Der VfB gewinnt auch das nächste Europapokalspiel gegen einen offensichtlich überforderten Gegner deutlich. Während es rund um das Stadion ruhig blieb, machte sich die Mannschaft das Leben zwischendurch schwerer als nötig.
Was ich dieser Mannschaft hoch anrechne, ist ihre Fähigkeit zur Selbstkritik: “Nach dem 3:0 haben wir wieder fahrig gespielt, obwohl wir die Dinge angesprochen haben. Wir hatten nicht mehr die gewisse Lockerheit, sondern jeder wollte wieder irgendwas machen”, erklärte Deniz Undav nach dem Spiel und ergänzte: “Das Gegentor hat mich richtig aufgeregt, weil das sind Sachen, die wir vorher ansprechen. Die dürfen halt nicht passieren und das ist keine Qualitätsfrage”. Eigentlich ist es ja ein bisschen absurd, sich nach einem unterm Strich ungefährdeten Heimsieg gegen einen desolaten Gegner über das einzige Gegentor zu ärgern, aber eben weil die Gäste aus Israel so harmlos waren und in fünf vorherigen Europapokal-Spielen erst ein weiteres Tor erzielt hatten, waren das 1:3 durch Revivo und die folgende Großchance von Peretz in der 59. Minute so ärgerlich. Denn sie standen auch so ein bisschen sinnbildlich für die Unkonzentriertheit, mit der die Brustringträger auftraten, wenn sie nicht gerade Tore schossen.
Da war Tiago Tomás, der kurz vor der Pause Chris Führich einfach die Flanke vom Fuß nahm. Finn Jeltsch, der den Ball ins Seitenaus bolzte, obwohl Alex Nübel hinter ihm stand und den Ball hätte aufnehmen können. Lorenz Assignon, der nicht nur einen sehenswerten Treffer erzielte, sondern bei langen hohen Bällen auf seinen Flügel mitunter etwas orientierungslos wirkte. Oder Deniz Undav, der einerseits, siehe oben, wichtige Dinge ansprach und gleichzeitig aber nur sehr ungefährliche Schüsse aufs Tor brachte, ganz entgegen seiner Gewohnheit der letzten Wochen. Auch seine Mitspieler stellten sich rund um den meistens mit elf Gegenspielern besetzten Strafraum häufig sehr umständlich an und hätten das Spiel mit mehr Konsequenz, Schärfe und Tempo, wie Undav anmerkte, auch mit fünf oder sechs Toren für sich entscheiden können. Am Ende waren es, in großen Anführungsstrichen “nur” deren vier.
Anders aber als vor einem Jahr, als der VfB es verpasste, in Bratislava seine in Belgrad zerstörte Torbilanz zu reparieren, ist die Lage in dieser Europapokalsaison aber wesentlich entspannter. Nach dem Ausrutscher in Basel und der ärgerlichen Niederlage in Istanbul stehen wir mit 12 Punkten mit mehr als einem Bein in der Zwischenrunde und können mit Fug und Recht auf die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale schielen. Denn die Mannschaft hat trotz des unkonzentrierten Auftritts genügend Qualität, um gerade die Mannschaften aus den Lostöpfen drei und vier ohne größere Mühe zu besiegen. Auch wenn die Jungs im Brustring in diesem Spiel nicht voll durchzogen: Das schön von Deniz Undav herausgespielte 2:0 von Tiago Tomás sprach genauso dafür wie der souverän verwandelte Elfmeter von Maxi Mittelstädt, von dem es noch einen zweiten hätte geben müssen, wären die Schiedsrichter in diesem Wettbewerb nicht noch schlechter als in der Bundesliga. Und auch mit dem 4:1 durch Josha Vagnoman wurde deutlich, dass die Mannschaft durchaus noch in der Lage gewesen wäre, nachzulegen.
Ziel erreicht
Am Ende ist es ein bisschen wie beim Spiel in Bochum vergangene Woche: Hauptsache weiter. Klar ist aber auch, dass sich die Mannschaft für die letzten beiden Ligaspiele in diesem Jahr wird steigern müssen. War vielleicht die Heimspielklatsche am vergangenen Wochenende ein größerer Schock als angenommen? Oder ist die Mannschaft nach 23 Pflichtspielen in vier Monaten langsam auch einfach etwas müde, vor allem angesichts der Tatsache, dass es in diesem Spiel personell in der Innenverteidigung keine Alternativen mit Profi-Erfahrung gab? Letztlich erreichten Sebastian Hoeneß’ Spieler mit überschaubarem Aufwand ihr Ziel und konnten sich, wie zum Beispiel Stiller, Undav und Tomás, schon nach einer Stunde auswechseln lassen. So sind sie hoffentlich ausgeruht für die Spiele in Bremen und gegen Hoffenheim, die auch an die Konzentration und die Entscheidungsfindung noch einmal ganz andere Herausforderungen stellen werden.
Dass der VfB im Europapokal spielt und jetzt gute Chancen darauf hat, das auch nach Ende Januar noch zu tun, ist für mich immer noch ein Geschenk, so dass ich das Spiel trotz des seltsamen Auftritts und der Rahmenbedingungen genießen konnte. Ob die langen Schlangen und die hohen Sicherheitsauflagen am Ende wirklich nötig waren, wird man wohl letztlich nicht zweifelsfrei beantworten können, beim Einlass und im Stadion wirkte alles jedenfalls wesentlich entspannter, als es in der Vorberichterstattung den Anschein machte — bis auf eine Ausnahme: Warum kurzfristig das Catering für ein mit 57.000 Menschen besetztes Stadion größtenteils zusammenbrach, muss aufgearbeitet werden.
Update: Unseren Informationen zufolge waren viele Catering-Mitarbeiter*innen nicht auf einer Liste für die Sicherheitsüberprüfung und konnten deshalb nicht arbeiten — ohne eigenes Verschulden.
Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images