Seit gestern Abend steht fest: BVB-Nachwuchstrainer Hannes Wolf wird neuer Chefcoach des VfB. Vielen VfB-Fans ist der gebürtige Bochumer noch völlig unbekannt. Wir haben mit BVB-Fan Florian Dellbrügge (@FD7798) gesprochen, der für das Fußballmagazin Westline über Borussia Dortmund schreibt und Interessantes über den neuen VfB-Trainer zu berichten weiß.
Rund um den Brustring: Hallo Florian! Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, kurzfristig unsere Fragen zu beantworten. Hannes Wolf war die letzten Jahre Nachwuchstrainer beim BVB und hat zuletzt zwei Deutsche Nachwuchsmeisterschaften geholt. Wir haben auch schon mal einen A‑Jugend-Trainer zum Chef befördert, den jetzigen Co-Trainer der Nationalmannschaft, Thomas Schneider, der aber am Ende an der Sturheit und den Strukturen der Mannschaft gescheitert ist. Traust Du Wolf zu, dass er auch mit einer Profi-Herrenmannschaft zurecht kommt?
Florian: Ja! Das traue ich ihm auf jeden Fall zu. Der Wechsel nach Stuttgart kommt für mich etwas überraschend. Ich habe fest damit gerechnet, dass der BVB Wolf zu einem Nachfolgekandidaten von Thomas Tuchel aufbaut. Auch, wenn ein Ende mit Tuchel natürlich noch nicht abzusehen ist. Wolf ist noch jung, aber dennoch auch schon seit über sechs Jahren für den BVB aktiv gewesen. Zuvor hatte er als Spielertrainer Erfolge im Dortmunder Amateurbereich. Jugendkoordinator Lars Ricken hat mir in einem Interview im Sommer zu Wolf folgendes gesagt: “Er ist jetzt drei Mal hintereinander Deutscher Meister geworden Und hat das veredelt, was in den Jahrgängen auch von den Trainern vorher geleistet wurde. Wir sind erst einmal dankbar einen so talentierten, extrem wissbegierigen Trainer zu haben”. Dazu meinte Ricken, wolle Wolf sich immer weiter entwickeln und mit der Zeit gehen. Der Verlust tut dem BVB weh, da könnt ihr euch in Stuttgart mal sicher sein.
Rund um den Brustring: Was ist er generell so für ein Typ? Ruhiger Analytiker oder aktiver Motivator?
Florian: Definitiv beides. Zwei Geschichten dazu: Im August wohnte ich dem Ruhr-Cup bei. Dort treffen jedes Jahr zahlreiche Jugendmannschaften in einem internationalen Vergleich aufeinander. Im Finale in diesem Jahr traf der Nachwuchs von Borussia Dortmund auf Manchester City. Technisch haben sich beide Mannschaften dabei wenig genommen, doch war die Mannschaft von der Insel im athletischen Bereich einfach deutlich weiter als die Borussen. Das konnte Wolf wenige Minuten nach dem Spiel ganz ruhig und sachlich erklären, obwohl seine Mannschaft gerade bei verkürzter Spieldauer mit 0:5 unterlegen war. Die andere Sache: In der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft verlor der BVB vor großer Kulisse das Hinspiel im Halbfinale mit 1:2 gegen 1860 München. Ein Nackenschlag für den Favoriten. Zudem der Siegtreffer der 60er unmittelbar vor dem Schlusspfiff fiel und auch noch ein Schuss aus 60 Metern war. Doch anstatt die Köpfe hängen zu lassen, zitierte Wolf sein Team direkt zu sich und stellte sie auf die Auswärtsaufgabe ein. Das Ergebnis sollte bekannt sein. Erst wurde das Hinspiel-Ergebnis in München noch gedreht und am Ende stand die Meisterschaft für den BVB.
Rund um den Brustring: Was für ein System lässt er spielen? Der VfB hat momentan noch eine ziemliche Wackelabwehr, auch wenn die letzten beiden Spiele zu null ausgingen. Kann seine Spielphilosophie das ausgleichen?
Florian: Auf ein festes System ist er nicht festgelegt. Ähnlich wie Thomas Tuchel versucht Wolf sein Team oft an den Stärken und Schwächen des Gegners aufzustellen. Der BVB analysiert auch in der Jugend schon Videos und Spielsysteme des Gegners. Dadurch soll eine gewisse Flexibilität entstehen, sodass man auf jede Gegebenheit eines Spiels reagieren kann. Ich habe die U19 des BVB häufiger im 4–2‑3–1 gesehen, zuletzt aber auch in einem 4–1‑4–1 oder sogar einem System mit Dreierkette. Ich bin beim VfB aber leider nicht allzu tief im Thema, um da eine Prognose zu wagen.
Rund um den Brustring: Gibt es im aktuellen Bundesliga-Kader des BVB Spieler, die er geformt hat?
Florian: Die gibt es tatsächlich. Mit Christian Pulisic und Felix Passlack sind das sogar zwei Spieler, die schon auf einige Spielzeit in dieser Saison gekommen sind. Als Thomas Tuchel die beiden im vergangen Jahr fest im Profi-Kader integriert hat, war Wolf ein wichtiger Baustein. Er war bei den Trainings mit auf den Platz und beispielsweise auch als Betreuer und Wegbegleiter für beide Spiele mit im Wintertrainingslager in Dubai. Weiterhin unter Wolf trainiert hat auch Jacob Bruun Larsen. Er spielt aktuell noch in der U19 von Dortmund, durfte aber mit Dänemark schon an den Olympischen Spielen teilnehmen.
Rund um den Brustring: Gibt es sonst noch was Wissenswertes über Ihn?
Florian: Hannes Wolf gilt abseits des Sports als ein Freund von Kevin Großkreutz. Ansonsten hat er auch schon mit Daniel Ginczek gearbeitet. Er ist in Dortmund verwurzelt. Wie ich weiter oben schon einmal habe anklingen lassen, wäre ich zumindest nicht überrascht, sollte er eines Tages mal zum BVB zurückkehren. Für den Moment bin ich aber auf sein Profi-Debüt in Stuttgart gespannt. Ich bin mir sicher, dass er – Zeit vorausgesetzt – ein gutes Team auf die Beine stellen kann.
Rund um den Brustring: Florian, vielen Dank für deine Antworten!
Foto: Schulte / westline.de