Mit Ach und Krach

Der Auf­takt des VfB in die Sai­son 2017/2018 beim Pokal­spiel in Cott­bus war mehr als beschei­den. Die durch Ver­let­zun­gen dezi­mier­te Defen­si­ve war dabei nicht das ein­zi­ge Pro­blem.

Eigent­lich müss­te eini­gen Jungs im roten Brust­ring und neu­er­dings schwar­zen Kra­gen die Situa­ti­on bekannt vor­ge­kom­men sein. Ihnen gegen­über stand ein Geg­ner, der voll moti­viert war und nichts zu ver­lie­ren hat­te und den VfB genau damit vor sich her trieb. Ener­gie Cott­bus, vor zehn Jah­ren noch in der Bun­des­li­ga und Weg­be­rei­ter der letz­ten Deut­schen Meis­ter­schaft, ist mit drei Sie­gen aus drei Spie­len in die Regio­nal­li­ga Nord-Ost gestar­tet und tra­ten eben genau­so auf wie eine ein­ge­spiel­te Mann­schaft, die weiß, wie sie gegen einen drei Klas­sen höhe­ren Geg­ner auf­zu­tre­ten hat und für die der DFB-Pokal nur ein Zubrot ist: Hin­ten kom­pro­miss­los und vor­ne stür­misch. Geht hin­ten doch mal einer rein, dann ist es halt so. Und vor­ne gilt: Any­thing goes.

Burnic und Ofori zur falschen Zeit am falschen Ort

Der VfB hin­ge­gen prä­sen­tier­te sich über fast die gesam­ten 120 Minu­ten kopf- und kon­zept­los. Das ist nur zum Teil auf die durch Ver­let­zun­gen und Sper­ren völ­lig durch­ein­an­der gewir­bel­te Vie­rer­ket­te zu erklä­ren. Sicher­lich: Hol­ger Bad­s­tu­ber oder Timo Baum­gartl wäre ein Faux­pas wie der von Dze­nis Bur­nic vor dem 0:1 oder ein so dum­mes Foul wie das von Ebe­ne­zer Ofo­ri sicher­lich nicht unbe­dingt pas­siert. Aber man hat­te nicht nur bei die­sen bei­den Gegen­to­ren das Gefühl, dass die gesam­te Mann­schaft in der Rück­wärts­be­we­gung von den schnel­len Vor­stö­ßen der Cott­bus­ser über­for­dert war. Dass neben dem bereits ver­letz­ten Emi­lia­no Insua auch noch sei­ne bei­den Stell­ver­tre­ter Ail­ton und Den­nis Aogo aus­fie­len, ist natür­lich schon kras­ses Pech. Die noch bestehen­de Sper­re von Hol­ger Bad­s­tu­ber die er sich im Vier­tel­fi­na­le des letz­ten Wett­be­werbs mit zwei gel­ben Kar­ten inner­halb von drei Minu­ten  ein­fing, war unglück­lich. So blie­ben nach dem kurz­fris­ti­gen Aus­fall von Baum­gartl nur noch Kamin­ski und Pavard innen sowie Zim­mer­mann rechts und Bur­nic links übrig, was vor allem bei letz­te­rem kei­ne gute Idee war.

Nur selten stand der VfB so geschlossen wie während des Elfmeterschießens. Bild: © VfB-Bilder.de
Nur sel­ten stand der VfB so geschlos­sen wie wäh­rend des Elf­me­ter­schie­ßens. Bild: © VfB-Bilder.de

Ich will hier nicht den Stab über einen 19-jäh­ri­gen bre­chen, der sein ers­tes Spiel für sei­nen neu­en Ver­ein auf einer frem­den Posi­ti­on bestrei­ten muss. Auch wenn der Fehl­pass vor dem 0:1 haar­sträu­bend war: Viel­leicht wäre es sinn­vol­ler gewe­sen, Ebe­ne­zer Ofo­ri auf links zu zie­hen und Bur­nic vor die Abwehr zu zie­hen. Viel­leicht wäre das sogar der Schlüs­sel gewe­sen, um bei­de Gegen­to­re zu ver­hin­den. Wer weiß. Haken wir es ab, als Erkennt­nis dass die Innen­ver­tei­di­gung des VfB in der Spit­ze immer noch dünn besetzt ist und dass man gegen einen spie­le­risch unter­le­ge­nen aber hoch­mo­ti­viert anstür­men­den Geg­ner mög­lichst kei­ne Expe­ri­men­te wagen soll­te.

Erschreckend einfallslos

Was man nicht so ein­fach abha­ken kann, ist die Leis­tung der eigent­lich in Best­be­set­zung ange­tre­te­nen Offen­si­ve. Aus dem zen­tra­len Mit­tel­feld kamen von Ofo­ri und Chris­ti­an Gent­ner eigent­lich nichts ande­res als lan­ge Bäl­le auf den meist im Abseits ste­hen­den Simon Terod­de. Auch auf den Flü­geln sah es zunächst nicht bes­ser aus. Nach dem frü­hen Rück­stand fiel es den Gast­ge­bern natür­lich noch leich­ter, sich am eige­nen Straf­raum zu ver­schan­zen und auf Kon­ter zu war­ten. Josip Bre­ka­lo, Chadrac Ako­lo und Taku­ma Asanon fiel dage­gen kein Mit­tel ein und so blieb es bis zu Bre­kal­os sehens­wer­tem Anschluss­tref­fer bei unge­nau­en Distanz­schüs­sen, schlech­ten Flan­ken und harm­lo­sen Stan­dard­si­tua­tio­nen.

Josip Brekalo war in der zweiten Halbzeit der Lichtblick in der VfB-Offensive. Bild: © VfB-Bilder.de
Josip Bre­ka­lo war in der zwei­ten Halb­zeit der Licht­blick in der VfB-Offen­si­ve. Bild: © VfB-Bilder.de

Eigent­lich unver­ständ­lich, wo der VfB es doch gegen Ende der Zweit­li­ga-Sai­son ver­stan­den hat­te, auch gut orga­ni­sier­te Abwehr­rei­hen spie­le­risch zu über­win­den und bis auf Ako­lo offen­siv fast die glei­chen Spie­ler auf dem Platz stan­den. Selbst mit einer ver­än­der­ten, tau­meln­den Abwehr muss es doch mög­lich sein, gegen einen, wenn auch auf­stre­ben­den, Viert­li­gis­ten mehr Offen­siv­feu­er zu ent­fa­chen. Statt­des­sen schlug sich Cott­bus am Ende sel­ber. Zunächst mit einem Eigen­tor, das Bur­nics Black­out in nichts nach­stand und dann mit zwei ver­schos­se­nen Elf­me­tern, die Hei­ko Hin­rich­sen in den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten char­mant der Aura von Ron-Robert Zie­l­er zusprach.

Der bessere Torwart spielt

Zu Zie­l­er ein paar Wor­te. Ich habe es schon bei sei­ner Vor­stel­lung hier im Blog gesagt: Ich fin­de es gut, dass jetzt auch auf die­ser Posi­ti­on ein Kon­kur­renz­kampf herrscht. Ande­res als auf ande­ren Posi­tio­nen ist der Kon­kur­renz­kampf im Tor aber abso­lut: Es kön­nen nicht zwei Spie­ler gleich­zei­tig im Tor ste­hen und ein stän­di­ger Wech­sel zwi­schen bei­den führt meist auch zu nichts. In die­sem Fall heißt das, dass Mitch Lan­ge­rak vor­erst das Nach­se­hen hat, denn Han­nes Wolf hat Zie­l­er mit dem Ein­satz im Pokal auch das Ver­trau­en als Num­mer 1 aus­ge­spro­chen. Für vie­le VfB-Fans, die Ziel­ers Gegen­tor im Test­spiel gegen Dres­den und Lan­ge­rak als Auf­stiegs­tor­wart vor Augen haben, ist das unver­ständ­lich. So ein­fach ist es aber natür­lich nicht. Für Wolfs Bewer­tung sei­ner Tor­leu­te ist natür­lich weder allein die ver­gan­ge­ne Sai­son, noch eine unglück­li­che Sze­ne in einem Test­spiel ent­schei­dend.

Da Lan­ge­rak extra sei­nen Urlaub abbrach um recht­zei­tig direkt nach der Ver­pflich­tung Ziel­ers ins Trai­ning ein­zu­stei­gen, hat­ten bei­de die glei­che fai­re Chan­ce, sich dem Trai­ner zu emp­feh­len. Ich ver­traue Han­nes Wolf inso­weit, als dass er als Trai­ner beur­tei­len kann, wel­cher Tor­hü­ter bes­ser ist und den Vor­zug bekom­men soll­te. Dabei ist es völ­lig irrele­vant, ob Lan­ge­rak nach dem Abstieg beim Ver­ein geblie­ben ist oder ob er Teil einer Mann­schaft war, die in der Auf­stiegs­eu­pho­rie der ver­gan­ge­nen Mona­te zur qua­si-Jahr­hun­dert­elf erho­ben wur­de. Die Zei­ten, in denen sich Spie­ler ihres Plat­zes in der VfB-Start­elf sicher sein kön­nen, weil es ein­fach kei­ne Kon­kur­renz gibt, sind zum Glück vor­bei. Was man auch dar­an sieht, dass Chris­ti­an Gent­ner erst wegen Baum­gartls Aus­fall in Cott­bus über­haupt als Kapi­tän das Feld betrat.

Abstiegskampf all year long

Wel­che Leh­ren müs­sen die Mann­schaft und Han­nes Wolf aus dem mehr oder weni­ger geschenk­ten Ein­zug in die zwei­te Run­de zie­hen? Auch wenn der VfB in der Bun­des­li­ga jetzt nicht mehr als Favo­rit anreist, muss der Offen­si­ve mehr ein­fal­len als ein paar halb­ga­re Flan­ken auf einen Simon Terod­de, der es in der ers­ten Liga noch schwe­rer haben wird, sich allei­ne gegen Ver­tei­di­ger durch­zu­set­zen. Josip Bre­ka­lo kann, wenn er will, tor­ge­fähr­lich sein und durch­aus für die eine oder ande­re Über­ra­schung sor­gen. Am ande­ren Ende des Spiel­feld muss sich die hof­fent­lich wie­der ein­satz­be­rei­te Defen­si­ve schnellst­mög­lich ein­spie­len.

Kein Grund also, bereits jetzt schon die Flin­te ins Korn zu wer­fen und erneut für die zwei­te Liga zu pla­nen. Aber ein­mal mehr ein deut­li­cher Hin­weis, dass es in die­ser Sai­son trotz aller Träu­me und Vier-Jah­res-Plä­ne um nichts ande­res als den Klas­sen­er­halt gehen wird. Von August bis Mai.

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