Alte Muster: VfB — Eintracht Frankfurt 1:4

Der VfB steht nach drei Spiel­ta­gen immer noch im Tabel­len­kel­ler. Mitt­ler­wei­le jedoch mit zehn Gegen­to­ren, zwei Platz­ver­wei­sen und zwei kas­sier­ten Elf­me­tern. Und seit ges­tern kom­men bei vie­len VfB-Fans wie­der böse Erin­ne­run­gen hoch.

Hät­te der VfB gewon­nen, könn­te ich mich an die­ser Stel­le über den Ein­tracht-Gäs­te­block aus­las­sen, der sowohl sei­nem guten, wie auch sei­nem schlech­ten Ruf gerecht wur­de. Oder über den Schieds­rich­ter, der mal hü und mal hott pfiff, zwar in den spiel­ent­schei­den­den Sze­nen rich­tig lag, aber ansons­ten kaum eine nach­voll­zieh­ba­re Linie hat­te.

Statt­des­sen müs­sen wir reden. Über die elf, spä­ter zehn Brust­ring­trä­ger, die ges­tern im Neckar­sta­di­on auf dem Platz stan­den und die drit­te und bis dato schlimms­te Nie­der­la­ge in die­ser Sai­son kas­sier­ten. Es ging eigent­lich ganz gut los. Der VfB mach­te Druck, kam gut ins Spiel, als Adam Hlou­sek plötz­lich aus dem Nichts den Ball ins eige­ne Tore beför­der­te. Auf den Rän­gen rauf­te man sich schon wie­der die Haa­re, aber nur wenig spä­ter bewies Serey Dié, war­um er bis­her so schmerz­lich ver­misst wur­de. Lan­ge genug hat­te er sich ange­schaut, wie sei­ne Kol­le­gen vor­ne den Ball ent­we­der nicht ins Tor oder manch­mal auch nicht mal in des­sen Nähe brach­ten. Dann nahm er sich ein Herz und den Ball, trug ihn in den Straf­raum und leg­te ihn dem (im Abseits ste­hen­den) Dani­el Dida­vi so auf, dass die­ser gar nicht mehr anders konn­te, als ihn über die Linie zu drü­cken.

Keine Jagd, keine Idee

Soweit so gut, jeder ging ange­sichts der Chan­cen­ho­heit des VfB und der Hoff­nung, die Mann­schaft habe aus den ver­gan­ge­nen Spie­len gelernt, davon aus, dass die Jungs im Brust­ring das Spiel nun dre­hen wür­den. Pus­te­ku­chen! Die Ein­tracht kon­ter­te den VfB — mal wie­der — aus und es ging mit einem 1:2 Rück­stand in die Pau­se. Was danach pas­sier­te: Eine rei­ne Kata­stro­phe. Ich weiß nicht, was Zor­ni­ger sei­nen Spie­lern in der Kabi­ne erzählt hat. Das Resul­tat der Halb­zeit­an­spra­che war auf jeden Fall, dass der VfB jeg­li­che Tak­tik und Kon­zep­ti­on über den Hau­fen warf. Konn­te man sich schon in der ers­ten Halb­zeit über nicht kon­se­quent zu Ende gespiel­te Angrif­fe bekla­gen, herrsch­te nun die völ­li­ge Ein­falls­lo­sig­keit. Inner­halb der ers­ten 30 Sekun­den nach Wie­der­an­pfiff war die Ein­tracht bereits wie­der im Straf­raum von Tyton. Von nun an wur­de nur noch reagiert. Von der viel­zi­tier­ten “Jagd” auf Ball und Geg­ner war nichts mehr zu sehen. Wenn die Mann­schaft mal den Ball hat­te, rück­te kei­ner nach, ergo gab es auch kei­ne über­fall­ar­ti­gen Gegen­an­grif­fe mehr. Noch schlim­mer: Die Zwei­kämp­fe wur­den abge­schenkt wie in den schlimms­ten Pha­sen der ver­gan­ge­nen Sai­son. Man bekam mehr und mehr den Ein­druck, die Mann­schaft mach­te in Tei­len der ers­ten und in der kom­plet­ten zwei­ten Halb­zeit nicht mehr als not­wen­dig.

Der VfB pfeift hinten aus dem letzten Loch

Schlim­mer noch: Sie stell­ten sich hin­ten wie­der extrem unge­schickt an. Dani­el Schwa­ab ver­deut­lich­te, dass man auf der rech­ten Abwehr­sei­te mit ihm und Flo­ri­an Klein qua­li­ta­tiv unter­be­setzt ist. Auch in der Mit­te waren Timo Baum­gartl und Aus­hilfs-Innen­ver­tei­di­ger Adam Hlou­sek zuneh­mend über­for­dert. Und so kam es auch zur nächs­ten Kata­stro­phe: Die Frank­fur­ter über­spiel­ten die Abwehr und Prze­mys­law Tyton muss­te raus­kom­men. Sicher­lich stell­te er sich dabei nicht son­der­lich geschickt an, viel­leicht wur­de der Bahn­schran­ken-Effekt durch den eben­falls in Zeit­lu­pe fal­len­den Frank­fur­ter ver­stärkt. Fakt ist: Wir haben momen­tan nur noch einen Tor­hü­ter in der ers­ten Mann­schaft. Nach dem 3:1 war die Luft noch mehr raus als vor­her, obwohl noch ein Weil­chen zu spie­len war. So ließ sich ein völ­lig aus­ein­an­der fal­len­der VfB noch das vier­te Tor ein­schen­ken. Ein jun­ger Innen­ver­tei­di­ger wie Timo Baum­gartl müss­te sich in einer sol­chen Pha­se eigent­lich an einem älte­ren, erfah­re­ne­ren Innen­ver­tei­di­ger ori­en­tie­ren und and ihm wach­sen kön­nen. Den haben wir aber lei­der vor zwei Jah­ren ver­kauft. Georg Nie­der­mei­er kann die­sen Pos­ten anschei­nend auch nicht beset­zen und so pfeift der VfB qua­li­ta­tiv hin­ten aus dem letz­ten Loch. Das Expe­ri­ment mit Adam Hlou­sek kann als geschei­tert ange­se­hen wer­den. Zehn Gegen­to­re gegen Köln, Ham­burg und Frank­furt lösen böse Vor­ah­nun­gen aus, was Spie­ler von Dort­mund, Mün­chen oder Lever­ku­sen mit unse­rer Abwehr­rei­he anstel­len.

Kein Pech

Wären wir jetzt in der Mit­te der Sai­son 2014/2015 wäre ich kon­ster­niert, aber nicht groß­ar­tig über­rascht. Wir haben aber den August des Jah­res 2015. Und wir haben ein Pro­blem. Jedem war klar, dass wir mit einem kom­plett neu­en Spiel­sys­tem nicht sofort ein Spiel nach dem ande­ren gewin­nen. Es kann aber auch nicht sein, dass wir eines nach dem ande­ren ver­lie­ren. Nach einem Spiel kann man noch von Pech spre­chen. Nach zwei Spie­len von viel Pech. Aber mit null Punk­ten aus drei Spie­len kommt man in einen Bereich, wo das selbst gesteck­te Ziel “nichts mit dem Abstieg zu tun haben” lang­sam aber sicher in Gefahr gerät. Nicht zuletzt, weil die nächs­ten Geg­ner unter ande­rem Schal­ke und Mön­chen­glad­bach hei­ßen und selbst Mann­schaf­ten wie Ber­lin und Han­no­ver uns momen­tan gefähr­lich wer­den kön­nen.

In den ers­ten bei­den Spie­len hieß es auch noch, der VfB habe unglück­lich ver­lo­ren, sei durch die Unter­zahl ins Hin­ter­tref­fen gera­ten. Nicht so gegen Frank­furt. Die­ses Spiel wur­de voll­kom­men ver­dient ver­lo­ren, ange­sichts der zwei­ten Halb­zeit auch in der Höhe. Und alle Welt fragt sich: War­um? Lag es an den tro­pi­schen Tem­pe­ra­tu­ren, dass die VfB-Elf den Tem­po­fuß­ball in der zwei­ten Halb­zeit nicht mehr an den Tag legen konn­te? Kann ich mir nicht vor­stel­len.

Brauchen wir einen Defensive Coach?

Viel­mehr ent­steht der Ein­druck, als habe Alex­an­der Zor­ni­ger kein Kon­zept für eine funk­tio­nie­ren­de Defen­si­ve. Oder nicht die rich­ti­gen Spie­ler dafür. Aber müss­te man dann nicht das Kon­zept anpas­sen, wenn man weiß, dass die Jungs in der Vie­rer­ket­te den Laden nicht dicht­hal­ten kön­nen, wenn der Angriffs­wir­bel vor­ne stockt? Auch das erklärt jedoch nicht, war­um eine Mann­schaft so kom­plett aus­ein­an­der­fällt.
Dem VfB fehlt es auf dem Platz wei­ter­hin an Füh­rungs­spie­lern. Die Kör­per­spra­che nach dem 1:2 und erst recht nach dem 1:3 sprach Bän­de. Dié muss­te irgend­wann erschöpft aus­ge­wech­selt wer­den. Har­nik, der gemein­hin als Füh­rungs­spie­ler in der Mann­schaft wahr­ge­nom­men wird, muss­te bereits zur Halb­zeit vom Platz. Chris­ti­an Gent­ner, immer noch Kapi­tän, schaff­te es schon letz­te Sai­son sel­ten, die­se Rol­le aus­zu­fül­len. Und auch am Sams­tag ging er wie­der in der weiß-roten Mas­se unter. Und so fei­er­te die Ein­tracht einen Aus­wärts­sieg, mit dem in Frank­furt wahr­schein­lich kei­ner gerech­net hat­te, vor allem nicht in der Höhe.

Muss man jetzt Zorniger rauswerfen und Dutt gleich hinterher?

Natür­lich nicht. Auch nach drei Plei­ten zum Sai­son­auf­takt kann man noch zurück kom­men. Dann darf Zor­ni­ger sich aber nicht so ver­hal­ten, wie es der VfB die letz­ten Jah­re regel­mä­ßig in der Som­mer­pau­se gemacht hat. “Wei­ter so” geht jetzt nicht mehr. Anschei­nend wird der VfB noch­mal auf dem Trans­fer­markt aktiv, aber auch Zor­ni­ger muss sich anpas­sen. Dutt kün­dig­te ja zu Sai­son­be­ginn an, dass sich die ande­ren Ver­ei­ne die Spiel­be­ob­ach­tung beim VfB spa­ren könn­ten, da man jede Woche mit dem glei­chen Kon­zept antre­ten wer­de. Man könn­te mei­nen, dass die bei­den letz­ten Geg­ner des VfB genau das gemacht haben: Ham­burg lern­te von Köln und Frank­furt lern­te von Köln und Ham­burg und nahm das Sys­tem des VfB voll­stän­dig aus­ein­an­der. In Ber­lin tre­ten wir stand jetzt mit einem Tor­wart an, der über kei­ne Bun­des­li­ga-Erfah­rung ver­fügt und — wahr­schein­lich — mit einem Innen­ver­tei­di­ger, den noch kei­ner von uns hat spie­len sehen. Eine wei­te­re Nie­der­la­ge ist jetzt eigent­lich inak­zep­ta­bel. Der Trai­ner hat jetzt zwei Wochen Zeit, sich Gedan­ken zu machen, was in den ers­ten 270 Minu­ten der Sai­son alles falsch lief.

Aber nicht nur Zor­ni­ger muss sich anpas­sen: Auch die Mann­schaft muss end­lich ver­ste­hen, dass sie in der Bun­des­li­ga mit weni­ger als 120 Pro­zent Ein­satz kei­ne Spie­le gewin­nen wird. Ande­re Mann­schaf­ten krie­gen das viel­leicht hin, weil sie qua­li­ta­tiv bes­ser besetzt sind, aber damit es beim VfB mit einem Drei­er und einer Sai­son ohne Abstiegs­ängs­te klappt, muss jeder auf dem Platz um jeden Meter und jeden Ball kämp­fen. Zwei­kämp­fe abschen­ken oder nach ver­lo­re­nem Zwei­kampf abdre­hen geht nicht mehr. Mit so einer Ein­stel­lung rei­ßen einem auch Mann­schaf­ten wie Darm­stadt und Ingol­stadt — mit Ver­laub —  den Aller­wer­tes­ten auf.

Enttäuschte Kurve

Ent­spre­chend ver­dient waren auch die Schmä­hun­gen, die den VfB-Spie­lern aus der Cannstat­ter Kur­ve ent­ge­gen schall­ten. Das Spiel am Sams­tag war in jeg­li­cher Hin­sicht ein Rück­fall in schlimms­te Zei­ten. Die Fans des Brust­rings wer­den jetzt seit über zwei Jah­ren mit über­wie­gend unan­sehn­li­chem und erfolg­lo­sem Fuß­ball gequält, von Spie­lern, die sel­ber zuge­ben, dass sie für den sport­li­chen Erfolg in die­ser Zeit nicht das Not­wen­di­ge inves­tiert haben. Wer kann es den Fans da ver­den­ken, dass sie Mann­schaft und damit auch Ver­ein dar­an erin­nern, dass die­ses Jahr alles anders oder zumin­dest ein biss­chen bes­ser wer­den soll­te?

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