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Der VfB bestrei­tet gegen Ein­tracht Braun­schweig, trotz Chan­cen­ver­wer­tung und klei­nem Durch­hän­ger, das bis­her bes­te Spiel die­ser Sai­son. Olaf Jan­ßen hin­ter­lässt dem neu­en Trai­ner Han­nes Wolf ein bestell­tes Feld und einen guten Tabel­len­platz. Jetzt muss der VfB das Momen­tum nut­zen!

End­lich, end­lich, end­lich! So wird wohl das Neckar­sta­di­on am Diens­tag­abend nach dem Schluss­pfiff des Spit­zen­spiels gegen Ein­tracht Braun­schweig kol­lek­tiv erleich­tert auf­ge­at­met haben. End­lich gewinnt der VfB mal wie­der ein wich­ti­ges Spiel. End­lich bricht er mal nicht nach eige­ner Füh­rung völ­lig ein und ver­gibt die­se. Zum ers­ten Mal seit ziem­lich genau fünf Jah­ren gewin­nen die Brust­ring­trä­ger wie­der zwei Liga­spie­le in Fol­ge zu Null. Und end­lich spiel­te der VfB mal so, wie er spie­len soll­te, um in die­ser Liga eine rea­lis­ti­sche Chan­ce auf den Auf­stieg zu haben.

Offensive und Defensive endlich im Zusammenspiel

Die VfB-Defensive hatte die Braunschweiger im Griff. Bild © Eric Späte
Die VfB-Defen­si­ve hat­te die Braun­schwei­ger im Griff. Bild © Eric Spä­te

Das wur­de an ver­schie­de­nen Stel­len im Spiel und in der Mann­schaft deut­lich. Wir bespre­chen ja die Spie­le an die­ser Stel­le häu­fig unter­teilt in Defen­si­ve und Offen­si­ve, wobei einer der bei­den Mann­schafts­tei­le meis­tens qua­li­ta­tiv abfällt. Gegen Braun­schweig war das, über wei­te Tei­le des Spiels, nicht der Fall. In der Vie­rer­ket­te ver­trau­te Jan­ßen erneut auf die Spie­ler, die schon auf dem Bet­zen­berg ohne Gegen­tor geblie­ben waren und die­se vier, vor allem aber die zwei in der Mit­te mach­ten ihre Sache in der ers­ten Halb­zeit über­ra­schend gut. Braun­schweig folg­te dem Trend ande­rer Zweit­li­gis­ten und begann sehr defen­siv, hat­te aber durch die schnel­len Stür­mer immer wie­der gute Angriffs­mög­lich­kei­ten, die die VfB-Defen­si­ve aber wie­der­um fast alle zunich­te mach­te. Noch bes­ser: Die Bäl­le wur­den nach dem gewon­nen Zwei­kampf nicht hek­tisch und sinn­los nach vor­ne gedro­schen. Statt­des­sen ver­such­te man sich in so etwas wie Spiel­auf­bau.

Und so konn­te man zum ers­ten Mal in die­ser Sai­son auch ein funk­tio­nie­ren­des Zusam­men­spiel zwi­schen den bei­den Mann­schafts­tei­len beob­ach­ten, mit Haji­me Hoso­gai als Ver­bin­dungs­stück. Immer wie­der trug der VfB für sei­ne Ver­hält­nis­se ziem­lich durch­dach­te Angrif­fe vor, blieb aber ein ums ande­re Mal in der Braun­schwei­ger Abwehr hän­gen. Das kommt einem zunächst bekannt vor. Jedoch hat­te man an die­sem Abend das Gefühl, dass ein Plan dahin­ter steck­te und der Ball nicht ein­fach nur sinn­los Rich­tung Straf­raum gebolzt wur­de. Beson­ders tat sich dabei erneut Taku­ma Asa­no her­vor, der die Ein­tracht-Abwehr mit sei­nen Tem­po­läu­fen über rechts häu­fig in Ver­le­gen­heit brach­te und damit bewies, dass in der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Schin­del­mei­ser und Luhuk­ay der ers­te viel­leicht nicht ganz falsch lag. Was Asa­no bis­her noch fehlt ist ein wenig mehr Über­sicht und Mann­schafts­ka­me­ra­den, die bei Kon­tern schnell schal­ten und anspiel­bar sind. Ein altes VfB-Pro­blem, wel­ches gefühlt seit dem Abgang von Alex Hleb besteht. Dem ers­ten.

Goalgetter Sunjic und das Betteln um Gegentore

Ein ande­res lang­jäh­ri­ges Pro­blem scheint man bei den Brust­ring­trä­gern in den Griff bekom­men zu haben: Die Stan­dards. Erneut traf der VfB nach einem ruhen­den Ball, dies­mal drück­te — aus­ge­rech­net — Toni Sun­jic die Ecke von Alex Maxim zu sei­nem zwei­ten Sai­son­tref­fer über die Linie. Viel­leicht soll­ten wir das Pro­blem der vie­len Innen­ver­tei­di­ger damit lösen, dass wir Sun­jic als zwei­te Spit­ze neben Terod­de auf­bie­ten, zumin­dest bis Dani­el Gin­c­zek wie­der fit ist. Dann könn­te auch Ben­ja­min Pavard end­lich bewei­sen, was in ihm steckt. Wie auch immer: Die Füh­rung gegen den Tabel­len­ers­ten war ver­dient und ent­spre­chend sou­ve­rän spiel­te der VfB auch die ers­te Hälf­te zuen­de.

Letztendlich schaffte der VfB es erneut, die Null zu halten. Bild © Eric Späte
Letzt­end­lich schaff­te der VfB es erneut, die Null zu hal­ten. Bild © Eric Spä­te

Nach dem Wech­sel konn­te man dann wie­der ein Phä­no­men beob­ach­ten, wel­ches so regel­mä­ßig auf­tre­tend wie uner­klär­lich ist: Die Mann­schaft, mit der Füh­rung im Rücken, ver­lor nicht nur den Faden, son­dern auch die Kon­trol­le über das Spiel und ließ sich von Braun­schweig knapp 20 Minu­ten lang hin­ten rein­drü­cken. Es hat­te fast etwas von Eis­ho­ckey-Power­play. Der VfB bekam den Ball nicht rich­tig hin­ten raus oder ver­lor ihn gleich wie­der an einen Braun­schwei­ger und Mitch Lan­ge­rak muss­te mit meh­re­ren Pre­mi­um-Para­den sei­ne wei­ße Wes­te vor Fle­cken bewah­ren. In die­sen Minu­ten konn­te man von Glück spre­chen, dass Braun­schweig das Spiel nicht aus­glich oder gar dreh­te. Was die Mann­schaft in sol­chen Momen­ten rei­tet? Uner­klär­lich. Ich weiß auch nicht, war­um da nicht mal einer der erfah­re­nen Spie­ler mal ne Ansa­ge macht und sei­ne Mit­spie­ler wie­der wach­rüt­telt. Dass die momen­tan bes­te Mann­schaft der Liga mit Furor aus der Kabi­ne kom­men wür­de war abzu­se­hen. Aber anstatt dem mutig und selbst­be­wusst ent­ge­gen zu tre­ten, hat­ten die Brust­ring­ki­cker bis zur 64. Minu­te die Hosen gestri­chen voll und bet­tel­ten förm­lich um das Gegen­tor.

Großkreutz macht den Sack zu, Janßen übergibt an Wolf

Janßen übergibt eine gefestigtere Mannschaft. Bild © Eric Späte
Jan­ßen über­gibt eine gefes­tig­te­re Mann­schaft. Bild © Eric Spä­te

Bis Taku­ma Asa­no wie­der mal allei­ne nach vor­ne presch­te, den Ball in der Hek­tik ver­lor, ihn aber durch einer der vie­len Braun­schwei­ger Unkon­zen­triert­hei­ten an die­sem Abend post­wen­dend wie­der bekam und direkt auf den ein­ge­wech­sel­ten Kevin Groß­kreutz flank­te, der mit einem schö­nen Schlen­zer den Sack größ­ten­teils zumach­te. Ob es nur sein Tor, oder auch sei­ne Prä­senz war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall knüpf­te der VfB im Anschluss wie­der an die gute ers­te Halb­zeit an und kämpf­te die Braun­schwei­ger mit brei­ter Brust voll­ends nie­der. Abpfiff. Platz zwei, zumin­dest bis mor­gen Abend.

Rela­tiv schnell nach die­sem Abpfiff wur­de dann auch die Ver­pflich­tung von Han­nes Wolf, bis­he­ri­ger A‑Ju­gend-Trai­ner von Borus­sia Dort­mund, als Chef­trai­ner bekannt gege­ben. Was er kann und ob er im Gegen­satz zum letz­ten zum Chef der VfB-Pro­fi­mann­schaft beför­der­ten Nach­wuchs­trai­ner mit den Spie­lern einer Her­ren­mann­schaft klar kommt, wis­sen wir noch nicht. Aber zum ers­ten Mal seit einem gefühl­ten Jahr­hun­dert habe ich das Gefühl, dass beim VfB mal wie­der mit einem Plan in der Hand und einem kla­ren Kopf agiert wird. Einer der Kar­di­nal­feh­ler der letz­ten Sai­son war es im Nach­hin­ein, Jür­gen Kram­ny allein wegen des über­ra­schen­den Sie­ges gegen Wolfs­burg am 17. Spiel­tag zum Chef­trai­ner zu beför­dern. Viel­leicht war man Kram­ny gegen­über zu gefühls­du­se­lig, viel­leicht hat­te man auch kei­ne Alter­na­ti­ve zur Hand. Auf jeden Fall ende­te es fatal.

Geordneter Übergang ins Experiment

Ganz ande­res in den ver­gan­ge­nen sie­ben Tagen. Nach dem abseh­ba­ren, aber den­noch über­ra­schen­den Rück­tritt Luhuk­ays instal­lier­te man unauf­ge­regt ein Inte­rims-Trai­ner­team mit der kla­ren Auf­ga­be, den Laden so lan­ge zu über­neh­men, bis man einen neu­en Trai­ner gefun­den hat. Zum Glück für alle mach­ten Jan­ßen, Ger­ber und Hin­kel ihre Auf­ga­be her­vor­ra­gend und über­ge­ben eine gefes­tig­te­re Mann­schaft, die bis mor­gen Abend auf dem zwei­ten Tabel­len­platz steht, an Wolf. Nach Abschluss der Auf­ga­be bedank­te sich Schin­del­mei­ser artig bei Jan­ßen, der artig und mit Humor wie­der ins zwei­te Glied rück­te:

Dort kann er sich wie­der sei­ner eigent­li­chen Auf­ga­be wid­men: Der Spie­le­be­ob­ach­tung. Denn auch wenn jetzt eini­ge pro­tes­tie­ren, wie man denn so einen erfolg­rei­chen Trai­ner ein­fach wie­der zurück ver­set­zen kön­ne: Jan­ßen, so sym­pa­thisch er auch ist, wur­de nicht als Chef­trai­ner geholt und das aus Grün­den: Sei­ne ein­zi­gen bei­den Enga­ge­ments als Chef-Trai­ner wegen sport­li­cher Erfolg­lo­sig­keit (Rot-Weiß Essen) bzw. Abstieg (Dyna­mo Dres­den). Nicht jeder ist zum Chef­trai­ner gebo­ren oder ist schon so weit, eine Trup­pe wie den VfB lang­fris­tig zu über­neh­men.

Die Ver­pflich­tung von Wolf ist auch ein Risi­ko und ein Expe­ri­ment. Gar kei­ne Fra­ge. Und so sehr ich bei der Ver­pflich­tung von Schin­del­mei­ser vor Expe­ri­men­ten gewarnt habe, so sehr bin ich gespannt auf die­sen neu­en Weg, den der VfB hier ein­geht: Weg vom Stall­ge­ruch (auch wenn es nicht das war, was Tho­mas Schnei­der den Job gekos­tet hat), weg von offen­sicht­li­chen Lösun­gen. Als VfB-Fan soll­te man immer arg­wöh­nisch wer­den, wenn in einem sowas wie Opti­mis­mus oder, Gott bewah­re, Eupho­rie auf­keimt. Aber die bis­he­ri­gen Per­so­nal­ent­schei­dun­gen von Schin­del­mei­ser bie­ten für mich zumin­dest bis­her noch kei­nen Anlass, die Hän­de über dem Kopf zu schla­gen und alles in Grund und Boden zu brud­deln. Drü­cken wir Han­nes Wolf und dem Team lie­ber die Dau­men, dass jetzt end­lich der Schal­ter umge­legt und der Auf­stiegs­kampf beim VfB begon­nen hat.

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