­so alles in den kom­men­den Wochen. Dafür waren die ver­gan­ge­nen bei­den Spiel­zei­ten, vor allem jeweils die Rück­run­de, ein­fach zu schwach. Natür­lich hät­ten die übli­chen Mecha­nis­men gegrif­fen, Spar­maß­nah­men wären ver­ab­schie­det und Prio­ri­tä­ten umver­teilt wor­den. Für die ohne­hin schwie­ri­gen The­men Akzep­tanz und Zuschau­er­zu­spruch wäre die 2. Liga Gift gewe­sen, kei­ne Fra­ge. Der per­so­nel­le Umbruch, viel­leicht auch auf der Füh­rungs­ebe­ne, wird aber gewiss auch ohne Abstieg zumin­dest in Erwä­gung gezo­gen.

Wie groß schätzt Du Pel­le­gri­no Mat­a­raz­zos Anteil am Klas­sen­er­halt ein?

Fakt ist: Die Mann­schaft woll­te auch unter André Brei­ten­rei­ter unbe­dingt, sie konn­te aber nicht. Er hat­te nicht die Kabi­ne ver­lo­ren, wie man immer so schön sagt. Die Mann­schaft hat auch nicht gegen den Trai­ner gespielt, aber die Ergeb­nis­se woll­ten ein­fach nicht kom­men. Ich glau­be, das ist auch der Grund gewe­sen, war­um der berühm­te Trai­ner­wech­sel-Effekt unter Rino zunächst aus­ge­blie­ben ist. Der Wech­sel war für das Team nicht eine der­ar­ti­ge Befrei­ung wie es das andern­orts immer wie­der zu beob­ach­ten war und ist. Ich bin sogar der Mei­nung, auch mit Brei­ten­rei­ter wäre man nicht abge­stie­gen. Aber wer stellt nicht ger­ne The­sen auf, die einem nicht wider­legt wer­den kön­nen. (lacht)
Mat­a­raz­zo hat auf Rang 14 über­nom­men, war zwi­schen­durch Letz­ter, und steht jetzt auf Platz 13. Von 14 Spie­len gin­gen acht ver­lo­ren. Und den­noch wür­de ich behaup­ten, dass er eine sehr gute Arbeit gemacht hat. Das bestä­tigt nicht nur die Klub­füh­rung, son­dern das sagen auch die Spie­ler uni­so­no. Er hat auch wäh­rend des schwa­chen Starts mit fünf Nie­der­la­gen hin­ter­ein­an­der stets Ruhe bewahrt und aus­ge­strahlt, auch gegen­über den Medi­en immer sou­ve­rän argu­men­tiert und auch tak­tisch an ein paar Stel­le­schrau­ben erfolg­reich gedreht.

Rino wird sei­ner Mann­schaft mit Sicher­heit kei­nen Schon­gang ver­ord­nen. Aber glaubst Du, dass es in der Mann­schaft einen Span­nungs­ab­fall geben könn­te, den der VfB aus­nut­zen könn­te?

Das kann man natür­lich nie aus­schlie­ßen. Aber mein Bauch­ge­fühl sagt mir eher, dass es die TSG beflü­gelt. Das Team wirk­te über wei­te Stre­cken der Sai­son gehemmt und ver­un­si­chert. Man darf aber nicht ver­ges­sen, dass man nach zehn Spiel­ta­gen, also etwa einem Drit­tel der Spiel­zeit, noch auf Rang vier stand. Müss­te ich wet­ten, wür­de ich eher dar­auf tip­pen, dass der gesi­cher­te Liga­ver­bleib dem Team und der Leis­tung am Sams­tag hilft.

Abge­se­hen von die­ser spe­zi­el­len Situa­ti­on: Wo siehst Du die Stär­ken und Schwä­chen der TSG der­zeit?

Rino spricht immer mal wie­der von einer gewis­sen “Schär­fe” in den Straf­räu­men, die “Hof­fe” ver­mis­sen lässt. Da wür­de ich mit­ge­hen. Spie­le­risch sieht das oft ordent­lich aus, aber im letz­ten Moment, offen­siv wie defen­siv, man­gelt es manch­mal an Kon­se­quenz. Das 1:2 in Wolfs­burg war exem­pla­risch. Eigent­lich war die TSG die bes­se­re Mann­schaft, sie hat aber zwei Gegen­to­re kas­siert, weil die Hand­lungs­schnel­lig­keit nicht da war. Oder anders: Bei­de Male wur­de ein­fach gepennt. Und vor­ne schießt Munas Dabbur allei­ne vorm Tor mit Chris­toph Baum­gart­ner an sei­ner Sei­te ein­fach am Kas­ten vor­bei…
Was unter Mat­a­raz­zo merk­lich ver­bes­sert wur­de, ist das Abwehr­ver­hal­ten bei Stan­dards. Hier emp­feh­le ich mal auf Micha­el Kam­mer­mey­er zu ach­ten, den Co-Trai­ner, der bei Eck­bäl­len oder Frei­stö­ßen des Geg­ners immer zum Schach­spie­ler in der Coa­ching-Zone wird. Aber das ken­nen die VfB-Fans ja ver­mut­lich auch noch aus des­sen Zeit in Stutt­gart.

Andrej Kra­ma­ric mel­de­te sich mit drei Tor­be­tei­li­gun­gen gegen Uni­on ein­drucks­voll zurück. Auf wen müs­sen wir am Sams­tag noch auf­pas­sen?

Kra­ma­ric, Baum­gart­ner, Bebou — die übli­chen Ver­däch­ti­gen. Ange­li­no hat sich aus sei­nem Form­tief gekämpft und steht wett­be­werbs­über­grei­fend bereits bei elf Tor­vor­la­gen.

Noch kurz zum Kader: Dort ste­hen mit Ermin Bicak­cic, Ozan Kabak, Sebas­ti­an Rudy und Jacob Bru­un Lar­sen vier ehe­ma­li­ge VfB-Spie­ler. Steht schon fest, wie es für sie nächs­te Sai­son wei­ter­geht?

Kabak hat toll begon­nen, war dann aller­dings einer der Spie­ler, deren Leis­tung wäh­rend der Kri­se deut­lich nach­ge­las­sen hat. Ihm wür­de man ein­fach mal eine Sai­son ohne Abstiegs­kampf wün­schen, denn fuß­bal­le­risch bringt er alles mit. Er kennt aber eigent­lich nur Kri­sen­stim­mung. Bru­un Lar­sen hat immer noch nicht über­zeugt, die­se Run­de natür­lich auch ver­let­zungs­be­dingt. Im Win­ter muss­te er sich einer Leis­ten-OP unter­zie­hen, kehr­te erst spät zurück ins Team. Ich bin mitt­ler­wei­le skep­tisch, ob man von ihm bei der TSG mehr als immer mal wie­der ein paar gute Ansät­ze sehen wird. Sebas­ti­an Rudy und Ermin Bicak­cic haben noch kei­nen Ver­trag für die neue Sai­son. “Eisen Ermin” hat­te zuletzt ein paar gute Kurz­ein­sät­ze, für Sebi gab es ein Son­der­lob von Mat­a­raz­zo, nach­dem Rudy zwei­mal den ver­letz­ten Den­nis Gei­ger ersetzt muss­te. Dass bei­de “Urge­stei­ne” auch in der kom­men­den Spiel­zeit Teil des Teams sind, hal­te ich für unwahr­schein­lich.

Wer fehlt denn am Sams­tag zum Sai­son­fi­na­le?

Für Pavel Kader­a­bek und Kevin Vogt wird es wohl nicht rei­chen. Zwar bestand bei bei­den zuletzt die Hoff­nung, dass sie im Sai­son­fi­na­le noch mal ein­grei­fen kön­nen, aber da es für die TSG ja um nichts mehr geht, wird man da eher kein Risi­ko ein­ge­hen wol­len. Bei Den­nis Gei­ger ver­mut­lich auch nicht. Ansons­ten bleibt abzu­war­ten, wer wie durch die Trai­nings­wo­che kommt.

Zum Abschluss: Dein Tipp für Auf­stel­lung und Ergeb­nis?

Die Auf­stel­lung für solch ein Spiel lässt sich nur schwer vor­aus­sa­gen. Ich glau­be nicht, dass Rino Geschen­ke ver­teilt, etwa Phil­ipp Pent­ke, der den Ver­ein ver­las­sen wird, noch mal im Tor ran­lässt oder der­glei­chen. Aber viel­leicht sehen wir Tom Bischof noch mal in der Start­elf. Wirk­lich vie­le Wech­sel im Ver­gleich zum Heim­sieg gegen Uni­on erwar­te ich aber eigent­lich nicht. Ich tip­pe auf einen 4:2‑Sieg der Hof­fen­hei­mer, kann zur Beru­hi­gung dei­ner Leser aber gleich dazu­sa­gen, dass ich mit sol­chen Pro­gno­sen sel­ten rich­tig lie­ge. (lacht)

Titel­bild: © Mat­thi­as Hangst/Getty Images

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