Neu im Brustring: Holger Badstuber

Der VfB hat mit Hol­ger Bad­s­tu­ber hof­fent­lich den lan­ge erwar­te­ten Innen­ver­tei­di­ger ver­pflich­tet. Wir haben uns mit Fans des FC Bay­ern über ihn unter­hal­ten.

Ste­fen Nie­mey­er (@FCBlogin) schreibt auf Über die Linie über Fuß­ball und den FC Bay­ern. Stef­fen May­er (@DerBayernBlog) schreibt für den FCB-Blog Mia San Rot und macht den Gut Sport-Pod­cast. Auch Jus­tin Kraft (@LahmsteigerDE) schreibt für Mia San Rot.

Rund um den Brust­ring: Bad­s­tu­ber spiel­te ja von 2009 bis 2012 regel­mä­ßig für den FCB, damals war er natür­lich noch jün­ger als heu­te. Was zeich­ne­te sein Abwehr­spiel aus? Hat er da als Innen­ver­tei­di­ger gespielt? Das ist ja die Posi­ti­on, für die wir ihn ver­pflich­tet haben. Wie wich­tig war er in der Bay­ern-Mann­schaft?

Ste­fen: Hol­ger begeis­ter­te, weil er es wie Tho­mas Mül­ler aus der Jugend zu den Pro­fis geschafft hat­te und gleich gute Spie­le ablie­fer­te. Er war nicht glück­lich als Links­ver­tei­di­ger, hat das aber ganz ordent­lich gemacht.

Stef­fen: Bad­s­tu­ber hat unter van Gaal zunächst viel Spiel­zeit als Links­ver­tei­di­ger bekom­men. Das war natür­lich eher ein Kom­pro­miss, aber er hat sei­ne Sache da ziem­lich gut gemacht. Das zeigt wie anpas­sungs­fä­hig er schon in jun­gen Jah­ren war. Vor sei­nem Kreuz­band­riss am 1. Dezem­ber 2012 gegen Dort­mund war Bad­s­tu­ber in der Abwehr­ket­te gesetzt. Ent­we­der zen­tral oder links. Das muss man sich noch ein­mal ver­ge­gen­wär­ti­gen. Im bis dato wich­tigs­ten Spiel der Sai­son saß Boat­eng auf der Bank und Bad­s­tu­ber spiel­te.
Er war damals ein kom­plet­ter Innen­ver­tei­di­ger. Kopf­ball­stark, Gutes Auge, robust im Zwei­kampf, aus­rei­chend schnell und mit einem unfass­ba­ren lin­ken Fuß aus­ge­stat­tet. Her­mann Ger­land hat ihn frü­her in der Jugend auf der Sechs spie­len las­sen. Davon hat er wie Mats Hum­mels enorm pro­fi­tiert. Das ist wenn man so will sein USP. Die­ses unglaub­li­che Auf­bau­spiel mit dem lin­ken Fuß. Steil, lang- und dia­go­nal, Ecken sogar manch­mal Frei­stö­ße. Das ist, was her­aus­rag­te und das ist auch nie weg­ge­gan­gen.

Jus­tin: Er war ein ein­zig­ar­ti­ger Innen­ver­tei­di­ger, der sei­ner Gene­ra­ti­on weit vor­aus war. Man könn­te sogar sagen, dass er Vor­rei­ter der heu­ti­gen Ver­tei­di­ger-Gene­ra­ti­on war. Die Basics, die die­se Posi­ti­on jah­re­lang präg­ten — also Ver­tei­di­gen, Kopf­ball­spiel, Stel­lungs­spiel usw. — hat er mit Fähig­kei­ten kom­bi­niert, die damals nur weni­ge Ver­tei­di­ger hat­ten. Dazu zählt vor allem das Auf­bau­spiel. Bad­s­tu­ber ver­stand es sogar bes­ser als Hum­mels und Boat­eng (jeweils zu die­ser Zeit) den Mit­tel­feld­spie­ler oder gar Angrei­fer zu fin­den und ihm ein Zuspiel zu lie­fern, das zu 99,99% die nächs­te Spiel­si­tua­ti­on ver­ein­fa­chen wür­de. Beson­ders her­aus­ra­gend waren aber sei­ne dia­go­na­len Bäl­le, die denen von Xabi Alon­so in nichts nach­stan­den. Hät­te man einen Bier­de­ckel auf die dia­go­nal gegen­über­lie­gen­de Sei­te gelegt, hät­te er ihn ver­mut­lich in neun von zehn Ver­su­chen getrof­fen. Okay, das ist über­trie­ben, aber es war sei­ne größ­te Waf­fe und berei­cher­te das damals sta­ti­sche Spiel der Bay­ern um eini­ge, damals neue Facet­ten.

Heu­te wer­den die­se durch Boat­eng und Hum­mels gelie­fert, aber Bad­s­tu­ber — davon bin ich über­zeugt — hät­te ohne sei­ne Ver­let­zun­gen den­sel­ben Weg genom­men, wenn nicht sogar noch­mal bei­de in die Tasche gesteckt. Van Gaal setz­te ihn zunächst als Links­ver­tei­di­ger ein, weil es dort ein gro­ßes Defi­zit gab. Dort war er okay. Sei­ne Defen­siv­auf­ga­ben erfüll­te er groß­ar­tig, in der Offen­si­ve fehl­te es ihm an Tem­po, Dribb­ling und dem nöti­gen Zug zum Tor. Trotz­dem spiel­te er für dama­li­ge Ver­hält­nis­se rich­tig gut, was auch die Erfol­ge unter van Gaal bele­gen. Er war sehr wich­tig. Bad­s­tu­ber über­nahm schon in jun­gen Jah­ren Ver­ant­wor­tung und war ein abso­lu­tes Defen­siv­mons­ter. Hin­zu kamen die bereits genann­ten Qua­li­tä­ten, aber auch die Tat­sa­che, dass er ein Links­fuß ist. Es ist doch opti­mal, wenn du nicht nur zwei oder drei Innen­ver­tei­di­ger hast, die gut im Spiel­auf­bau sind, son­dern auch noch min­des­tens einen Links- und einen Rechts­fuß. Das bringt vie­le Vor­tei­le und mehr Mög­lich­kei­ten in der Spiel­eröff­nung.

Rund um den Brust­ring: Die Serie sei­ner Ver­let­zun­gen ist ja sowohl trau­rig als auch erschre­ckend. Waren die Ver­let­zun­gen jeweils schon wie­der voll aus­ge­heilt, bevor er wie­der aus­fiel, oder waren das Fol­ge­ver­let­zun­gen, weil er viel­leicht zu früh wie­der ins Trai­ning ein­stieg?

Stef­fen: Das kann man von außen natür­lich schwer beur­tei­len. Rich­tig schlimm war der zwei­te Kreuz­band­riss im Mai 2013 – erneut im rech­ten Knie. Danach waren es eine Rei­he von Ver­let­zun­gen – vor allem auch im Seh­nen- und mus­ku­lä­ren Bereich und Anfang 2016 auch noch ein Knö­chel­bruch. Ob das alles auf­ein­an­der auf­bau­te ist für mich als Laie schwer zu beur­tei­len. Wenn ich euch als Fans und Unter­stüt­zer aber einen guten Rat geben darf: Schlagt eine neue Buch­sei­te auf. Das The­ma Ver­let­zun­gen muss jetzt ein­mal abge­hakt wer­den – auch damit er wie­der Ver­trau­en in sein Spiel fas­sen kann.

Ste­fen:  Zum Teil waren sie aus­ge­heilt, zum Teil hat er, aus wel­chen Grün­den auch immer, mit Mus­kel­ver­let­zun­gen gespielt, so dass es danach mona­te­lang aus­fiel, wie man in die­sem Arti­kel in der tz nach­le­sen kann. Ich glau­be nicht, dass ihm das noch ein­mal pas­sie­ren wird. Die letz­te Fuß­ver­let­zung kann man wohl nicht auf eine kör­per­li­che Schwä­che zurück­füh­ren.

Jus­tin: Ich bin weder Arzt, noch kann ich kom­pe­tent beur­tei­len, wann der rich­ti­ge Zeit­punkt jeweils gewe­sen wäre. Ich glau­be bei sowas tat­säch­lich an Ver­an­la­gung, kann aber auch sagen, dass Bay­ern mit der Zeit immer län­ger gewar­tet hat, bis er wie­der ein­ge­setzt wur­de. Die Maß­nah­men wur­den also immer stren­ger und genau­er.

Rund um den Brust­ring: Traust Ihr ihm, wenn er fit bleibt, zu, den VfB in der Defen­si­ve zu ver­stär­ken? Wir haben da qua­si seit dem Abgang von Tasci vor vier Jah­ren ein rie­si­ges Loch, das immer wie­der von sub­op­ti­ma­len Innen­ver­tei­di­gern gefüllt wur­de und mit­ver­ant­wort­lich für den Abstieg und die vie­len Gegen­to­re in der zwei­ten Liga war. Momen­tan hat unse­re IV ein Durch­schnitts­al­ter von Anfang 20. Traut Ihr ihm eine Füh­rungs­rol­le zu? 

Ste­fen: Schwie­rig zu beant­wor­ten. Bei Schal­ke hat es nicht für eine Füh­rungs­rol­le gereicht. Er hat Defi­zi­te in der Geschwin­dig­keit und Ori­en­tie­rung gezeigt. Wie schnell kann er wie­der wer­den? Bekommt er genug Zeit und Pra­xis, um zur alten Sicher­heit zurück­zu­fin­den? Was er sicher mit­bringt, ist ein her­vor­ra­gen­des Auge für lan­ge Päs­se, die er auch prä­zi­se schla­gen kann. Außer­dem ist er ein Kämp­fer und hat auf dem Platz immer eine enor­me Moral gezeigt, so dass er zur Füh­rungs­fi­gur taugt. Aber wenn er den jun­gen Spie­lern ein­fach als gesetz­ter Spie­ler vor die Nase gesetzt wer­den wür­de, könn­te das schief­ge­hen. Da kommt es auch auf Euren Trai­ner an.

Stef­fen: Defi­ni­tiv. Er hat das Busi­ness von allen Sei­ten gese­hen und auch nie Ver­ant­wor­tung gescheut. Er hat auf dem Platz schon in jun­gen Jah­ren Anwei­sun­gen auf dem Platz gege­ben. Ich hof­fe aller­dings, dass er jetzt in fort­ge­schrit­te­nem Alter etwas gelas­se­ner wer­den kann. Manch­mal wirk­te er fast zu ver­bis­sen und über­mo­ti­viert und hat das auch sei­ne Neben­leu­te spü­ren las­sen. Ich kann mir aber sehr gut vor­stel­len, dass er in so einer Füh­rungs­rol­le für die Jün­ge­ren, die sicher zu ihm auf­schau­en, abso­lut auf­blü­hen kann.
Sport­lich hängt alles dar­an, ob er wie­der rich­tig Ver­trau­en in sein Spiel fin­det und sei­ne Beweg­lich­keit bei Dre­hun­gen und Zwei­kämp­fen wei­ter ver­bes­sert.  Ich hal­te ihn defi­ni­tiv für eine Ver­stär­kung. Der lin­ke Fuß ist immer noch da. Bei Schal­ke wirk­te er auch im Zwei­kampf wie­der etwas geschmei­di­ger als in vie­len Pha­sen zwi­schen den Ver­let­zun­gen bei uns. Es liegt alles dar­an ob er genü­gend Spiel­pra­xis und damit Sicher­heit bekommt. Das ist nach so unrhyth­mi­schen Jah­ren die Grund­la­ge für alles Wei­te­re.

Jus­tin: Ich glau­be nicht dar­an, dass Bad­s­tu­ber jemals wie­der an die Qua­li­tät von 2012 her­an­kom­men wird. Dafür ist zu viel pas­siert. Aber er hat natür­lich nicht alles ver­lernt. Bleibt er tat­säch­lich mal fit, was wir ihm seit Jah­ren wün­schen, ist er für fast jeden Bun­des­li­gis­ten eine Berei­che­rung. Beim VfB Stutt­gart könn­te er ein Garant für die kom­men­den Zie­le wer­den. Ich traue ihm zu, dass er wie­der ein über­durch­schnitt­lich guter Innen­ver­tei­di­ger in der Liga wird.
Zum The­ma Füh­rungs­spie­ler: Ich ken­ne nur weni­ge Fuß­ball­pro­fis, die cha­rak­ter­lich — von dem, was man als Außen­ste­hen­der bewer­ten kann — so her­aus­ra­gend sind. Bad­s­tu­ber ist ein super Jun­ge und er über­nimmt immer Ver­ant­wor­tung. Er unter­stützt jun­ge Spie­ler, er geht vor­an und er ist selbst­kri­tisch, wenn es nicht so läuft. Mehr kann man von einem Füh­rungs­spie­ler nicht erwar­ten. Wenn er kon­stant spie­len kann, wird er auto­ma­tisch eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Rol­le über­neh­men, weil das sei­ne Art ist. Er spricht viel, er diri­giert viel und er ist prä­sent. Ich hof­fe, dass er das regel­mä­ßig zei­gen kann.

Rund um den Brust­ring: War­um hat er die Bay­ern ver­las­sen? Man­geln­de Per­spek­ti­ve oder hat man wegen sei­ner Kran­ken­ak­te nicht mehr mit ihm geplant?

Ste­fen: Sein Ver­trag lief aus, der Ver­ein hat nicht ver­län­gert. Das lief nicht har­mo­nisch, mei­ner Außen­sicht nach von bei­den Sei­ten aus nicht, sonst wäre er nicht so kalt und distan­ziert nur mit einer kur­zen Mit­tei­lung ver­ab­schie­det wor­den. Das hat die Bay­ern-Fans sehr geär­gert, auch wenn es kaum jeman­den gab, der eine Ver­trags­ver­län­ge­rung aus nost­al­gi­schen Grün­den gefor­dert hät­te. Ich wün­sche ihm jeden­falls viel Erfolg und hof­fe, dass er sich durch­set­zen kann.

Stef­fen: Die Tür stand schon immer noch auf. Er ist nach wie vor ein abso­lu­ter Publi­kums­lieb­ling in Mün­chen, aber man hat ihm ange­merkt, dass er wohl ein­fach einen Tape­ten­wech­sel woll­te und wahr­schein­lich auch brauch­te. Am Ende woll­te er einen Neu­an­fang außer­halb von Mün­chen.

Jus­tin: Ich glau­be, dass das eine wech­sel­sei­ti­ge Geschich­te war. Bad­s­tu­ber hat selbst gemerkt, dass es nicht mehr zur alten Qua­li­tät reicht, aber sein Ehr­geiz führ­te natür­lich dazu, dass er es allen noch­mal bewei­sen möch­te. Die Bay­ern haben irgend­wann die Mög­lich­keit gese­hen, Hum­mels zu ver­pflich­ten. Das war ein kla­res Zei­chen an Bad­s­tu­ber. In Zukunft wür­de nicht mehr mit ihm geplant wer­den und man muss sich etwas neu­es suchen. Die vie­len Ver­let­zun­gen haben ihm die Mög­lich­keit genom­men, bei uns end­gül­tig zur Welt­klas­se zu rei­fen. Die­ser feh­len­de Sprung führ­te dann wie­der­um zur Tren­nung. Dem­entspre­chend war es vor allem die Kran­ken­ak­te, die zur man­geln­den Per­spek­ti­ve führ­te. Mensch­lich pass­te es fast immer und sport­lich reich­te es lei­der nicht mehr. Ich bin über­zeugt davon, dass Bad­s­tu­ber sonst geblie­ben wäre und Bay­ern alles dafür getan hät­te, die­sen Typen wei­ter­hin zu inte­grie­ren.

Rund um den Brust­ring: Vie­len Dank für das Gespräch!

Eine inter­es­san­te Ein­schät­zung zu Bad­s­tu­ber fin­det man auch im Inter­view von Hei­ko Hin­rich­sen in den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten mit Her­mann Ger­land. Ins­be­son­de­re die­ser Satz lässt auf­hor­chen und passt auch zur Ein­schät­zung von Stef­fen:

Hol­ger muss nach wie vor ler­nen, dass es kei­nen Spie­ler gibt, der kei­ne Feh­ler macht.

Viel­leicht ist es aber auch gera­de die­se Ver­bis­sen­heit, die ihn die schwie­ri­ge Ver­let­zungs­zeit hat über­ste­hen las­sen. Las­sen wir mal das gan­ze Cha­os, dass sei­ne Ver­pflich­tung — schein­bar — im Ver­ein ver­ur­sacht hat, sehe ich den Trans­fer posi­tiv. Bad­s­tu­ber unter­schreibt einen ein­jäh­ri­gen, schein­bar stark leis­tungs­be­zo­ge­nen Ver­trag. Wenn wir opti­mis­tisch davon aus­ge­hen, dass er fit bleibt, könn­te er end­lich das oben ange­spro­che­ne Loch in der Abwehr stop­fen, selbst wenn sein Spiel nicht mehr das Glei­che ist wie vor fünf Jah­ren. Vor allem aber könn­te er die Posi­ti­on des Füh­rungs­spie­lers aus­fül­len, die beim VfB auch wei­ter­hin vakant ist, was in der zwei­ten Liga ange­sichts der posi­ti­ven Ergeb­nis­se nur nicht so auf­fiel.

Klar ist aber auch: Trotz aller Beteue­run­gen und der auf zwei Jah­ren in der Jugend auf­bau­en­den Nost­al­gie waren Bad­s­tu­ber und der VfB für den jeweils ande­ren nur die zweit­bes­te Lösung. Jan Schin­del­mei­ser hät­te lie­ber einen Reyes ohne Ver­let­zungs­ge­schich­te gehabt, Bad­s­tu­ber lie­ber einen etwas höher ange­sie­del­ten Ver­ein. Im End­ef­fekt waren die Erwar­tun­gen auf bei­den Sei­ten wohl unrea­lis­tisch. Es könn­te am Ende eine Win-Win-Situa­ti­on wer­den, vor­aus­ge­setzt Micha­el Resch­ke hat kei­ne kom­plett ande­ren Vor­stel­lun­gen, wie die Mann­schaft des VfB aus­se­hen soll.

Bild: © Micha­el Kra­ne­wit­ter, Wiki­me­dia Com­mons, CC-by-sa 4.0

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