Das erste Champions League-Heimspiel seit 14 Jahren endet genauso wie das letzte mit 1:1. Nur war für den VfB gegen Sparta Prag wesentlich mehr drin als gegen Barcelona. Gegen die defensivstarken Gäste hätte es dafür aber eine überdurchschnittliche Leistung gebraucht.
Dauernd das gleiche zu tun, aber immer ein anderes Resultat zu erwarten, schrieb die Schriftstellerin Rita Mae Brown einmal, sei Wahnsinn. Und ein wenig wahnsinnig machte mich am Dienstagabend auch der zehnte Versuch der VfB-Offensive, mit dem Kopf durch die massive Abwehrwand von Sparta Prag zu wollen. Oder die 27. Flanke in den Prager Strafraum zu schlagen. Oder zum zehnten Mal zum Distanzschuss anzusetzen, in der Hoffnung, das würde der goldene Treffer zum Heimsieg werden. Schaut man sich die Statistiken an — mehr als drei mal so viel angekommende Pässe, 90 Prozent Passquote, 10:0 Ecken und 76 Prozent Ballbesitz — dann hat der VfB in seinem ersten Champions League-Heimspiel seit Barcelona 2010 zwei Punkte liegen lassen, ebenso wie am vergangenen Wochenende in Wolfsburg. Gleichzeitig darf man aber bei aller Passivität in der zweiten Hälfte nicht vergessen, dass der VfB hier in der Königsklasse antrat und auch der tschechische Double-Sieger nicht solche Laufkundschaft ist wie der letzte Heimspielgegner.
Stark angefangen, stark nachgelassen
Beim 1:0 zeigte sich, was der VfB für dieses Spiel brauchte und was ihm über weite Strecken des weiteren Spiels abging: Jamie Leweling täuschte in die eine Richtung an, schickte dann aber Maxi Mittelstädt in die andere Richtung auf die Reise bis fast zur Grundlinie. In der Mitte positionerte sich dann Enzo Millot perfekt, um den Ball zur erneut frühen Führung einzuköpfen. Genau diese Gedankenschnelligkeit, das gute Pass- und Positionsspiel ging leider in der Folge verloren, auch weil Prag sich nach dem Rückstand defensiv wesentlich besser anstellte. Was sicherlich auch nicht zur Offensivstärke des VfB beitrug, waren die vielen Stockfehler, die sich die Mannschaft im Spielaufbau leistete. Auch hier muss noch ein Lernprozess stattfinden, dass man den Ball in diesem Wettbewerb eben nicht so lange halten und verschieben kann wie in der Bundesliga. Gerade mit den beiden Halbstürmern Haraslin und Birmancevic der Gäste bekam unsere Mannschaft mehr und mehr Probleme, was in der folgerichtigen Umstellung in der Viererkette nach dem Seitenwechsel mündete.
Deswegen war der sehenswerte Ausgleich durch Mittelfeldmotor Kairinen auch irgendwann absehbar, wenn auch ärgerlich. Zwar kam Sparta mit zwei Aluminiumtreffern nochmal gefährlich vors Tor, in der zweiten Halbzeit fuhr der Zug aber eigentlich in die andere Richtung ab. Leider ohne ein Happy End wie in Wolfsburg, was leider auch daran lag, dass es der Prager Abwehr effektiv gelang, beide VfB-Stürmer kalt zu stellen. Bezeichnenderweise war dies das nach Mainz das zweite Saisonspiel, in dem weder Undav noch Demirovic treffen konnten. Und auch die eingewechselten Chris Führich und Fabian Rieder bissen sich im Powerplay der letzten zehn Minuten die Zähne an der Prager Abwehr aus. Der VfB hatte am Dienstagabend ein ziemlich dickes Brett zu bohren, kam aber am Ende nicht ganz durch.
Erst Gänsehaut, dann zäh
Was bleibt von diesem Spiel? Der erste Punkt in der Champions League und allgemein die Rückkehr des europäischen Spitzenfußballs ins Neckarstadion. Wem es beim Ertönen der Champions League-Hymne um 18.45 Uhr nicht kalt den Rücken runterlief, der oder die spürt wahrscheinlich gar nichts mehr. Leider konnte die Stimmung danach nicht an andere Highlight-Spiele wie das Pokal-Halbfinale gegen Frankfurt anknüpfen. War es die falsche Erwartungshaltung gegenüber der Leistungsfähigkeit des VfB und des uns eher unbekannten Gegners? Waren wie schon in früheren Zeiten in der Champions League zu viele Touristen im Stadion, die bei der großen Verlosung einfach mal Glück hatten? Lag es am Spielverlauf oder nicht ganz so bekannten Liedern aus der Kurve. Vermutlich ein wenig vor allem und ich will dieses für viele neue Erlebnis einens Champions League-Heimspiels auch gar nicht schlechtreden. Nach all der Vorfreude hatte ich aber irgendwie erwartet, dass das Stadion, im übertragenen Sinne mehr brennt und die Mannschaft auch dann tragen kann, wenn sie wie über weite Strecken des Spiels entweder verunsichert oder ratlos wirkt.
Der hat in den letzten Wochen gezeigt, zu welchen Leistungen er weiterhin fähig ist, gegen Prag kam man an dieses Limit nicht ganz heran und musste dementsprechend einen Punkt abgeben. Das schöne an englischen Wochen ist, dass man sehr schnell die Gelegenheit erhält, es besser zu machen. Am Sonntag kommen die angeschlagenen Hoffenheimer mit unserem wackelnden Ex-Trainer Pellegrino Matarazzo ins Neckarstadion. Die perfekte Gelegenheit, vor der nächsten Länderspielpause und den dann anstehenden Spielen in München und Turin (!) nochmal eine Duftmarke zu setzen. Diese sollten wir auch nutzen. In der Champions League-Ligaphase steht jetzt der erste Punkt zu Buche. Berechnungen zufolge braucht man derer zehn, um sich für die Zwischenrunde und damit zwei weitere Spiele zu qualifizieren. Die Mannschaft sollte jetzt wissen,wie sie gegen Mannschaften wie Bern, Belgrad oder Bratislava antreten muss, um dieses Ziel zu erreichen. Und vielleicht fällt dann auch was gegen Turin, Bergamo oder Paris ab. Auch wenn das wirklich dicke Bretter sind.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass fand es nicht wirklich magisch.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images
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