Rund um das Spiel gegen München

Zum Hin­run­den­fi­na­le kommt der FC Bay­ern am Sams­tag ins Neckar­sta­di­on. Mit FCB-Blog­ger Jus­tin (@LahmsteigerDE) von Mia­s­an­rot spra­chen wir über die Par­tie und die Lage beim Meis­ter.

Rund um den Brust­ring: Hal­lo Jus­tin, vie­len Dank, dass Du Dir Zeit für das Gespräch genom­men hast. Erzähl doch bit­te zunächst kurz was über Dich und Mia­s­an­rot.

Jus­tin: Mein Name ist Jus­tin Kraft und ich bin Stu­dent in Pots­dam. Seit ich mich erin­nern kann, bin ich Fan des FC Bay­ern Mün­chen. Das war nicht immer ein­fach, wenn man in Bran­den­burg lebt, aber man lernt damit umzu­ge­hen. Im Jahr 2015 habe ich ange­fan­gen, regel­mä­ßig über mei­nen Her­zens­ver­ein zu blog­gen und Anfang 2016 wur­de Mia­s­an­rot auf mich auf­merk­sam, für die ich im Febru­ar des­sel­ben Jah­res noch mei­nen ers­ten Arti­kel ver­öf­fent­licht habe. Mia­s­an­rot exis­tiert bereits seit 2012 und ist mitt­ler­wei­le zum größ­ten deutsch­spra­chi­gen Bay­ern-Blog gewor­den. Haupt­säch­lich ana­ly­sie­ren wir die Spie­le der Pro­fis und schau­en, wie sich das Team tak­tisch ent­wi­ckelt. Doch wir decken auch die Frau­en, die Ama­teu­re, den Jugend­be­reich und alles rund um den Rekord­meis­ter ab. Bei uns fin­det man von kri­ti­schen Kom­men­ta­ren über tak­ti­sche Ana­ly­sen und stink­nor­ma­le Berich­te eigent­lich alles. Dahin­ter steckt nicht nur rich­tig viel (unbe­zahl­te) Arbeit, son­dern auch ein extrem sym­pa­thi­scher Hau­fen, den ich in mei­nem Leben nicht mehr ver­mis­sen will.

Fünf Meis­ter­schaf­ten in Fol­ge und jetzt schon wie­der Tabel­len­füh­rer. Hand aufs Herz: Bli­cken Bay­ern-Fans anders auf die Liga als ande­re? Wel­chen Reiz hat die Liga ange­sichts der auch für Euch außer­ge­wöhn­li­chen Erfolgs­se­rie für Dich?

Das ist zwangs­wei­se so. Natür­lich haben wir einen ande­ren Blick von ganz oben aus. Ich wür­de nicht soweit gehen und sagen, dass der Reiz für uns kom­plett weg ist, aber es ist scha­de, dass die Kon­kur­renz unse­re der­zei­ti­ge Schwä­che­pha­se nicht aus­nut­zen kann. Schal­ke steht erst am Beginn einer Ent­wick­lung, Dort­mund hat mit Trans­fers und Trai­ner­wech­seln zu kämp­fen, Leip­zig steckt im schwie­ri­gen zwei­ten Jahr und Hof­fen­heim hat zwei wich­ti­ge Spie­ler an uns ver­lo­ren. Das Resul­tat ist dann, dass wir trotz eines Leis­tungs­ab­falls immer noch das Maß aller Din­ge in der Liga sind. Für die Zukunft bin ich aus neu­tra­ler Sicht aber opti­mis­tisch und ich muss dazu sagen: Ich bin schon sehr stolz dar­auf, was ein Groß­teil die­ser Mann­schaft seit Jah­ren leis­tet. Es ist nicht selbst­ver­ständ­lich, dass eine so erfolg­rei­che Trup­pe sich Jahr für Jahr neu moti­vie­ren kann. Davor zie­he ich mei­nen Hut.

Wel­che Chan­cen rech­nest Du Euch in Euro­pa aus? Reicht es die­se Sai­son in der Cham­pi­ons League mal wie­der fürs Halb­fi­na­le oder gar fürs Fina­le?

Das kann man nie so genau sagen, weil es von vie­len Fak­to­ren abhängt. Du kannst in die­sem Wett­be­werb gegen AS Rom, Wolfs­burg und ein damals noch schwa­ches Man­ches­ter City ins Fina­le kom­men wie Real Madrid 2016 oder du bekommst direkt im Ach­tel­fi­na­le ein Ham­mer­los. Duel­le in Euro­pas Spit­ze sind kaum vor­her­zu­sa­gen. Wir waren letz­tes Jahr im Vier­tel­fi­na­le das unter­le­ge­ne Team und haben ver­dient ver­lo­ren, aber die bei­den Spie­le kön­nen auch kom­plett anders lau­fen. Das macht die Cham­pi­ons League ja auch so inter­es­sant.

Wenn man mich aller­dings fragt, ob wir noch zu den Top-Favo­ri­ten zäh­len, dann sage ich ganz klar: Nein! Dafür sind unse­re Top­spie­ler auf den Flü­geln schon zu sehr über ihrem Zenit und dafür ist der Kader nicht aus­ba­lan­ciert genug. Vidal bei­spiels­wei­se kann ein her­aus­ra­gen­der Spie­ler für uns sein, weil er in wich­ti­gen Momen­ten trifft. Aber er passt als Spie­ler­typ nicht zur Spiel­phi­lo­so­phie des Ver­eins. Des­halb ist es bei ihm immer ein hin und her zwi­schen Fluch und Segen. Das ist bei ein paar ande­ren Spie­lern auch der Fall. Wenn aber alle fit sind und wir unse­re Nor­mal­form errei­chen, dann kön­nen wir an guten Tagen immer noch gegen die bes­ten Euro­pas gewin­nen. Des­halb waren unse­re Chan­cen auf den Hen­kel­pott spe­zi­ell zwi­schen 2014 und 2016 zwar grö­ßer, aber sie sind immer noch vor­han­den.

Es ist wohl außer­ge­wöhn­lich, dass der VfB am 17. Spiel­tag immer noch den glei­chen Trai­ner hat wie am ers­ten und sowohl die Bay­ern, als auch der BVB ihren schon gewech­selt haben. Kannst Du Dir erklä­ren, war­um es unter Heyn­ckes plötz­lich viel bes­ser lief und was meinst Du, wie es auf die­ser Posi­ti­on bei Euch wei­ter geht?

Heyn­ckes hat ein paar Basics reak­ti­viert. Das reicht manch­mal schon. Unter Ance­lot­ti fehl­te eine Grund­struk­tur. Der Ita­lie­ner woll­te ver­ti­ka­ler und direk­ter spie­len las­sen, doch dem Team fehl­te dafür das Posi­ti­ons­spiel. Inner­halb von weni­gen Mona­ten ent­wi­ckel­te sich das Ball­be­sitz­spiel der Bay­ern von einem nahe­zu per­fek­ten Gefü­ge, in dem jeder Spie­ler immer meh­re­re Anspiel­sta­tio­nen hat­te, zu einem aus­re­chen­ba­ren Hau­fen. Dras­tisch for­mu­liert. Heyn­ckes hat nun zwei Din­ge ent­schei­dend ver­än­dern kön­nen. Auf der einen Sei­te hat er die Kabi­ne zurück­ge­won­nen. Gerüch­ten nach hat Ance­lot­ti kei­ne gute Bezie­hung mehr zu den Spie­lern gehabt. Ein­fach, weil das Ver­trau­en in sei­ne Ansich­ten fehl­te. Heyn­ckes gibt nicht nur jedem das Gefühl, wich­tig zu sein, son­dern führt auch sehr vie­le Gesprä­che mit den Spie­lern. Die ande­re Sei­te ist die tak­ti­sche Ebe­ne und hier ist beson­ders Peter Her­mann sehr wich­tig. Her­mann hat die Basics des Posi­ti­ons­spiels zurück­ge­bracht und man merkt der Mann­schaft an, dass sie wie­der eine deut­lich bes­se­re Grund­struk­tur hat. Der größ­te Fort­schritt ist das Pres­sing. Unter Ance­lot­ti sah das teil­wei­se aus wie ein aggres­si­ves Anlau­fen ohne Plan. Nun vari­iert die Mann­schaft sowohl Staf­fe­lung als auch Höhe des Pres­sings und setzt ihren Geg­ner somit deut­lich effek­ti­ver unter Druck.

An ande­ren Stel­len im Ver­ein herrscht — wie­der — Kon­stanz. Uli Hoe­neß und Karl-Heinz Rum­me­nig­ge geben auch wei­ter­hin den Ton an der Säbe­ner Stra­ße an. Wie siehst Du die bei­den?

Dif­fe­ren­zier­ter als vie­le ande­re. Der FC Bay­ern wird ja ger­ne als Lebens­werk von Uli Hoe­neß bezeich­net. Es ist ganz neben­bei auch das von Karl-Heinz Rum­me­nig­ge. Ich glau­be, dass die bei­den Aner­ken­nung von uns ver­dient haben. Sie haben sehr viel geleis­tet. Aller­dings wird es Zeit, dass bei­de lang­sam dar­über nach­den­ken, wer die Nach­fol­ge antritt. Rum­me­nig­ge hat dies neu­lich in einem Inter­view auf „texterstexte.com“ ange­deu­tet. Er wol­le nicht wei­te­re 10 Jah­re in die­ser Posi­ti­on tätig sein. Ich sehe eini­ge Din­ge der Bei­den aber durch­aus kri­tisch. Es wirkt teil­wei­se so, als wol­le man den Ver­ein mit aller Macht wie­der in alte Zei­ten brin­gen. Gera­de Uli Hoe­neß, der Guar­dio­la und Sam­mer nach Mün­chen hol­te und damit die erfolg­reichs­ten und seriö­ses­ten Jah­re der Ver­eins­ge­schich­te ein­lei­te­te, ist gera­de wie­der auf einem Mia-san-mia-Trip, den ich nicht nach­voll­zie­hen kann. Guar­dio­la und Sam­mer sind aus ver­schie­de­nen Grün­den weg und auch Resch­ke, der ent­ge­gen vie­ler Behaup­tun­gen groß­ar­ti­ge Arbeit geleis­tet hat, ist gewech­selt. Statt­des­sen hat man nun Sali­ha­mid­zic im Boot, der zwar wun­der­bar zum Mia san mia passt, aber bis­her zumin­dest noch nicht nach­ge­wie­sen hat, wes­halb er in die­ser Posi­ti­on ist. Wobei Rum­me­nig­ge und Hoe­neß hier auch recht haben, wenn sie Zeit für ihn ein­for­dern. Skep­tisch bin ich den­noch. Für die Zukunft wün­sche ich mir ein­fach, dass der Ver­ein sich wie­der moder­ner auf­stellt. Mit einer guten Mischung aus eige­nem Saft und exter­ner Kom­pe­tenz, die den Ver­ein aus der Kom­fort­zo­ne her­aus­holt. Die­ser Mix führ­te zu der sen­sa­tio­nel­len Zeit zwi­schen 2012 und 2016.

Du sprichst es an: Im Som­mer wech­sel­te Euer Kader­pla­ner Micha­el Resch­ke zu uns auf den Sport­di­rek­tor-Pos­ten. Wird er in Mün­chen ver­misst?

Zumin­dest von mir. Ich den­ke, dass dem durch­schnitt­li­chen Bay­ern-Fan gar nicht so bewusst ist, dass wir mit Resch­ke nicht ein­fach nur einen Kader­pla­ner ver­lo­ren haben, son­dern ein gan­zes Netz­werk. Der Mann ist ver­bun­den auf der gan­zen Welt und kennt Talen­te, bevor sie auch nur irgend­je­mand ande­res auf dem Schirm hat. Natür­lich ist auch er nicht feh­ler­frei, aber mit Resch­ke haben wir tol­le Trans­fers getä­tigt und jeman­den im Hin­ter­grund gehabt, der zumin­dest intern kei­ne Hand vor den Mund nahm. Solch exter­ne Kom­pe­tenz ver­mis­se ich schmerz­lich.

Kom­men wir zu den Wech­seln in die ande­re Rich­tung. Pro­mi­nent sind Spie­ler, die sich auf den Weg über die A8 gen Osten machen meis­tens, des­we­gen ist zu vie­len meist schon alles gesagt. Neben Sebas­ti­an Rudy und Joshua Kim­mich hat sich vor allem ein ehe­ma­li­ger Brust­ring­trä­ger in der Hin­run­de in den Fokus gespielt: Sven Ulreich. Wie bewer­test Du sei­ne Hin­run­de und hät­test Du sie so erwar­tet?

Das Pro­blem war doch jah­re­lang, dass Ulreich immer aus der Kal­ten kam und sich nie rich­tig bei uns bewei­sen konn­te. Hin­zu kam dann die absur­de Erwar­tungs­hal­tung vie­ler Fans, dass er plötz­lich auf Neu­er-Niveau ist. Ihn am bes­ten Tor­wart der Welt zu mes­sen ist schlicht unge­recht. Ich habe Ulreich beim VfB Stutt­gart rela­tiv kri­tisch gese­hen, aber bei uns war ich von Anfang an über­zeugt, dass er die Back­up-Rol­le gut meis­tern wird. So ist es ja auch. Beim FC Bay­ern ist ihm zwar auch schon der ein oder ande­re Pat­zer unter­lau­fen, aber das lag meist an feh­len­der Pra­xis. Jetzt durf­te er mal meh­re­re Wochen am Stück spie­len und zei­gen, dass er in der Bun­des­li­ga immer noch über­durch­schnitt­lich gut ist. Außer­dem ist er mei­nes Erach­tens nach der Beweis dafür, dass Tor­hü­ter sich beim FC Bay­ern auch dann noch wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, wenn sie hin­ter Neu­er nur der Ersatz sind. Das galt für Rei­na wie auch jetzt für Ulreich.

Von Süle bin ich begeis­tert. Er hat zwar in Paris auch Lehr­geld bezahlt, aber das gehört dazu. Für sein Alter spielt er erstaun­lich selbst­be­wusst und ich habe kei­nen Zwei­fel dar­an, dass er in Zukunft eine gro­ße Rol­le spielt. James hat­te Start­schwie­rig­kei­ten, die aller­dings zu erwar­ten waren. Jetzt, wo er fit ist, wird er zuneh­mend zu einem der tra­gen­den Spie­ler unse­rer Offen­si­ve. Beson­ders wich­tig ist, dass er das Zen­trum spie­le­risch belebt und so den Flü­gel­fo­kus zumin­dest etwas löst. Tolis­so war in Ansät­zen viel­ver­spre­chend. Nach vor­ne ist er dyna­misch und tor­ge­fähr­lich, hin­ten hat er noch ein paar Pro­ble­me mit der Geschwin­dig­keit der Liga. Das wird bes­ser, aber er muss noch viel resis­ten­ter gegen Druck wer­den, wenn er auf Bay­ern-Niveau bestehen möch­te. Er ist tak­tisch dis­zi­pli­nier­ter als Vidal, spielt mit viel Lei­den­schaft und macht einen guten Ein­druck. Für den nächs­ten Schritt muss er sich tech­nisch noch wei­ter­ent­wi­ckeln. Rudy hat­te einen sehr guten Start bei uns, hat jetzt aber mas­siv abge­baut. Er könn­te jemand wer­den, der Thia­go hin und wie­der erset­zen, aber auch mit dem Spa­ni­er zusam­men sehr gut har­mo­nie­ren kann. Dafür muss er aller­dings kon­stan­ter wer­den.

Nach­hol­be­darf sehe ich auf der Stür­mer-Posi­ti­on. Ob da im Win­ter mit Wag­ner schon jemand kommt, wird sich zei­gen. Damit wäre ich zumin­dest zufrie­den. Der Hof­fen­hei­mer ist phy­sisch stark, hat eine gewis­se Spiel­in­tel­li­genz und bringt Qua­li­tä­ten mit, die hin­ter Lewan­dow­ski bei uns nie­mand hat. Sonst sehe ich für den Som­mer Nach­hol­be­darf im Mit­tel­feld. Ohne Thia­go fehlt uns die spie­le­ri­sche Qua­li­tät im Zen­trum. Bay­ern soll­te sich von Vidal tren­nen, solan­ge der noch Geld ein­bringt und dafür einen Spie­ler­ty­pen wie Thia­go holen. Dass Ver­rat­ti sehr wahr­schein­lich nicht zu haben ist, ist mir klar, aber es muss der Anspruch des FC Bay­ern sein, im Mit­tel­feld wie­der krea­ti­ver und domi­nan­ter zu wer­den.

Auch wenn ihr mitt­ler­wei­le wie­der einen pas­sa­blen Vor­sprung auf die Kon­kur­renz habt, seid ihr nicht ohne Nie­der­la­gen durch die Sai­son gekom­men. Wo könn­te der VfB anset­zen um nicht ganz leer aus­zu­ge­hen?

Stutt­gart muss fle­xi­bel ver­tei­di­gen und beson­ders das Zen­trum ver­dich­ten. Sie soll­ten sich nicht zu sehr ver­ste­cken, son­dern im Mit­tel­feld­pres­sing schon die Wege im Spiel­auf­bau stö­ren. Bay­ern hat ohne Thia­go Pro­ble­me, den Sech­ser­raum zu bespie­len. Dort kann der VfB even­tu­ell Ball­ge­win­ne ver­bu­chen, wenn sie es cle­ver anstel­len. Alter­na­tiv len­ken sie die Münch­ner auf die Flü­gel, wo dann meist nur Flan­ken bei rum­kom­men. Also: Zen­trum dicht machen, Bay­ern auf die Flü­gel drän­gen und zu Flan­ken zwin­gen. Dazu dann die weni­gen Umschalt­mo­men­te eis­kalt aus­nut­zen. Das liest sich ein­fa­cher, als es umzu­set­zen ist, weil Bay­ern natür­lich immer noch eine enor­me indi­vi­du­el­le Qua­li­tät hat, aber ich traue Stutt­gart zu, dass sie uns das Leben rich­tig schwer machen kön­nen.

Dein Tipp für’s Spiel?

Stutt­gart ist sehr heim­stark. Ich rech­ne nicht mit einem hohen Sieg der Bay­ern, son­dern mit einer zähen Par­tie, in der der VfB lan­ge die Null hält. Irgend­wann geht dann aber doch einer für den FCB rein und am Ende erhö­hen sie noch auf 0:2.

Vie­len Dank für das Gespräch und schö­ne Fei­er­ta­ge!

Bild: © VfB-Bilder.de

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