Wenn Du mich fragst, wer höchstens Vizemeister wird…

…na, den Rest kennt Ihr. Im ver­meint­li­chen Spit­zen­spiel gegen die Armi­nia zeig­ten die Brust­ring­trä­ger, was ihnen zur bes­ten Mann­schaft der Liga fehlt.

Ein Unent­schie­den in einer zum Spit­zen­spiel hoch­sti­li­sier­ten Par­tie ist ja immer etwas anti­kli­mak­tisch: Wer ist denn nun der Bes­te? So war es auch beim Mon­tag­abend­spiel des VfB. Einer­seits hat­te der VfB gegen eine mit sechs Punk­ten ent­eil­te Mann­schaft, die als ein­zi­ge der Liga schon die gan­ze Sai­son über sehr sta­bil spielt und sich regel­mä­ßig mit spä­ten Tref­fern die Punk­te sichert, nicht ver­lo­ren, son­dern nur eine schmei­chel­haf­te Füh­rung aus der Hand gege­ben. Worst Case abge­wen­det also. Ande­rer­seits hat der VfB die gro­ße Chan­ce, den Tabel­len­füh­rer aus Bie­le­feld noch ein­zu­ho­len, vor­erst ver­spielt. Sechs Punk­te weni­ger und ein schlech­te­res Tor­ver­hält­nis als eine Mann­schaft, die nicht den Ein­druck macht, als wür­de sie irgend­wann noch­mal ein­bre­chen. Rad­kap­pe also wahr­schein­lich futsch, Auld Lang Syne-Into­nie­run­gen auch, nicht mal mehr Spaß haben kön­nen wir in der zwei­ten Liga.

Sehenswerter Treffer von Gomez, leider zu wenig für drei Punkte. © Getty/Bongarts
Sehens­wer­ter Tref­fer von Gomez, lei­der zu wenig für drei Punk­te. © Getty/Bongarts

So ansehnlich wie Trockenbrot

Das erin­nert ziem­lich an die letz­te Zweit­li­ga-Sai­son, als zuerst Braun­schweig und dann Uni­on Ber­lin rela­tiv sta­bil vor­ne­weg zogen und der VfB neun Spie­le vor Ulti­mo zwar vier Punk­te mehr auf dem Kon­to hat­te, sich tabel­la­risch aber in einer genau­so pre­kä­ren Situa­ti­on befand. Damals hat­te man das 25. Liga­spiel übri­gens gera­de in Fürth ver­lo­ren. Es folg­te ein 3:3 gegen Dres­den nach 0:3‑Rückstand und ein erbärm­li­ches 1:1 in der lee­ren Alli­anz-Are­na bei 1860. Am Ende zog der VfB dann mit Ach und Krach doch noch auf Platz 1 durch, auch weil er von den letz­ten sie­ben Spie­len alle bis auf eins gewann — in die­ser Sai­son eher unrea­lis­tisch. Wor­auf ich hin­aus­will: Die zwei­te Liga ist ein Kno­chen­job, dem­entspre­chend war auch das Spit­zen­spiel so ansehn­lich wie ein Stück Tro­cken­brot: Kei­ner woll­te einen Feh­ler machen und mach­te sie doch zuhauf, aber kei­ne konn­te aus den Feh­lern des ande­ren einen Vor­teil zie­hen. Armi­nia nicht, weil der VfB mit neu­for­mier­ter Vie­rer­ket­te alles rela­tiv sta­bil weg­ver­tei­dig­te und der VfB nicht, nun­ja, weil beim VfB das ansehn­lichs­te wei­ter­hin das Spiel zwi­schen Mit­tel­li­nie und Straf­raum­gren­ze ist. Da kommt Dyna­mik auf, wie auch beim 1:0, als sich Gomez aus­nahms­wei­se mal von sei­ner Bewa­chung lösen konn­te. Da ent­ste­hen aber dann auch die schlech­ten Päs­se in den Straf­raum, da wer­den die Lauf­we­ge über­se­hen oder falsch gedeu­tet und von dort wird auch der eine oder ande­re Ali­bi­schuss abge­ge­ben.

Wer war Schuld: Coach oder Schiri? © Getty/Bongarts
Wer war Schuld: Coach oder Schi­ri? © Getty/Bongarts

Im Nach­hin­ein heißt es vie­ler­or­ten, Mat­a­raz­zo habe sich mit sei­nem Wech­sel kurz vor dem Aus­gleich klas­sisch ver­coacht: Er nahm den Tor­schüt­zen und ein­zi­gen Mit­tel­stür­mer Gomez her­un­ter und wech­sel­te für ihn Kara­zor ein, was aus der Vie­rer­ket­te eine Fün­fer­ket­te mach­te.  Auch wenn ich Cas­tro in die­ser Spiel­zeit beim VfB nicht beson­ders schät­ze, sehe ich das Pro­blem aber eher dar­in, über­haupt erst mit einer Vie­rer­ket­te auf­zu­lau­fen und ihn auf der lin­ken Außen­bahn zu ver­schwen­den. Woll­te Mat­a­raz­zo mit Hol­ger Bad­s­tu­ber, der eini­ge Wack­ler offen­bar­te und sowohl vor, als auch beim Aus­gleich nicht gut aus­sah, auf Num­mer sicher gehen? Ata­kan Kara­zor hat­te ja sei­ne Rol­le als zen­tra­ler Innen­ver­tei­di­ger gut aus­ge­füllt die letz­ten Wochen — wenn auch gegen weni­ger gefähr­li­che Geg­ner. Dass der Trai­ner sei­nen Stür­mer für die­se zen­tra­le Sta­bi­li­tät opfer­te, war mei­ner Mei­nung nach auch gar nicht so unklug: Aus einer sta­bi­len Defen­si­ve her­aus die Bie­le­fel­der Angrif­fe weg­ver­tei­di­gen und mit den schnel­len Gon­za­lez und Waman­gi­tu­ka den Deckel drauf­kon­tern. Denn auch Mat­a­raz­zo wuss­te: Der VfB war nicht das eine Tor bes­ser, mit dem er führ­te.

Einfach nicht gut genug

Lei­der klapp­te das mit der sta­bi­len Defen­si­ve nicht so wirk­lich. Erst konn­te Klos zwei­mal im Fünf­me­ter­raum den Ball aufs Tor köp­fen und dann kopier­te Hol­ger Bad­s­tu­ber ein­fach den Feh­ler von Hama­di Al Ghad­dioui gegen Fürth und köpf­te einen Ein­wurf in die Mit­te, wo sich Sokou bei der Ball­an­nah­me um Sten­zel dreh­te und den Aus­gleich mar­kier­te. Und nein: Es hät­te nicht abge­pfif­fen wer­den müs­sen, denn die Hand des Bie­le­fel­ders war nie, wie fast über­all beschrie­ben in Sten­zels Gesicht, son­dern höchs­tens an des­sen Hand und Brust. Dass der VfB-Ver­tei­di­ger sich anschlie­ßend das Gesicht hielt, ist für mich nicht nach­voll­zieh­bar, weder von der Bewe­gung her, noch vom Ver­hal­ten. Genau­so wenig kann ich nach­voll­zie­hen, dass Sven Mislin­tat das im Anschluss an das Spiel zum The­ma mach­te. Ja, die Schieds­rich­ter in die­ser Liga sind nicht beson­ders gut und ja, der VAR ist ein Witz. Aber nein: Benach­tei­li­gun­gen durch Schieds­rich­ter sind nicht unser Haupt­pro­blem.

Wieder einmal gepennt. © Getty/Bongarts
Wie­der ein­mal gepennt. © Getty/Bongarts

Unterm Strich war der VfB in die­sem Spiel ein­fach nicht gut genug, um den Tabel­len­füh­rer zu besie­gen, so wie man in Fürth nicht gut genug war, um das Spiel noch zu dre­hen. Das hat zum Einen erneut mit indi­vi­du­el­len Feh­lern zu tun, die von guten Mann­schaf­ten wie Fürth und Bie­le­feld aus­ge­nutzt wer­den. Und zum ande­ren damit, dass man vor dem Tor, bezie­hungs­wei­se bereits vor dem geg­ne­ri­schen Straf­raum die fal­schen Ent­schei­dun­gen trifft. Der Vor­teil für den VfB: In den rest­li­chen neun Spie­len trifft er nur noch auf eine wirk­lich gute Mann­schaft, näm­lich Ham­burg. Die rest­li­chen Spie­le müs­sen über Men­ta­li­tät — gera­de aus­wärts in Wies­ba­den und Kiel — und indi­vi­du­el­le Klas­se ent­schie­den wer­den. Dann reicht es zwar immer noch nicht für die Zweit­li­ga-Meis­ter­schaft, aber wir kom­men wenigs­tens ohne den Umweg Rele­ga­ti­on aus die­ser Liga wie­der raus.

Geisterspiel? Sinnvoll, aber bitte konsequent

Abschlie­ßend noch ein paar Wor­te zu den Begleit­erschei­nun­gen rund um das Spiel, zu denen man sicher­lich einen eige­nen Blog­bei­trag schrei­ben könn­te. Nach­dem ich die­sen sehr guten Arti­kel von Jus­tin Kraft auf Mia­s­an­rot gele­sen habe, ist mir klar, dass ein Spiel ohne Zuschau­er wahr­schein­lich sinn­voll gewe­sen wäre. Weil es eben nicht dar­um geht, dass man sel­ber mit dem Virus klar­kommt, son­dern weil man sich anste­cken und das Virus wei­ter­tra­gen könn­te. So ganz klar sind mir die Ver­brei­tungs­we­ge nicht, aber dass die Wahr­schein­lich­keit einer Ver­brei­tung höher ist, wenn vie­le Men­schen auf engem Raum zusam­men sind, leuch­tet ein. Letzt­lich fand das Spiel ja auch nur des­halb nicht unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit statt, weil sich Stadt, Minis­te­ri­um und damit auch der VfB mit einer Ent­schei­dung so lan­ge Zeit lie­ßen, bis man durch die äuße­ren Umstän­de qua­si gar nicht anders konn­te, als das Spiel regu­lär durch­zu­füh­ren. Ein wenig hat man sich also damit selbst in die Bre­douil­le gebracht.

Ich fin­de es aber unan­ge­mes­sen, aus­ge­rech­net das VfB-Spiel und damit den VfB als Aus­bund des Fuß­ball­ka­pi­ta­lis­mus zu brand­mar­ken, dem Brot und Spie­le und der rol­len­de Rubel mehr wert sind als die Gesund­heit. Die glei­che Ent­schei­dung haben am gan­zen Wochen­e­n­en­de land­auf, land­ab Ver­ei­ne und Städ­te getrof­fen. Die Lage und die Gefahr von Groß­ver­an­stal­tun­gen hat sich ja nicht erst durch die Tweets von Jens Spahn am Sonn­tag­nach­mit­tag erge­ben. Also ja: Man kann Behör­den und Ver­ein dafür kri­ti­sie­ren, dass sie eine Abwä­gung zwi­schen Anste­ckungs­ge­fahr und wirt­schaft­li­chem Scha­den über­haupt vor­neh­men. Dann aber bit­te kon­se­quent und nicht nur, weil das Spiel gegen Bie­le­feld ter­min­lich so expo­niert war.

Titel­bild: © Getty/Bongarts

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