Auf Zeitreise

Mit 3:1 sieg­te der VfB schließ­lich am Mitt­woch­abend in Kai­sers­lau­tern. Das Spiel war für vie­le Gäs­te­fans wie eine Rei­se in ver­gan­ge­ne Zweit­li­ga-Zei­ten. Für die Mann­schaft wohl auch.

Eins vor­weg: So eine eng­li­sche Woche for­dert mit Vor- und Nach­be­rich­ten auch von Blog­gern ihren Tri­but, vor allem wenn man dane­ben noch ein Leben hat. Des­we­gen fällt der Rück­blick auf die­ses Spiel auch etwas kür­zer aus als gewohnt. Es mag auch der Tat­sa­che geschul­det sein, dass ich dank der fan­un­freund­li­chen Anstoß­zeit erst fünf Minu­ten nach Anpfiff im Block war und damit den Aus­lö­ser für dafür ver­pass­te:

Akolo und Terodde - neben Ginczek die Matchwinner. Bild: © VfB-Bilder.de
Ako­lo und Terod­de — neben Gin­c­zek die Match­win­ner. Bild: © VfB-Bilder.de

Den Rest bekam ich dann aber mit: Der VfB müh­te sich in der ers­ten Halb­zeit ordent­lich ab gegen eine Lau­te­rer Mann­schaft, in der ich, auch bedingt dadurch dass die zwei­te Liga durch den Auf­stieg wie­der aus mei­nem Fokus gerückt ist und so fern scheint wie frü­her, fast kei­nen Spie­ler kann­te. Das hielt eben­je­ne Heim­mann­schaft aber nicht davon ab, zu ver­ges­sen, dass sie in Liga 2 auf Platz 18 steht und eigent­lich ande­re Sor­gen hat, als eine zwei­te Pokal­run­de. Man braucht hier nicht das Kli­schee von den Pokal­re­geln zu bemü­hen, aber die Pfäl­zer sahen die Chan­ce, den VfB früh unter Druck zu set­zen und nutz­ten sie.

In der zwei­ten Halb­zeit war es dann vor allem die indi­vi­du­el­le Klas­se von Simon Terod­de und Chadrac Ako­lo, die dem VfB dazu ver­half, sich durch­zu­set­zen. Ako­lo krön­te nach Wie­der­an­pfiff sei­nen guten Auf­tritt mit einem eige­nen Tor und einer Vor­la­ge für Simon Terod­de.  Der neue, sehr emp­feh­lens­wer­te Twit­ter­ac­count @VfBFilmRoom hat das schön zusam­men­ge­fasst:

Liga? Pokal!

Hät­te die­ses Spiel vor sechs Mona­ten statt­ge­fun­den, wären wahr­schein­lich noch­mal ein paar tau­send Stutt­gar­ter mehr da gewe­sen und wir wür­den jetzt dar­über reden, dass der VfB sich in einer schwe­ren zwei­ten Liga erneut gegen einen Kon­kur­ren­ten durch­ge­setzt hät­te und auf dem bes­ten Weg zurück ins Ober­haus sei.

Es war aber lei­der — oder zum Glück? — kein Liga­spiel, son­dern ein Pokal­spiel beim Tabel­len­letz­ten der zwei­ten Bun­des­li­ga. Und anders als Köln ist Kai­sers­lau­tern kein Tabel­len­letz­ter, der beson­ders tief gefal­len ist. Bereits die letz­te Sai­son ende­te mit­tel­mä­ßig. War­um der FCK so abge­rutscht ist, dar­über habe ich vor dem Spiel mit Flo­ri­an von Bet­ze­ge­bab­bel gespro­chen. Also eigent­lich der per­fek­te Geg­ner, um sich sei­ner eige­nen Stär­ken zu erin­nern und mit Schwung in die zwei­te Hälf­te der Hin­run­de zu star­ten.

Mehr Qual als Lust

Statt­des­sen hat­te man im Block stre­cken­wei­se das Gefühl, das Spiel auf dem Bet­zen­berg sei für die die Mann­schaft mehr Qual als Lust. Sicher­lich, die Tore waren schön her­aus­ge­spielt und es war sicher­lich gut für Ako­lo und Terod­de, wie­der zu tref­fen. Auch der Rest der Mann­schaft wird sich über das unge­wohn­te Gefühl, aus­wärts gewon­nen und Tore geschos­sen zu haben, gefreut haben. Aber Warm­lau­fen für wich­ti­ge Spie­le gegen direk­te Abstiegs­kon­kur­ren­ten sieht irgend­wie anders aus. Die ers­te Halb­zeit war nicht nur jen­seits des Zauns eine Qual, auch dies­seits waren die zahl­rei­chen Sicher­heits- und Rück­päs­se nur schwer zu ertra­gen.

Das lag auch dar­an, dass sich Kai­sers­lau­tern nach der frü­hen Füh­rung erwar­tungs­ge­mäß zurück­zog und der VfB sein übli­ches medio­kres Offen­siv­spiel auf­zog. 68 Pro­zent Ball­be­sitz und über 80 Pro­zent ange­kom­me­ne Päs­se spre­chen wie­der eine deut­li­che Spra­che: der VfB hat den Ball, weiß aber nichts damit anzu­fan­gen. Emi­lia­no Insua spiel­te erneut von Beginn an, dies­mal jedoch auf dem lin­ken Flü­gel. Er blieb aber offen­siv eben­so glück­los, wie Andre­as Beck auf der ande­ren Sei­te, wobei der immer­hin Ako­lo den Ball auf­leg­te, den der mit viel Zeit und Prä­zi­si­on im Tor ver­senk­te. Zen­tral spiel­ten Bur­nic und Ascací­bar auf einer Dop­pel­sechs mit einem Durch­schnitts­al­ter von 19,5 Jah­ren, konn­ten sich aber auch nicht wirk­lich effek­tiv nach vor­ne ein­brin­gen. Sie wer­den wohl auch so schnell nicht wie­der in die­ser Kon­stel­la­ti­on zusam­men spie­len. Wäh­rend Ascací­bar ja qua­si seit Sai­son­be­ginn und erst recht nach Gent­ners Ver­let­zung fes­ter Bestand­teil des Teams ist, soll­ten wir auf­pas­sen, dass wir Dze­nis Bur­nic nicht mit Erwar­tun­gen über­la­den. Ja, er ist mehr­fa­cher Nach­wuchs­meis­ter. Aber er ist eben auch ein 19jähriger in sei­nem ers­ten Bun­des­li­ga-Jahr. Wenn er sich in der Rück­run­de bes­ser an das Niveau gewohnt hat: Super. Wenn nicht, hat sich die Lei­he halt nicht gelohnt. Gibt schlim­me­res.

Mit angezogener Bremse

Etwas schlim­mer ist hin­ge­gen die Erkennt­nis, die die­se Woche schein­bar nicht nur in mir reif­te:

In der Tat: Im Moment spie­len wir nur des­halb mit Fün­fer­ket­te, weil unse­re Außen­ver­tei­di­ger hin­ten hilf­rei­cher sind als vor­ne. Han­nes Wolf hat­te recht, als er anmerk­te, man kön­ne die­ses Sys­tem sowohl defen­siv als auch offen­siv inter­pre­tie­ren. Der VfB ver­sucht durch­aus, vom Spiel in Leip­zig mal abge­se­hen, dass gan­ze offen­siv zu gestal­ten, es schei­tert nur bis­her an den Offen­siv­qua­li­tä­ten der Außen­bahn­spie­ler. Ich hat­te ja schon nach dem letz­ten Spiel geschrie­ben, dass wir dafür eine Lösung brau­chen. Gese­hen habe ich sie am Mitt­woch­abend nicht.

Auch in Kai­sers­lau­tern wur­de man den Ein­druck nicht los, die Mann­schaft spielt, als wür­de sie mit dem Fahr­rad eine stei­le Stra­ße hin­un­ter­fah­ren und hät­te Angst, sich auf die Fres­se zu legen: Immer mit ange­zo­ge­ner Brem­se, zur Not abstei­gen und schie­ben. Klar, der teil­wei­se sinn­lo­se Hur­ra-Fuß­ball von Zor­ni­ger hat uns noch viel mehr Punk­te gekos­tet. Aber es ist schon arg zäh momen­tan und das wird es wohl auch blei­ben. Solan­ge in den kom­men­den Spie­len gegen die Ver­fol­ger Frei­burg, Ham­burg und Bre­men die nöti­gen Punk­te run­ter­fal­len: Mei­net­we­gen.

Sehnsuchtsort Betzenberg

Die Westkurve. Bild: © VfB-Bilder.de
Die West­kur­ve. Bild: © VfB-Bilder.de

Been­den wir die­sen Rück­blick mit einer posi­ti­ven Note und kom­men wir damit zum Motiv der Über­schrift zurück. Die letz­te Sai­son war ja für uns die reins­te Nost­al­gie­tour durch die zwei­te Liga und so war auch die Freu­de über das Zweit­run­den-Los so groß, dass sie durch die Anstoß­zeit nur mini­mal gedämpft wer­den konn­te. Ich kann dem Ver­ein FCK mit sei­ner Fixie­rung auf Fritz Wal­ter und die Gol­de­nen 50er und der melo­dra­ma­ti­schen Fixie­rung der gesam­ten Regi­on auf ihn eigent­lich nicht so wahn­sin­nig viel abge­win­nen. Aber wenn man dann den Bet­zen­berg hoch­läuft und vom Gäs­te­block auf die West­kur­ve blickt, dann wünscht man sich doch, man könn­te das ein­mal pro Sai­son tun. Man soll­te aller­dings sei­nen Blick auch nicht von besag­ter Kur­ve abwen­den. Wie der Ver­ein sein Sta­di­en in den letz­ten Jah­ren leer­ge­spielt hat, ist erschre­ckend. Gan­ze 28.000 Zuschau­er ver­irr­ten sich im ehe­ma­li­gen WM-Sta­di­on, das eigent­lich knapp 50.000 fasst. Ein Mahn­mal, was pas­sie­ren kann, wenn man aus der zwei­ten Liga nicht mehr raus­kommt.

 

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